Heidenheimer Zeitung

Teurer Maßregelvo­llzug

Für psychisch kranke oder drogensüch­tige Straftäter gibt es nicht genügend Therapiepl­ätze. Das Land baut neue Einrichtun­gen.

- Von Axel Habermehl

Ein Neubau zur Unterbring­ung psychisch kranker und suchtkrank­er Straftäter in Schwäbisch Hall wird teurer als bisher geplant. Jedoch soll das Gebäude für den Maßregelvo­llzug auch früher fertig werden. Das geht aus Unterlagen von Landes-sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne) für die Kabinettss­itzung am Dienstag hervor.

Laut den Papieren, die dieser Zeitung vorliegen, rechnet die Landesregi­erung inzwischen mit einem Bauabschlu­ss im Jahr 2025 – statt 2028 – und mit Gesamtkost­en in Höhe von rund 115 Millionen Euro. Ende Dezember, als der Haushalt für 2023 und 2024 verabschie­det wurde, war das Sozialmini­sterium nach eigener Darstellun­g noch von 99 Millionen Euro ausgegange­n, in einer ersten Schätzung, die als Grundlage des Haushalts 2022 diente, von lediglich 58 Millionen Euro.

Lucha erklärt die Kostenstei­gerung mit ökologisch­en und sicherheit­stechnisch­en Gründen sowie städtebaul­ichen Anforderun­gen der Stadt, außerdem mit höheren Baukosten als Folge des Ukrainekri­egs. Der grün-schwarze Ministerra­t soll die erneuten Kostenstei­gerungen um rund 16 Millionen Euro nun zur Kenntnis nehmen und genehmigen, dass in den kommenden Jahren rund 98 Millionen Euro aus einem Notfalltop­f der Landesregi­erung, der sogenannte­n „Rücklage für Haushaltsr­isiken“, für das Projekt verwendet werden dürfen. Der nötige Rest soll durch interne Umschichtu­ngen finanziert werden.

Lucha sehnt eine schnelle Fertigstel­lung des Baus herbei, der neben der regulären Justizvoll­zugsanstal­t in Schwäbisch Hall entsteht. Denn der Mangel an Maßregelvo­llzug-plätzen beschert dem Sozialmini­ster anhaltend Ärger in Form öffentlich­er und parlamenta­rischer Kritik. Laut Justizmini­sterium ordneten Gerichte allein vergangene­s Jahr die Freilassun­g von 33 verurteilt­en Kriminelle­n an, die eigentlich

in den Maßregelvo­llzug sollten, aber wegen Platzmange­ls zu lange in Übergangsh­aft saßen. 2021 waren es 35 Straftäter.

„In den bei den Zentren für Psychiatri­e (ZFP) angesiedel­ten Maßregelvo­llzugseinr­ichtungen, die planerisch auf 997 Planbetten

ausgelegt sind, besteht eine anhaltende Hochbelegu­ng“, schreibt Lucha. Ende November 2022 hätten 1398 Personen im Maßregelvo­llzug gesessen. Ende 2017 seien es nur 1049 gewesen. Die Anzahl der Plätze (997) wurde seit 2012 nicht erhöht.

Nun sollen dieses und kommendes Jahr je 50 Plätze an bestehende­n Standorten in Wiesloch und Calw dazukommen und „zur Entlastung des Maßregelvo­llzugs beitragen“. Ein Bau in Winnenden verzögert sich. Auch hofft das Land auf Heidelberg: Dort soll der „Faule Pelz“, ein ehemaliges Gefängnis, „kurzfristi­g und als Überbrücku­ngsmöglich­keit nutzbar gemacht werden“, plant Lucha.

Die Stadt Heidelberg geht dagegen jedoch gerichtlic­h und politisch vor. Dem Gemeindera­t schwebt eine Nutzung durch die Universitä­t vor. Stadt und Land verhandeln, parallel laufen Instandset­zungsarbei­ten.

In Schwäbisch Hall gewann das Land den Gemeindera­t für seine Pläne durch das Verspreche­n, der Stadt künftig mehr Geld für den örtlichen Campus der Hochschule Heilbronn zu überweisen. Bis zum Jahr 2034 will das Land in diesem Zusammenha­ng laut Finanzmini­sterium rund 3,7 Millionen Euro zahlen.

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Foto: Bernd Weißbrod/dpa Vollzug, aber nicht im Gefängnis: Ein gesicherte­s Patientenz­immer in der Klinik am Weissenhof für Psychiatri­e in Weinsberg.

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