Heidenheimer Zeitung

„Schlechte Vorzeichen“

- André Bochow

Es sieht so aus,

als ob dieses Mal technisch alles bei der Wahl geklappt hat. Aber Berlin überrascht die politische­n Beobachter trotzdem wieder. Albrecht von Lucke, Politikwis­senschaftl­er von den „Blättern für deutsche und internatio­nale Politik“hat jedenfalls mit einigem Erstaunen auf die Wahlergebn­isse geblickt.

Herr von Lucke, hat Sie der so deutliche Sieg der CDU überrascht? Albrecht von Lucke:

Ja und nein. Der Cdu-spitzenkan­didat Kai Wegner ist ja keinesfall­s eine charismati­sche Erscheinun­g; aber die Unzufriede­nheit mit dem Senat und vor allem mit der SPD ist eben immens groß.

Wäre es demokratis­ch, der CDU den Posten des Regierende­n Bürgermeis­ters zu verweigern?

Am Ende ist entscheide­nd, wer eine Regierung bilden kann. Und da spricht inhaltlich vieles für die Fortsetzun­g der linken Dreierkoal­ition. Aber angesichts des hohen Cdu-wahlsieges und den weniger als 20 Prozent für den Zweiten wäre eine Regierungs­bildung ohne CDU eine echte Hypothek für die kommende Bürgermeis­terin.

Die SPD hat das schlechtes­te Berliner Ergebnis der Geschichte geholt. Und das, obwohl Franziska Giffey deutlich populärer ist als die Konkurrenz. Ist also die Bundes-spd schuld?

Das glaube ich nicht. Die Berlinerin­nen und Berliner fühlen sich einfach extrem schlecht regiert. Am schlechtes­ten in ganz Deutschlan­d. Dafür bekommt die Partei, die seit 20 Jahren ununterbro­chen regiert, jetzt die Quittung.

Und auch dafür, dass die Wahl überhaupt wiederholt werden musste, ohne dass dafür irgendwer aus der politisch ersten Reihe, zum Beispiel der Innensenat­or von der SPD, die Verantwort­ung übernommen hätte.

Die FDP ist in Berlin seit einer Ewigkeit in der Opposition, und bei dieser Wahl mussten die Liberalen wieder zittern. Auch bundesweit bewegt sich die FDP in den Umfragen auf sehr niedrigem Niveau. Was ist los mit den Liberalen?

Bei der FDP liegt das Problem klar im Bund. In Berlin war die Performanc­e des Spitzenkan­didaten gar nicht so schlecht. Aber der Versuch im Bund, Opposition in der Ampel zu sein, muss scheitern, wenn es daneben eine große bürgerlich­e Opposition­spartei, die CDU, gibt und eine laute, rechtspopu­listische Partei, die AFD. Die Gefahr, dass sich Lindner und Co. jetzt noch mehr gegen ihre rot-grünen Koalitions­partner radikalisi­eren, ist angesichts des Wahlausgan­gs in Berlin groß – schlechte Vorzeichen für die Ampel.

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Foto: Privat Politikwis­senschaftl­er Albrecht von Lucke.

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