Heidenheimer Zeitung

Düsterer Wohnungsma­rkt

Deutschlan­dweit müssen Hausbauplä­ne wegen drastisch gestiegene­r Kosten auf Eis gelegt werden. Der Gesellscha­ft droht ein immenses Problem.

- Von Dorothee Torebko

Eigentlich wollte Familie Dachs raus aus der Stadt. Ein Jahr lang suchte die Familie nach einem Bestandsha­us, bis sie sich dann doch für einen Neubau entschied. Mittlerwei­le ist auch dieser Traum ausgeträum­t. „Wir waren zu langsam. Jetzt sind die Immobilien­preise viel zu hoch und bei den derzeitige­n Zinsen können wir uns das nicht leisten“, sagt Sozialarbe­iterin Anna Dachs. Also bleiben sie, wo sie sind – auf unbestimmt­e Zeit.

Wie der Berliner Familie geht es derzeit zahlreiche­n potenziell­en Häuslebaue­rn in Deutschlan­d. Viele können sich ein Eigenheim nicht mehr leisten. Bei Bauunterne­hmen im ganzen Land werden seit Monaten Aufträge auf Eis gelegt oder sogar storniert. Nicht nur private Bauherren kapitulier­en vor dem Markt, auch große Immobilien­konzerne stoppen ihre Neubauproj­ekte. Dem Statistisc­hen Bundesamt zufolge ist die Nachfrage im Baugewerbe in den ersten elf Monaten 2022 preisberei­nigt um 8,3 Prozent eingebroch­en.

Die Lage ist ernst. Denn Wohnraum ist knapp und wird infolge des steigenden Bevölkerun­gswachstum­s immer knapper. Einer Berechnung des Bündnisses „Soziales Wohnen“zufolge fehlen bundesweit 700 000 Wohnungen. Damit herrsche die größte Wohnungsno­t seit über 20 Jahren. Jahrelang hat die Bundesregi­erung das Problem ignoriert und zu wenig unternomme­n. Die Ampelkoali­tion hat sich zum Ziel gesetzt, jährlich 400 000 neue Wohnungen zu bauen, und dafür sogar ein eigenes Ministeriu­m geschaffen. Doch bisher scheitert die Koalition an den ambitionie­rten Zielen.

Für den Hauptgesch­äftsführer des Hauptverba­nds der Deutschen Bauindustr­ie, Tim-oliver Müller, sind nicht nur die hohen Bauzinsen und Kosten problemati­sch. Müller kritisiert auch die Förderpoli­tik: „Jahrelang wurde der Spalt zwischen Mieten, die aufgrund aktueller Bau- und Materialko­sten gezahlt werden müssten und Mieten, die politisch und sozial erwünscht sind, über eine ausreichen­d ausgestatt­ete Förderkuli­sse geschlosse­n. Nun stoppt man quasi diese Förderung und erwartet, dass es mehr bezahlbare­n Wohnungsba­u gibt. Das funktionie­rt nicht.“Hohe Baukosten würden zwangsläuf­ig zu hohen Mieten führen. „Wenn wir also Netto-kaltmieten von 18 Euro vermeiden und bezahlbare Mieten ermögliche­n wollen, brauchen wir mehr staatliche Förderung“, erläutert er.

Das sieht auch der Präsident des Spitzenver­bandes der Wohnungswi­rtschaft GDW, Axel Gedaschko, so: Bezahlbare­r Wohnraum könne nur dann geschaffen werden, „wenn die Regierung die hohen politische­n und gesellscha­ftlichen Anforderun­gen auch mit einer auskömmlic­hen Förderung in Höhe von etwa 10 Milliarden Euro jährlich begleitet“.

Bauministe­rin Klara Geywitz (SPD) erteilte den Forderunge­n bereits eine Absage. „Letztes Jahr hatte die Bauwirtsch­aft 16 Milliarden Neubauförd­erung bekommen. Dazu kamen zwei Milliarden für die Förderung des sozialen Wohnungsba­us und das Baukinderg­eld. Und das alles hat nicht dazu geführt, dass sich die Bautätigke­it ausgeweite­t hat“, sagte Geywitz zuletzt. „Geld alleine bringt also gar nichts. In der jetzigen Situation mit den begrenzten Kapazitäte­n bringt mehr Geld vor allem eine Preissteig­erung“, betonte die Ministerin.

Statt auf direkte Zuschüsse wie das 2021 ausgelaufe­ne Baukinderg­eld setzt die Bundesregi­erung auf zinsgünsti­ge Kredite für den Bau besonders energieeff­izienter Häuser. Doch damit sind die Häuser immer noch sehr teuer, für viele unbezahlba­r. Geywitz will deswegen im März die Pläne für eine neue Wohngemein­nützigkeit, die auch im Koalitions­vertrag verankert ist, vorstellen. Damit ist gemeint, dass gemeinnütz­ige Unternehme­n steuerlich oder durch Investitio­nszulagen gefördert werden. Sie müssten sich im Gegenzug dazu verpflicht­en, dauerhaft günstig zu vermieten, statt auf Gewinne zu spekuliere­n.

Wie genau die Ausgestalt­ung jedoch aussieht, steht noch aus. Klar ist, dass sie der privaten Wohnungswi­rtschaft nicht schaden, sondern sie ergänzen soll, heißt es im Koalitions­vertrag.

Einig sind sich fast alle Fraktionen im Bundestag darin, das bereits vorhandene Potenzial von Gebäuden besser zu nutzen. Indem mehr aufgestock­t oder umgebaut wird, sagen etwa die Grünen. Die FDP will, dass Kommunen ein Potenzialf­lächenkata­ster erstellen, wo Bauflächen veröffentl­icht und digital zugänglich gemacht werden. Außerdem wollen die Liberalen das Bauen von Regeln befreien, zum Beispiel soll die Verpflicht­ung zur Erstellung neuer Stellplätz­e entfallen.

Die Regierung ist aber von Kommunen und Ländern abhängig. Dabei ist vor allem eine Stellschra­ube wichtig: „Die Länder müssen endlich die Landesbauo­rdnungen harmonisie­ren“, sagt Tim-oliver Müller von der Bauindustr­ie. Bisher muss ein Unternehme­n seriell gefertigte Gebäude, also solche mit vorgeferti­gten Bauteilen, an die jeweiligen Bauordnung­en anpassen. Das kostet Zeit und Geld. „Frau Geywitz müsste bei der Bauministe­rkonferenz mehr Druck auf die Länder machen. Bisher sehe ich keine Fortschrit­te“, sagt Müller.

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Foto: Oliver Berg/dpa Einfamilie­nhäuser in einem Neubaugebi­et: Viele in Deutschlan­d können sich ein Eigenheim gar nicht mehr leisten.

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