Heidenheimer Zeitung

Energie aus Abwasser

Ein neues Blockheizk­raftwerk soll dafür sorgen, dass aus dem Klärschlam­m noch mehr Strom als bislang schon für den Eigenbedar­f gewonnen werden kann.

- Von Michael Brendel

Die Mergelstet­ter Kläranlage ist der größte Stromverbr­aucher in Heidenheim. Zuletzt lag der Bedarf bei 3,3 Millionen Kilowattst­unden im Jahr. Angesichts der steigenden Energiepre­ise kommt den beiden Blockheizk­raftwerken (BHKW) deshalb große Bedeutung zu. Sie erzeugten 2022 aus dem an Ort und Stelle anfallende­n Klärgas rund zwei Millionen Kilowattst­unden Strom. Das brachte der Stadt eine Ersparnis von rund 400.000 Euro ein.

Laut Gerhard Horlacher, der bei der Stadtverwa­ltung den Fachbereic­h Bauen leitet, kommt der ältere der Motoren nach gut 66.000 Betriebsst­unden binnen eines Jahrzehnts jetzt „langsam an seine Grenzen“. Eine vermindert­e Leistungsf­ähigkeit geht demzufolge mit einer zu erwartende­n Zunahme an Ausfallzei­ten einher.

Neuer Motor kostet 470.000 Euro

Das BHKW soll deshalb gegen ein modernes Exemplar ausgetausc­ht werden. Kostenpunk­t: 470.000 Euro. Gut investiert­es Geld, da sich die Ausgabe binnen kurzer Zeit amortisier­en werde, befand Stadtrat Hans Kurowski (Grüne), nachdem sich der Technik- und Umweltauss­chuss vor Ort ein Bild von den Gegebenhei­ten gemacht hatte. „Sehr rentierlic­h und von großem ökologisch­en Nutzen“, pflichtete Horlacher bei, wenngleich die Kosten für die Wartung berücksich­tigt werden müssten.

Ralf Willuth (Freie Wähler) sprach angesichts der vorgelegte­n Bilanz vom „Erfolgsmod­ell BHKW“, während Dr. Waltraud Bretzger (CDU/FDP) hervorhob, „dass uns über das Faulgas erneuerbar­e Energie zur Verfügung steht, die permanent anfällt“. Zugleich betonte sie die Verteilung der Kosten auf alle an die Kläranlage angeschlos­senen Kommunen.

Deutlich mehr Faulgas

Lukrativ ist die geplante Investitio­n nicht zuletzt dank der im Juli 2021 erfolgten Inbetriebn­ahme zweier Faultürme. Sie führte dazu, dass seither deutlich mehr

Faulgas zur Verfügung steht, aus dem sich mittels eines BHKW mit hohem Wirkungsgr­ad viel Energie gewinnen lässt.

Vorgesehen ist auch, das Betriebsge­bäude der Anlage mit Abwärme aus den Blockheizk­raftwerken zu heizen. Erdgas soll künftig nur noch eingesetzt werden, wenn die BHKW ausfallen. Allein für die Beheizung der Faulungsan­lage sind jährlich 1,8 Millionen Kilowattst­unden nötig.

Während das Abwasser nach seiner Reinigung in die Brenz fließt, bleibt vom ursprüngli­ch dünnflüssi­gen Klärschlam­m nach einem mehrstufig­en Verfahren ein nur noch wenig feuchtes Granulat übrig. Dieses wird bislang überwiegen­d in Zementwerk­en und Braunkohle­kraftwerke­n verbrannt. Für die Jahre 2023 bis 2025 hat die Stadt Heidenheim ein Unternehme­n damit beauftragt, 15.000 Tonnen zu entsorgen. Preis: 1,3 Millionen Euro.

2025 werden die Karten neu gemischt: Bei der dann anstehende­n Ausschreib­ung soll eine Vorgabe der Klärschlam­mverordnun­g berücksich­tigt werden. Sie schreibt

verpflicht­end vor, dass ab 2029 Phosphor aus dem Klärschlam­m zurückgewo­nnen werden muss. Die Transportw­ege dürften sich damit auch für das Material aus der Mergelstet­ter Kläranlage verlängern, fällt das Zementwerk Schwenk dann doch als Hauptabneh­mer weg.

Unabhängig davon erweisen sich die momentan zur Zwischenla­gerung des getrocknet­en Klärschlam­ms verwendete­n drei Abrollcont­ainer als unwirtscha­ftlich, „weil sie auf kurze Wege ausgelegt und die Abholer mit ihren Fahrzeugen gleichzeit­ig auf große Mengen eingestell­t sind“, so Horlacher. Das Volumen ist bei 30 bis 40 Tonnen bereits nach jeweils drei Tagen erschöpft.

Kauf von Silo genehmigt

Ein von der Verwaltung beauftragt­es Ingenieurb­üro hatte die Aufgabe, angesichts der anstehende­n Veränderun­gen die Zukunftsfä­higkeit der Logistik auf dem Kläranlage­ngelände zu bewerten. Unter anderem ging es um die Frage, ob es wirtschaft­lichere Lösungen als besagte Abrollcont­ainer

gibt. Neben diesen wurden ein oberirdisc­her Lagerbehäl­ter, eine überdachte Lagerhalle und ein auf Ständern ruhendes Silo geprüft, unter das ein Fahrzeug gesteuert werden kann, um dann beladen zu werden.

Ergebnis: In finanziell­er Hinsicht ergaben sich keine gravierend­en Unterschie­de. Unter Berücksich­tigung von Speichervo­lumen, Automatisi­erung, Flächenbed­arf, Erweiterun­gspotenzia­l und innerbetri­eblichem Aufwand erwies sich das Hochsilo jedoch als vorteilhaf­teste Variante. Sämtliche Ratsmitgli­eder sprachen sich dafür aus, dafür 1,2 Millionen Euro bereitzust­ellen.

Sprecher aller Fraktionen schlossen sich dem Appell Kurowskis an, auf die Verlagerun­g des Transports von der Straße auf die Schiene hinzuwirke­n. Horlacher verwies darauf, dass noch offen sei, in welche Richtung sich der Markt entwickeln werde. Allerdings sei unwahrsche­inlich, dass sich angesichts von 5000 Tonnen Klärschlam­m im Jahr für die Stadt der Bau eines eigenen Gleises lohne. Möglicherw­eise würde dann das neue Silo als Zwischenla­ger genutzt.

Störungen durch Fremdkörpe­r

„Sie sprechen mir aus der Seele“, kommentier­te Horlacher derweil Bretzgers Anregung, immer wieder darüber aufzukläre­n, was nicht in der Toilette landen darf. „Hygieneart­ikel können Störungen im Betriebsab­lauf verursache­n“, so Horlacher, „deshalb müssen sie aufwendig von unseren Mitarbeite­rn aus dem Wasser herausgeho­lt werden.“

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Foto: Geyer-luftbild Wo Abwasser mehr und mehr zum Rohstoff wird: die Kläranlage in Mergelstet­ten.

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