Besserer Grenzschutz, schnellere Abschiebungen
Die Staats- und Regierungschefs verständigen sich bei einem Sondergipfel auf eine Verschärfung der Asylpolitik. In Rumänien und Bulgarien sind Pilotprojekte geplant.
Die steigende Zahl von Asylbewerbern in Europa alarmiert die Europäische Union. Jetzt wollen die Eu-staaten illegale Einreisen von Migranten durch besseren Außengrenzschutz erschweren – und zugleich Druck auf die Herkunftsländer machen, abgelehnte Asylbewerber zurückzunehmen. Darauf einigten sich die Eu-staats- und Regierungschefs in der Nacht zu Freitag bei einem Sondergipfel in Brüssel. Eu-kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, Migration sei eine europäische Herausforderung, „die eine europäische Antwort braucht“.
Dass der umstrittene Bau von Grenzzäunen vor allem in Südund Osteuropa aus dem Eu-haushalt finanziert werden soll, wurde zwar nicht ausdrücklich beschlossen – unter anderem Deutschland hatte dies abgelehnt. Doch einigte sich der Gipfel in einer Abschlusserklärung auf die
Kompromissformel, dass EU-MITtel für „Infrastruktur“an den Grenzen eingesetzt werden sollten. Zuerst werden zwei Pilotprojekte an den Außengrenzen auch mit Eu-geldern bezahlt: So soll die Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei mit Wachtürmen, Straßen und Kameras gesichert werden – finanziert aus dem Euetat, von Mitgliedstaaten und von Bulgarien selbst. Ein weiteres Pilotprojekt soll die Registrierung von Migranten, die Asylverfahren und die Rückführung abgelehnter Asylverfahren beschleunigen.
In der Praxis zunächst bedeutender dürfte eine andere Maßnahme sein, die der Gipfel absegnete: Um eine umfassende und wirksame Rückkehrpolitik durchzusetzen, will die EU den Druck auf die Herkunftsländer erhöhen. Wenn ihre Bürger kein Bleiberecht in Europa bekommen und abgeschoben werden sollen, müssen die Heimatländer bei der
Rückführung besser mit den Eustaaten zusammenarbeiten – sonst drohen Nachteile bei der Visaerteilung für legale Einreisen oder bei der Entwicklungshilfe.
Grund ist die rückläufige Zahl an Abschiebungen: Der Anteil ausreisepflichtiger Menschen, die die EU auch tatsächlich verlassen haben, sank von 29 Prozent im Jahr 2019 auf 21 Prozent im Jahr 2021, wobei auch die Corona-pandemie eine Rolle gespielt haben dürfte. Die Eu-kommission hatte aber eine Quote von rund 70 Prozent als Ziel angegeben.
Deutlich mehr Anträge
Der Druck wächst, weil die Asylsysteme vieler Eu-länder an ihre Grenzen kommen – die Zahl der Asylanträge stieg voriges Jahr um fast 50 Prozent auf 924 000; zudem muss die EU auch noch über vier Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine versorgen, die in der Union auch ohne Asylantrag Aufenthaltsrecht haben.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte sich vor dem Gipfel dagegen ausgesprochen, die Eu-visapolitik offensiv als Druckmittel zu verwenden. Stattdessen sollten bilaterale Abkommen Erleichterungen bei der legalen Migration mit der Kooperation bei der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber verbinden. In der Abschlusserklärung des Eu-gipfels steht in diesem Sinn ein Passus, dass auch Wege für legale Migration geschaffen werden sollten.