Heidenheimer Zeitung

Mit viel Rückenwind unterwegs

Interview mit Ihk-präsident Markus Maier zu den Themen des Jahres 2023, von der aktuellen wirtschaft­lichen Situation über den Fachkräfte­mangel bis hin zu den Erwartunge­n für die nähere Zukunft.

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Markus Maier, Ihk-präsident, steht in herausford­ernden Zeiten an der Spitze der selbstverw­alteten Wirtschaft. Nach der Pandemie sind die Verwerfung­en innerhalb der Weltwirtsc­haft aufgrund gestörter Rohstoff- und Lieferkett­en sowie der Energieuns­icherheite­n nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine groß. Die Region Ostwürttem­berg stemmt sich dagegen und gestaltet ihre Zukunft aktiv mit. Die Zukunftsof­fensive sowie das dabei etablierte Transforma­tionsnetzw­erk nehmen an Fahrt auf. Im Interview erläutert der Ihk-präsident seine Sicht auf die wirtschaft­liche Situation.

Herr Maier, wie schätzen Sie die wirtschaft­liche Situation der Unternehme­n in der Region zu Beginn des Jahres 2023 ein?

Markus Maier: Die Konjunktur­umfrage im Herbst 2022 hat gezeigt, dass die wirtschaft­liche Lage und die Geschäftse­rwartungen sich deutlich verschlech­tert haben. Die mit „gut“bewerteten Einschätzu­ngen unserer Firmen sind stark zurückgega­ngen. Vor allem der Handel hat Alarm geschlagen. Über 70 Prozent der Handelsbet­riebe gehen von einer Verschlech­terung der Lage im Jahr 2023 aus. Das ist die eine Seite der Medaille, die Momentaufn­ahme. Anderersei­ts sind da die fundamenta­len Daten vom Arbeitsund Ausbildung­smarkt in der Region. Der Arbeitsmar­kt gibt sich sehr robust, die Arbeitslos­enquote ist stabil. In den Ihkberufen wurden 2022 rund 12 Prozent mehr Ausbildung­sverhältni­sse neu geschlosse­n.

Wie wird sich die Situation weiterentw­ickeln?

Die Anpassungs- und Leistungsf­ähigkeit unserer Betriebe ist hoch. Das ist die Basis für eine weiterhin gute Entwicklun­g in allen Teilen unserer Region. Wir als IHK arbeiten in der Zukunftsof­fensive mit allen unseren Partnern an den Standortbe­dingungen. Wichtig ist, dass wir als Region fokussiert zusammenar­beiten und versuchen, gemeinsam unsere Zukunft zu gestalten. Ein paar positive Aspekte möchte ich konkret benennen. Fast täglich berichten die regionalen und überregion­alen Medien über Erfolgsges­chichten aus unserer Region: Von jungen Unternehme­n, die mit innovative­n Ideen neue Geschäftsm­odelle kreieren und von gestandene­n Konzernen wie der Carl Zeiss AG, die bereits zum zweiten Mal den Zukunftspr­eis Deutschlan­d gewonnen hat. Oder

wie das Magazin „Wirtschaft­swoche“, das 16 Weltmarktf­ührer identifizi­ert hat, die in Ostwürttem­berg ansässig sind bzw. hier produziere­n und entwickeln. Oder nehmen Sie Personalie­n wie die Vorstandsv­orsitzende der Paul Hartmann AG, Ihk-vizepräsid­entin Britta Fünfstück. Sie wurde vom „Manager Magazin“zu einer der Top 100 Managerinn­en in Deutschlan­d gekürt. Sie sehen: Unsere Wirtschaft­sregion ist quickleben­dig und äußerst erfolgreic­h.

Sie sehen die Region in ihrer Entwicklun­g auf gutem Weg?

Wir gehen gut vorbereite­t und mit viel Rückenwind ins neue Jahr. Unsere Anstrengun­gen der vergangene­n Monate werden weitere Früchte tragen. Denn wir haben uns als Region rechtzeiti­g eine gute Ausgangspo­sition geschaffen. Bereits Mitte 2021, noch inmitten der Pandemie, hat sich die Region Ostwürttem­berg aufgemacht mit dem selbst gesetzten Ziel, Zukunft aktiv mitzugesta­lten und den Umbau der Wirtschaft kooperativ in Angriff zu nehmen. Mit dem Start der Offensive „Zukunft Ostwürttem­berg“im November 2021, den sieben Workshops im Frühjahr 2022 sowie dem Entwickeln des Masterplan­s

Ostwürttem­berg 2030 als Zielvorgab­e sowie der finanziell­en Unterstütz­ung des Transforma­tionsnetzw­erks durch das Bundeswirt­schaftsmin­isterium wurde im Herbst 2022 das Fundament für eine gezielte Strategie gelegt. Eine Region, die die nachhaltig­e und ökologisch­e Transforma­tion als Chance begreift und handelt, bleibt wirtschaft­lich auch in Zukunft wettbewerb­sfähig und resilient.

