Die Wogen der Wahl in Berlin
Welche Auswirkungen die Ergebnisse der Abstimmung zum Abgeordnetenhaus auf die Bundespolitik und das Wahljahr haben werden.
Die Wahl des Abgeordnetenhauses in Berlin hinterlässt auch Duftmarken für die Bundesebene – und für die drei weiteren Landtagswahlen des Jahres. Fünf Beobachtungen:
1. Die CDU kann doch Großstadt.
Knapp zehn Jahre ist es her, da befasste sich die CDU ausführlich mit ihrem Großstadtproblem. Wie können die Konservativen wieder beim urbanen Wähler punkten, lautete die Frage, die in die Hände eines „Metropolen-beauftragten“gelegt wurde. Sein Name: Kai Wegner. Jetzt hat dieser Wegner in der großstädtischsten aller deutschen Städte gezeigt, wie es geht. Nur: So richtig könnte der Erfolg mit ihm nicht nach Hause gehen. Das liegt an Zweierlei.
Zum einen gilt der 50-jährige Spandauer nicht mal in seiner eigenen Partei als sonderlich profiliert oder gar charismatisch. Wegners Sieg gilt auch unter Christdemokraten vor allem als Signal der Wähler gegen die „Verlierertruppe“Rot-grün-rot. Zum anderen ist er davon abhängig, ob aus der bisherigen Koalition entweder die SPD oder die Grünen zu seinen Gunsten ausscheren würden. Passende Koalitionspartner zu finden, ist allerdings nicht nur ein Problem, dass sich den Berliner Christdemokraten stellt.
2. Der SPD tun rot-grün-rote Bündnisse nicht immer gut.
Die Berliner Landesregierung ist nach einer infratest-umfrage mit 25 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung die unbeliebteste in ganz Deutschland. Auch wenn Rot-grün-rot in der Hauptstadt eine Fortsetzung finden sollte, wäre also unklar, ob es der SPD nutzen würde, in dieser
Koalition zu bleiben. Als Juniorpartner der CDU sieht Spdgeneralsekretär Kevin Kühnert seine Partei noch nicht. Die CDU habe im Wahlkampf „viele Türen zugeschlagen“.
Interessant wird daher der Blick in die bisherige Spd-hochburg Bremen, wo am 14. Mai gewählt wird. Die dortige rot-grünrote Regierung liegt in der Zufriedenheit laut infratest mit 34 Prozent auf dem vorletzten Platz. Für die Wahl im Herbst in Hessen, wo die SPD mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Staatskanzlei übernehmen will, könnten solche Farbenspiele ebenfalls interessant sein. Während die SPD bei der Wahl in Bayern im Herbst kaum Chancen auf eine Regierungsbeteiligung hat.
3. Die Grünen festigen ihre Stellung als Großstadtpartei.
Die Grünen haben in Berlin ihr Ergebnis von 2021 fast gehalten, und ihnen konnte auch die bundespolitische Debatte um den Kohleausstieg und die Abbaggerung des Dorfes Lützerath offenbar nichts anhaben. Vizekanzler Robert Habeck wird von einer breiten Wählerschaft für sein pragmatisches Handeln in der Energiepolitik mit hohen Zustimmungswerten belohnt. Und die Erweiterung des Themenspektrums der Öko-partei über den Klimaschutz hinaus trägt offenbar Früchte. Ko-chefin Ricarda Lang erklärte, ihre Partei sehe in Berlin einen „Auftrag, was bezahlbares Wohnen, was Klimaschutz anbetrifft“. Das Image als Verbots- und Verzichtspartei scheint sie in Berlin jedenfalls keine Stimmen zu kosten.
4. Neben Mieterproblemen werden Verkehrsthemen und die Innere Sicherheit zunehmend zum politischen Sprengstoff. Von den meisten Berliner Parteien wurde das Thema Wohnen in den Vordergrund gestellt – ein Thema also, das auch bundesweit die Menschen bewegt, in Berlin zumal nach gescheiterten MietendeckelExperimenten und Verstaatlichungsphantasien. Der Eindruck, dass die regierenden Parteien daran scheitern, dieses Grundbedürfnis ausreichend zu befriedigen, könnte auch der Ampelregierung im Bund gefährlich werden.
Gesellschaftliches Spaltpotenzial liegt auch im Thema Verkehr. Der Kampf gegen das Auto durch die Sperrung von Innenstadtbereichen für Autos sowie die Ankündigung, die Hälfte der Parkplätze abzuschaffen, dürfte der CDU in Berlin starken Aufwind beschert haben. Genauso wie das Thema Sicherheit und Ordnung, das nach den Silvesterkrawallen für 23 Prozent der Wähler wahlentscheidend war.
5. Die Berliner Wahlen sind nur bedingt aussagekräftig für die Ampel im Bund.
Traditionell unterscheiden sich die Berliner Parteien in ihrer Ausrichtung von den Bundesschwestern stark. So sind die Grünen und Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus sehr viel linker aufgestellt als jene im Bundestag. Die Berliner Grünen, die einen großen Teil der Wohnungen der Hauptstadt gerne verstaatlicht sähen, sind laut einer „Tagesspiegel“-umfrage nur für 70 Prozent der bundesweiten Grünen-wähler wählbar – der niedrigste Wert aller Parteien.
Das schlechte Abschneiden der FDP in den letzten Landtagswahlen könnte hingegen dazu führen, dass sie sich gezwungen sieht, sich im Bund noch stärker zu profilieren. Das Regieren in der Ampel würde dadurch noch schwerer.