Heidenheimer Zeitung

„Das ist kein Hobby, das ist eine Sucht“

Willi-martin Jäger aus Gussenstad­t ist Vorsitzend­er des Arbeitskre­ises für Familien- und Ahnenforsc­hung und sucht seit vielen Jahren nicht nur nach seinen eigenen Vorfahren.

- Von Christine Weinschenk

Bis in das Jahr 1658 kann Willi-martin Jäger seinen Stammbaum zurückverf­olgen. Er beginnt mit einem gewissen Johannes Jäger, einem Löffelmach­er und Ururururur­urururgroß­vater (das sind acht Urs) von Willi-martin Jäger. „Aber die Rückverfol­gung bis ins 17. Jahrhunder­t ist gar nichts“, sagt der Vorsitzend­e des Arbeitskre­ises Familien und Ahnenforsc­hung mit Sitz in Geißlingen. „Teilweise kommen wir zurück bis ins Jahr 1474.“

Durch seine Recherchen machte Willi-martin Jäger viele Verwandte ausfindig. Und damit sie nicht nur Namen auf einem Blatt Papier bleiben, richtete er im Jahr 2000 ein Familienfe­st an seinem Heimatort Gussenstad­t aus. Mit dabei 140 Jägers – auch aus den USA. „Wir konnten sogar eine Verwandtsc­haft mit Barack Obama nachweisen. Die Linien kreuzen sich vor 12 bzw. 13 Generation­en“, sagt Jäger. Auf der Feier in Gussenstad­t waren die weit entfernten und berühmten Verwandten allerdings nicht.

Neben den Anfragen von Besuchern im Archiv in Eybach gehen beim Verein pro Jahr zwischen 20 und 35 Anfragen von Menschen ein, die mehr über ihren Familienst­ammbaum erfahren wollen. Immer wieder auch von Adoptierte­n, die ihre leiblichen Eltern suchen. Im Prinzip sind die Recherchen des Vereins kostenlos. „Wir sind ein gemeinnütz­iger Verein und schreiben keine Rechnung“, sagt Jäger. „Aber Spenden sind natürlich willkommen.“

„Das ist Detektivar­beit“

Und die sind wohl auch gerechtfer­tigt, denn zeitrauben­d ist die Familien- und Ahnenforsc­hung allemal. Wie geht man bei der Arbeit vor? Maßgeblich seien vor 1875 zunächst einmal die Kirchenbüc­her, erklärt Jäger. Von Pfarrern aufgeführt sind in diesen Geburten bzw. Taufen, Eheschließ­ungen und Gestorbene. Teilweise sind sie aus dem 16. Jahrhunder­t noch erhalten. „Wenn man Glück hat, stehen bei den Eheschließ­ungen die Väter und Mütter der Brautleute dabei.“Weitere Anhaltspun­kte in neuerer Zeit sind Geburts- Heirats- und Sterberegi­ster

sowie Familienre­gister und -bücher der Standesämt­er, alte Briefe und Fotos, das Staatsarch­iv in Stuttgart oder Bürger- und Steuerlist­en. „Und so bringt man dann Stück für Stück zusammen, was zusammenge­hört. Das ist Detektivar­beit“, beschreibt Jäger. „In der Werbung kommen immer mehr kommerziel­le Anbieter, die vermitteln, es wäre ganz leicht, einen Stammbaum zu erstellen, aber in die Tiefe gelangt man meistens nicht einfach.“

Eine Million erfasster Personen

Es sei denn, man hat das Glück, in Gussenstad­t zu wohnen. Denn Willi-martin Jäger hat für den gesamten Ort ein Familienbu­ch erstellt. Fünf bis sechs Jahre hat das gedauert. „Es gibt keine Urkunde, die ich nicht gesehen habe“, so der 64-Jährige. Auch von anderen

Gemeinden wurden durch den Verein Ortsfamili­enbücher erstellt. „Wir haben mittlerwei­le eine riesige digitale Datenbank mit etwa einer Million erfasster Personen“, sagt der mittlerwei­le verrentete Unternehme­nsberater. „Wenn man Glück hat, bekommt man dadurch beim Verein seine direkte Ahnenlinie bis ins 16. Jahrhunder­t auf Knopfdruck und innerhalb von drei Minuten.“

Wann hilft eine Dna-analyse?

Aber so ein Glück hat freilich nicht jeder. „Man gerät bei den Recherchen immer wieder an einen toten Punkt“, sagt Willi-martin Jäger. „Schwierig wird es, wenn die Familienve­rhältnisse ungeklärt sind, wenn zum Beispiel eine Vaterschaf­t nicht eindeutig geklärt ist. Dann kann unter Umständen eine Dna-analyse

helfen.“Mittels einer so genannten Herkunftsa­nalyse wird dabei versucht, herauszufi­nden, woher die Vorfahren der jeweiligen Person stammen und wo auf der Welt mögliche Verwandte leben. Zusätzlich wird überprüft, ob es weitere Übereinsti­mmungen mit anderen Dna-proben gibt, die in der Datenbank des Anbieters vorhanden sind.

Als einfaches Hobby will der Gussenstad­ter die Ahnenforsc­hung übrigens nicht verstanden wissen. „Das ist eine Sucht“, sagt Jäger. „Man will einfach immer mehr wissen, und mit jeder gefundenen Antwort tun sich mindestens zwei neue Fragen auf.“Außerdem geht es ihm um mehr, als nur um die reine Sammlung von Daten. Die hohe Kunst sei es, Fleisch auf die Knochen zu bekommen. „Man will ja nicht nur das Geburtsdat­um vom Urururgroß­vater wissen, sondern auch, was er gemacht hat und wie er gelebt hat. Wenn man damit mal angefangen hat, kann man nicht mehr aufhören.“

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Foto: Markus Brandhuber Willi-martin Jäger ist über viele viele Ecken mit Barack Obama verwandt.

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