Das korrekte Kostüm
In wenigen Tagen versinken ganze Landstriche der Republik im Karnevalstaumel. Eine Verkleidung ist dabei Pflicht – aber welche?
Es mag ein Zufall sein, aber irgendwie passt es ins Bild, dass der Weg zu den Gewändern mit den Fransen und Federn recht verschlungen ist. In der Kölner Filiale des großen Kostümhändlers Deiters hängen das „Kleid Indianerin mit Fransen braun“und das „Kleid Indianerin braun“in einer der hinteren Ecken des Ladens. Auf dem Fußmarsch dorthin muss man ein paar Kurven nehmen. Und ähnlich kompliziert ist die Debatte um die braunen Gewändchen geworden. Anders gesagt: Soll ich wirklich als Winnetou gehen?
Ein unbedacht übergeworfenes Fransen-und-feder-kleid könnte heutzutage schnell als Statement (miss)verstanden werden. Ein Begriff zieht dann auf wie die Sonne über der Prärie: Kulturelle Aneignung.
Erst im Sommer hat es eine heftige Debatte in der Sache gegeben, damals ging es um zwei Begleitbücher zu einem Winnetou-film, die ein Verlag zurückzog.
Wer die Diskussion mitbekommen hat, dürfte beim Durchwühlen seiner Kostümkiste jedenfalls kurz ins Stutzen geraten. Nicht nur, wenn der Federschmuck und die braune Fransen-jacke zum Vorschein kommen – über Jahrzehnte ja ein Verkleidungsklassiker. Vorsichtig gefragt: Was ist eigentlich mit der orientalischen Prinzessin? Der japanischen Geisha? Ist das nun wirklich ein Problem? Hilfe!
Mangelnde Sensibilität
Wenn man den Sozialwissenschaftler Lars Distelhorst fragt, der das Buch „Kulturelle Aneignung“geschrieben hat, nach so einer Kostümierung fragt, sagt er: „Das kann man machen. Aber man muss nicht unbedingt erwarten, dass andere Leute dafür Applaus klatschen.“Er findet tatsächlich, dass man bei Verkleidungen über kulturelle Aneignung diskutieren könne. Obwohl er andere Begriffe günstiger findet. Etwa Geschichtsvergessenheit oder mangelnde Sensibilität.
„Es fängt eigentlich auch schon bei dem Wort ,Indianer‘ an“, sagt Lars Distelhorst. „Bei vielen ist noch gar nicht angekommen, dass es die gar nicht gibt.“Kolumbus dachte bei seiner Ankunft in Amerika irrigerweise, in Indien gelandet zu sein. Die daraus resultierende Bezeichnung ist nun älter als der Kölner Rosenmontagszug.
Kritisch werde es bei einem Macht-ungleichgewicht der Kulturen, sagt Distelhorst. Viele Ureinwohner wurden ausgebeutet und diskriminiert. Wenn sich eine Frau ein Geisha-kostüm oder ein Mann einen Schottenrock anziehe, dann sei das wieder etwas anderes, sagt er. Gleiches gelte für einen Amerikaner, der eine bayerische Lederhose trage. „Da sagt niemand etwas dagegen.“
Der zweite Punkt sei, wenn es auf platte Stereotype hinauslaufe. Ein dritter: Wenn die Betroffenen schon geäußert haben, dass sie das nicht so witzig finden. Allerdings: „Ich würde Kinder niemals davon abhalten wollen, sich zu verkleiden“, sagt Distelhorst.
Und nun? Am Ende landet man wieder im Kostümladen Deiters, quasi an der Front dieses Kulturkampfes. Inhaber Herbert Geiss sagt, dass er keine Kaufzurückhaltung spüre. Er hält die Diskussion auch für überhitzt. „Es ist das eine, wie die Weltgeschichte erzählt wird, etwa die der Kolonialisierung“, sagt er. „Aber bei uns geht es um Kostüme.“