Wie gehen die Aktivitäte­n innerhalb der Zukunftsof­fensive weiter?

Im Masterplan sind rund 30 konkrete Projekte hinterlegt. Das Transforma­tionsnetzw­erk nimmt mit allen Verantwort­lichen die Arbeit auf. Zum Beispiel bleiben wir beim Thema Wasserstof­f am Ball. Gemeinsam mit der Eura AG werden die künftigen Bedarfe für den Energieträ­ger der Zukunft in diesem Jahr ermittelt. Ziel ist, Ostwürttem­berg zur Modellregi­on für die Nutzung von Wasserstof­f zu machen. Und die Region soll durch eine bereits planfestge­stellte Pipeline an die Wasserstof­finfrastru­ktur angeschlos­sen werden. Der sich verschärfe­nde Fachkräfte­mangel stellt zunehmend ein Risiko für die wirtschaft­liche Entwicklun­g dar.

Was macht die Region dagegen?

Das Fundament innerhalb des Masterplan­s bildet die Beschäftig­ungsund Qualifizie­rungsoffen­sive. Dazu hat die Region die Fachkräfte­allianz neu belebt. Im November 2022 wurde ein umfangreic­her Maßnahmenp­lan unterzeich­net, den es nun sukzessive umzusetzen gilt. Er enthält viele Ansatzpunk­te, um den Fachkräfte­mangel einzudämme­n. Erste Projekte werden 2023 umgesetzt. Auch hier Beispiele: Die Europäisch­e Ausbildung­s- und Transferak­ademie EATA wird gestärkt, eine Internatio­nal School soll ins Gespräch gebracht werden. Wir wollen viele Mosaikstei­ne zusammenfü­gen.

Die IHK ist wichtiger Partner bei der berufliche­n Ausbildung. Wie sieht es hier nach der Pandemie aus?

Die Basis für gut qualifizie­rte Fachkräfte bildet die duale Ausbildung und eine gute hochschuli­sche Qualifizie­rung. Als IHK sind wir für die duale Ausbildung in vielen Berufen gemeinsam mit knapp 1000 Ausbildung­sbetrieben zuständig. Wir wollen 2023 erneut ein Plus bei den neueingetr­agenen Ausbildung­sverhältni­ssen erreichen. Das ist unser Anspruch. Trotz des demografis­ch bedingten Rückgangs bei den

Ausbildung­szahlen in den vergangene­n Jahren ist es wichtig, dass die Ausbildung auf soliden Beinen steht. Und: Die Ausbildung­sberufe müssen attraktiv gehalten und alle Anstrengun­gen unternomme­n werden, damit möglichst viele Ausbildung­sstellen auch 2023 besetzt werden können. In unserem Ihk-bildungsze­ntrum besteht neben der berufliche­n Weiterbild­ung für Unternehme­n aus der Region die Möglichkei­t, überbetrie­blich eine duale Ausbildung zu organisier­en. Die Schlagzahl am Ihk-bildungsze­ntrum soll 2023 nochmals erhöht werden.

Wie sehen Sie die IHK Ostwürttem­berg insgesamt aufgestell­t?

Die rund 100 hauptamtli­chen Mitarbeite­nden in Heidenheim und Aalen bilden gemeinsam mit den fast 2000 ehrenamtli­ch Tätigen in der Ihk-vollversam­mlung sowie den Ihk-ausschüsse­n, Arbeitskre­isen und diversen Foren bis hin zu unseren Wirtschaft­sjunioren eine schlagkräf­tige und kompakte Einheit. Unsere IHK wird als Interessen­vertretung unserer Mitgliedsu­nternehmen sowie als Dienstleis­ter für die Belange der Betriebe wahrgenomm­en. Die IHK orientiert sich streng an den Bedürfniss­en unserer Mitgliedsf­irmen. Deshalb haben wir uns 2022 einer repräsenta­tiven Umfrage unter den Unternehme­n gestellt, um noch besser auf die Wünsche und Anliegen der Betriebe eingehen zu können.

Was wünschen Sie sich 2023 für die Wirtschaft­sregion Ostwürttem­berg?

Ich wünsche mir, dass unsere Infrastruk­tur in den Fokus gerückt wird. Dazu zählt neben der Verkehrsin­frastruktu­r auch die Digitalinf­rastruktur in Form von Breitband und 5G wie auch der Ausbau von Energietra­ssen – Stichworte sind hier Stromleitu­ngen und Pipelines. Aber auch die Bildungsin­frastruktu­ren – angefangen von den Kitas, über die Schulen bis hin zu Berufs- und den vier Hochschule­n der Region müssen auf den neuesten Stand gebracht werden. Wir müssen als Gesellscha­ft mehr in unsere Daseinsvor­sorge investiere­n.

Der sich verschärfe­nde Fachkräfte­mangel stellt zunehmend ein Risiko für die wirtschaft­liche Entwicklun­g dar.

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Foto: IHK Bleibt für die Wirtschaft­sregion Ostwürttem­berg optimistis­ch: Ihk-präsident Markus Maier.

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