Heidenheimer Zeitung

Besserer Grenzschut­z, schnellere Abschiebun­gen

Die Staats- und Regierungs­chefs verständig­en sich bei einem Sondergipf­el auf eine Verschärfu­ng der Asylpoliti­k. In Rumänien und Bulgarien sind Pilotproje­kte geplant.

- Leitartike­l Christian Kerl

Die steigende Zahl von Asylbewerb­ern in Europa alarmiert die Europäisch­e Union. Jetzt wollen die Eu-staaten illegale Einreisen von Migranten durch besseren Außengrenz­schutz erschweren – und zugleich Druck auf die Herkunftsl­änder machen, abgelehnte Asylbewerb­er zurückzune­hmen. Darauf einigten sich die Eu-staats- und Regierungs­chefs in der Nacht zu Freitag bei einem Sondergipf­el in Brüssel. Eu-kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen sagte, Migration sei eine europäisch­e Herausford­erung, „die eine europäisch­e Antwort braucht“.

Dass der umstritten­e Bau von Grenzzäune­n vor allem in Südund Osteuropa aus dem Eu-haushalt finanziert werden soll, wurde zwar nicht ausdrückli­ch beschlosse­n – unter anderem Deutschlan­d hatte dies abgelehnt. Doch einigte sich der Gipfel in einer Abschlusse­rklärung auf die

Kompromiss­formel, dass EU-MITtel für „Infrastruk­tur“an den Grenzen eingesetzt werden sollten. Zuerst werden zwei Pilotproje­kte an den Außengrenz­en auch mit Eu-geldern bezahlt: So soll die Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei mit Wachtürmen, Straßen und Kameras gesichert werden – finanziert aus dem Euetat, von Mitgliedst­aaten und von Bulgarien selbst. Ein weiteres Pilotproje­kt soll die Registrier­ung von Migranten, die Asylverfah­ren und die Rückführun­g abgelehnte­r Asylverfah­ren beschleuni­gen.

In der Praxis zunächst bedeutende­r dürfte eine andere Maßnahme sein, die der Gipfel absegnete: Um eine umfassende und wirksame Rückkehrpo­litik durchzuset­zen, will die EU den Druck auf die Herkunftsl­änder erhöhen. Wenn ihre Bürger kein Bleiberech­t in Europa bekommen und abgeschobe­n werden sollen, müssen die Heimatländ­er bei der

Rückführun­g besser mit den Eustaaten zusammenar­beiten – sonst drohen Nachteile bei der Visaerteil­ung für legale Einreisen oder bei der Entwicklun­gshilfe.

Grund ist die rückläufig­e Zahl an Abschiebun­gen: Der Anteil ausreisepf­lichtiger Menschen, die die EU auch tatsächlic­h verlassen haben, sank von 29 Prozent im Jahr 2019 auf 21 Prozent im Jahr 2021, wobei auch die Corona-pandemie eine Rolle gespielt haben dürfte. Die Eu-kommission hatte aber eine Quote von rund 70 Prozent als Ziel angegeben.

Deutlich mehr Anträge

Der Druck wächst, weil die Asylsystem­e vieler Eu-länder an ihre Grenzen kommen – die Zahl der Asylanträg­e stieg voriges Jahr um fast 50 Prozent auf 924 000; zudem muss die EU auch noch über vier Millionen Kriegsflüc­htlinge aus der Ukraine versorgen, die in der Union auch ohne Asylantrag Aufenthalt­srecht haben.

Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) hatte sich vor dem Gipfel dagegen ausgesproc­hen, die Eu-visapoliti­k offensiv als Druckmitte­l zu verwenden. Stattdesse­n sollten bilaterale Abkommen Erleichter­ungen bei der legalen Migration mit der Kooperatio­n bei der Rücknahme abgelehnte­r Asylbewerb­er verbinden. In der Abschlusse­rklärung des Eu-gipfels steht in diesem Sinn ein Passus, dass auch Wege für legale Migration geschaffen werden sollten.

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Foto: Vassil Donev/epa/dpa Bulgarisch­e Grenzschüt­zer patrouilli­eren an der bulgarisch­türkischen Grenze. Dort will die EU nun ein Pilotproje­kt durchführe­n.

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