Bei nichts dabei
Im Prozess um den insolventen Zahlungsdienstleister sagt der Angeklagte und Ex-vorstandschef Markus Braun aus. Ruhig legt er dar, warum er sich als Opfer und nicht als Täter sieht.
Im Wirecard-prozess hat am Montag das Schwergewicht unter den drei Angeklagten ausgesagt: Markus Braun, ehemals Vorstandsvorsitzender und damit oberster Chef des untergegangenen Tech-konzerns, will von den kriminellen Machenschaften nichts gewusst haben, wegen derer er angeklagt ist. „Ich weise ganz klar alle Anklagepunkte zurück“, sagt er zu Beginn. Er habe „keine Erkenntnisse über Veruntreuungen besessen“. Auch habe er „keinerlei Bande gebildet“. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm und den beiden anderen Exwirecard-leuten Oliver Bellenhaus und Stephan von Erffa vor, innerhalb des Unternehmens als „kriminelle Bande“gewirkt zu haben, mit dem Ziel, viele Millionen Euro zu unterschlagen und die Bilanzen zu fälschen.
Markus Braun – wie immer mit schwarzem Rollkragenpulli und dunkelblauem Jackett gekleidet – erinnert sich erst einmal an den 18. Juni 2020, jenen Tag, als Wirecard zusammenbrach. Dies sei ein „Tag des tiefsten Bedauerns, des Schmerzes für die Aktionäre und die Mitarbeiter gewesen“. Er habe ihn als „Schockerlebnis“in Erinnerung. Aber Markus Braun sieht dafür keinerlei Verantwortung, sein Verteidiger Alfred Dierlamm hatte ihn vielmehr in einem seiner schon vielen Statements als „Opfer einer Bande“bezeichnet. Nun spricht der 53-Jährige frei und präzise, über sich selbst sagt er: „Ich bin immer sehr exakt.“
Komplex aufgestellt
Der einstige CEO (Vorstandschef ) schildert die komplexe personelle Aufstellung, wie sie sich ihm dargestellt haben will. Seinen österreichischen Landsmann Jan Marsalek hat er am Firmensitz in Aschheim 2002 kennengelernt, als dieser mit nur 22 Jahren und ohne Schulabschluss bei Wirecard angefangen hatte. Marsalek gilt als Hauptkrimineller in dem Komplex, ist flüchtig und wird unter Schutz des russischen Geheimdienstes vermutet.
„Er hatte überragende kognitive Fähigkeiten bei Technologie“, lobt Braun Marsalek noch jetzt im Gerichtssaal am Gefängnis München-stadelheim. Er sei „definitiv herausgestochen“. Über die Zeit, als dieser 2010 in den Vorstand berufen und dort für das internationale Geschäft verantwortlich wurde, sagt Braun: „Gefühlt war Marsalek damals ein Glücksgriff.“Er habe eine ungeheure Reisetätigkeit an den Tag gelegt, um Märkte in Asien zu erschließen. Der andere Angeklagte Oliver Bellenhaus war einst Bürochef in Dubai. Er ist der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft, laut seiner Aussage im Prozess habe er selbst, Braun, Marsalek und der Chefbuchhalter von Erffa gemeinsame Sache gemacht – Millionen Euro zur Seite geschafft, die Bilanzen
gefälscht und nicht existierende Geschäfte in Asien und anderswo erfunden, damit das Unternehmen wachsende Zahlen ausweisen konnte und der Aktienkurs stieg.
Der einstige CEO Braun meint aber, mit Bellenhaus nahezu keinen Kontakt gehabt zu haben. Für diesen sei Marsalek zuständig gewesen, Braun erinnert sich nur an ein kurzes Treffen mit den beiden. Alles andere, dass er Bellenhaus und andere etwa aufgefordert habe, gute Zahlen zu liefern, sei erlogen.
Die Staatsanwaltschaft sieht einen durch Wirecard verursachten Schaden von 3,1 Milliarden Euro, weitere 1,9 Milliarden Euro auf Konten auf den Philippinen werden weiterhin vermisst, möglicherweise existierten sie nie.
Markus Braun gibt sich sehr kontrolliert, obwohl er schon seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft sitzt. Ein Mann glaubte an seine Mission, so scheint es.
Nachfragen des Vorsitzenden Richters Markus Födisch beantwortet er detailliert. Wie er so von den Wirecard-abläufen erzählt, möchte man meinen, das Unternehmen existiere tatsächlich noch und Braun sei weiterhin der Chef.
Als dann im Herbst 2019 wieder ein kritischer Bericht der Financial Times erschien über das dubiose Asiengeschäft, habe Braun erkannt: „Dieser Artikel hatte eine neue Qualität, es war sehr konkret.“Man setzte eine externe Prüfung durch die Gesellschaft KPMG durch. Marsalek habe mitunter „sehr schlecht ausgesehen“. Schließlich wurde festgestellt, dass die 1,9 Millionen Euro fehlten. „Dann ist die Welt untergangen“, meint Braun. „Es war auch meine Welt.“