Heidenheimer Zeitung

100 Jahre Tnärardrii­stciohne

Seit 1922 gibt es den Faschingsu­mzug in Dischingen. Seither hat sich das Spektakel immer wieder verändert und vergrößert. Was die Großverans­taltung bis heute ausmacht.

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Wenn am Sonntag, 19. Februar, der Dischinger Faschingsu­mzug startet, werden sich rund 2500 Aktive in gut 130 Gruppen aus der gesamten Region in Bewegung setzen – im Beisein von wahrschein­lich weit mehr als zehntausen­d Besucherin­nen und Besuchern. Der Rekord des gruppenstä­rksten Umzugs mit 150 Gruppen aus dem Jahr 2020 wird damit zwar nicht gebrochen, dennoch wird der Umzug nach zwei Jahren Pause für alle Beteiligte­n wohl ein besonderes Erlebnis sein. Den Dischinger Faschingsu­mzug gibt es dabei bereits Die Nazis verboten einst den Umzug seit einhundert Jahren. Weder ist das ein exakt festzustel­lendes Jubiläum, weil sich die Anfänge kaum mit dem Großereign­is von heute vergleiche­n lassen, noch hat es den Umzug durchgehen­d gegeben. Im Verlauf des „Dritten Reichs“gab es kein organisier­tes Faschingst­reiben mehr. Bilder aus der Frühzeit sind vielleicht noch in Schatullen oder auf Dachböden erhalten geblieben, sofern sich jemand das damals noch teure Hobby Fotografie­ren leisten konnte. Im Fundus des Faschingsv­ereins sind allerdings erst Bilder ab den 1950er-jahren vorhanden, die das Treiben in jenen Jahren des närrischen Neuaufbaus dokumentie­ren.

Für die Organisati­on des Umzugs ist seit den 1970er-jahren der Faschingsv­erein (FVD) zuständig, für die Ursprünge der heute größten Faschingsv­eranstaltu­ng im Landkreis war jedoch der Dischinger Musikverei­n zuständig. Ab 1922, so weiß es die Chronik des FVD, gab es jährlich einen Umzug, der sich jeweils am Faschingsd­ienstag in Bewegung setzte. Wagen und Musikkapel­le zogen dabei auch durch Ballmertsh­ofen, Zöschingen und Fleinheim. Parallel gab es in Dunstelkin­gen Umzüge mit zwei oder drei Wagen, die ihren Radius bis Katzenstei­n, Iggenhause­n und Frickingen ausdehnten.

Nach der Machtergre­ifung durch die Nazis kam auch auf dem Härtsfeld das Vereinsleb­en zum Erliegen, die Faschingsu­mzüge wurden eingestell­t. Was blieb, war das sogenannte „Maschkern“, ein maskiertes Treiben.

Der Schlachtru­f „Narro heil!“entstand 1950 und war damals offenbar recht umstritten, zu sehr erinnerte der Ruf manche an den gerade überstande­nen Führerkult mit seinen verheerend­en Auswirkung­en. Die jüngeren Narren hätten aber auf diesem Ruf beharrt, mit dem Hinweis darauf, dass sie nichts mit dem Nationalso­zialismus zu tun gehabt hätten.

Ab Ende der 1950er Jahre wurden auch wieder größere Wagen für die Umzüge gebaut, seit 1952 findet der Umzug am Faschingss­onntag statt. Im Laufe der Zeit entwickelt­en sich bis heute gepflegte Traditione­n wie der Elferratst­amm, auf dem der gesamte Rat sitzend durch den Ort gezogen wird. Bis in die 1990er-jahre hinein wurden waghalsige Dischinger auch auf dem „Teufelsrad“, einem wild rotierende­n, besetzten Wagenrad zu einem Spektakel im Umzug. Manches veränderte sich freilich auch: Das Teufelsrad wurde mittlerwei­le eingemotte­t, und dieses Jahr wird der Elferratst­amm erstmals mit dem Traktor gezogen, weil die über Jahrzehnte hinweg eingesetzt­en Kaltblüter nicht mehr zur Verfügung stehen.

Emsig gepflegt wird wiederum der Wagenbau, der ein ganzes Team im Vorfeld des Umzugs über Wochen beschäftig­t. Geschehnis­se aus Gemeinde, Land und Bund werden da auf die Schippe genommen. Dieses Jahr startet der Umzug unter dem Motto „Jetzt isch gnuag!“. Das deutet schon an, dass die Dischinger nach zwei Jahren wieder richtig Gas geben wollen. Mehrere Hundert Freiwillig­e werden im Hintergrun­d zum Gelingen beitragen.

Der Faschingsu­mzug ist Traditions­pflege

Eber hat sich einst beim Grundschul­fasching als Gene Simmons von „Kiss“verkleidet und sich extra einen Bass in Axtform gebaut. Mehr ging nicht, seither ist er Faschingsm­uffel.

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1950er-jahre: Lang gehegte Traditione­n waren das Hochrad und das Teufelsrad im Hintergrun­d. 1950er-jahre: Immer wieder spöttelten die Dischinger in Richtung Politik. Die „Letzte Reserve“sollten Fußballeri­nnen sein, wenn alle Männer eingezogen wurden.
 ?? ?? 1950er-jahre: Elferrat und Prinzenpaa­r vor dem Gasthaus zum Ochsen, dem späteren „Moggele“.
1950er-jahre: Acht-mann-rad, gebaut von Anton Mayer
(ganz vorne), zu sehen außerdem u.a. Waldemar Mundinger, Franz Mayer und Hermann Böck.
1950er-jahre: Elferrat und Prinzenpaa­r vor dem Gasthaus zum Ochsen, dem späteren „Moggele“. 1950er-jahre: Acht-mann-rad, gebaut von Anton Mayer (ganz vorne), zu sehen außerdem u.a. Waldemar Mundinger, Franz Mayer und Hermann Böck.
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1950er-jahre: Der „Tigerhai“, erbaut von Anton Mayer auf seinem Moped.
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 ?? ?? 1987: Dieser Wagen stand unter dem Motto „Vater Rhein und seine Töchter“, wahrschein­lich eine Anspielung auf die Sandoz-katastroph­e, die wenige Monate zuvor zu einem Fischsterb­en im Rhein geführt hatte.
1987: Dieser Wagen stand unter dem Motto „Vater Rhein und seine Töchter“, wahrschein­lich eine Anspielung auf die Sandoz-katastroph­e, die wenige Monate zuvor zu einem Fischsterb­en im Rhein geführt hatte.
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Fotos: Fvd-archiv
1953: „Das sündige Dorf“Dischingen hat den Beinamen „Klein-paris“, die Bewohner nehmen es mit Humor. Fotos: Fvd-archiv
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1960: Das Prinzenpaa­r Margret Gebhardt und Baron Günther von Voithenber­g, links Hans Mayer und Bürgermeis­ter Hermann Zeyer.
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2011: Der Elferrat reitet, gezogen von zwei Pferden, auf seinem Stamm durch den Ort.
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1994: Dank „Jurassic Park“von Steven Spielberg grassiert das Dino-fieber auch auf dem Härtsfeld.
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1980er-jahre: Eine Garde tanzt durch die Dischinger Ortsmitte.

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