„Keine Politik gegen das Auto“
Wieder sind die Liberalen aus einem Landesparlament geflogen. Parteichef Christian Lindner kündigt inhaltliche Konsequenzen in der Ampel an. Die werden vor allem den Grünen nicht gefallen.
Es dauerte im Berliner Hans-dietrich-genscherhaus, bis die für Montagvormittag angesetzte Pressekonferenz der FDP beginnen konnte. 21 Minuten später als ursprünglich angesetzt, traten Parteichef Christian Lindner und der Berliner Spitzenkandidat Sebastian Czaja gemeinsam auf die Bühne. Womöglich war der Grund für diese Verzögerung, dass es in der Sitzung des Präsidiums, das zuvor zur Wahlnachlese zusammengekommen war, Redebedarf gegeben hatte. Darüber nämlich, welche Lehren sich aus der neuerlichen Wahlschlappe der Liberalen ziehen lassen.
Einig scheint man sich zu sein, dass die Schuld für das neuerliche Ausscheiden aus einem Landesparlament, nach der Niedersachsen-wahl flog man nun aus dem Berliner Abgeordnetenhaus, nichts mit Czaja zu tun habe. Es sei eine Frage der Konstellation gewesen, nicht des Kandidaten, sagte Lindner. Und die aktuelle Konstellation im Bund sehe so aus, dass die FDP mit Rot-grün regiert, weswegen die „Wechselstimmung in Richtung der Union gegangen“sei, so Lindner. Die FDP werde von den Wählern in einen Topf mit SPD und Grünen geworfen, was ein Auftreten als glaubwürdige Alternative erschwere.
Ähnliche Worte
Mit ähnlichen Worten musste Lindner schon nach der Niederlage in Niedersachsen vergangenen Oktober vor die Presse treten. Damals hatte man eine Neujustierung der eigenen Politik im Bund beschlossen, die sich in etwa so zusammenfassen lässt: Die Arbeit der Regierung, die das Land gut durch die Krise bringe, müsse man besser kommunizieren, vor allen Dingen natürlich den Fdp-anteil daran. Zudem müsse stärker herausgestellt werden, wie die Freidemokraten in der Ampel „das Land in der Mitte“hielten, was so viel bedeutet, wie: öfter erzählen, wie viele allzu linke
Ideen von Grünen und Sozialdemokraten man verhindern konnte.
Eine Folge der Neujustierung war, dass man in der Atomkraftfrage stur blieb und so eine kurze Laufzeitverlängerung durchsetzen konnte. Im Bund haben sich die Umfragewerte seither tatsächlich stabilisiert, wenn auch auf niedrigem Niveau. Man sei überzeugt, dass sich das mittelfristig auch bei Landtagswahlen bezahlt mache, so Lindner, dessen Person in der Partei nach wie vor als unumstritten gilt, wohl auch mangels Alternativen. Nun gelte es, aus der Berlin-schlappe inhaltliche Konsequenzen zu ziehen, so Lindner. Offensichtlich werden sich die Schwerpunkte, wie in den vergangenen Wochen bereits zu beobachten war, weg
von der Energie, hin zum Verkehr verlagern.
So lautet für Lindner eine Lehre aus dem Cdu-wahlerfolg, dass eine „Politik gegen das Auto“nicht im Interesse der Menschen sei. Man wolle die Wahlfreiheit der Bürger verteidigen, womit wohl gemeint ist, dass von der FDP in der aktuellen Auseinandersetzung um den schnelleren Bau von Infrastruktur-vorhaben kein Nachgeben zu erwarten ist. Grüne und Liberale beharken sich seit Wochen, weil die Grünen den Straßenbau aus dem Reformprojekt ausklammern wollen. „Wenn es keinen Straßenbau mehr geben soll, dann gibt es auch keine neuen Stromleitungen mehr“, drohte Parteivize Wolfgang Kubicki mehreren Berichten zufolge tags zuvor. Die Zeit des „Appease
ments“sei vorbei. Auch in Migrationsfragen sieht Lindner Justierungsbedarf. So wolle man als FDP zwar eine weltoffene Gesellschaft, die Hürden für Arbeitseinwanderung müssten gesenkt werden. Aber: Die Menschen ließen „sich ihre Beobachtungen von nicht gelingender Integration
im Alltag nicht ausreden von politisch korrekten Argumenten“, so Lindner. Es gebe einen klaren Auftrag für die Politik, irreguläre Einwanderung zu verhindern. Und schließlich, so der Parteichef, müsse das Land wirtschaftlich erfolgreicher werden, nur dann habe die Ampel eine Chance auf Wiederwahl.
Ob sie diese Chance jedoch hat, wenn Rot-grün-gelb die kommenden Jahre mit Dauerstreit verbringt, der angesichts der unterschiedlichen Positionierungen bei diesen Themen droht, kann ebenfalls angezweifelt werden. Zumal sich dieses Jahr mit Wahlen in Hessen, Bayern und Bremen, letztere ebenfalls nicht gerade Fdp-pflaster, weitere Gelegenheiten zur politischen Nachjustierung bieten.