Wenn ein Fußballstar erzählt
Horst Blankenburg besuchte das Spiel zwischen dem 1. FC Heidenheim und dem Hamburger SV, berichtet von seiner ungewöhnlichen Karriere und wie er heute den FCH verfolgt.
Bei der Rolle, die der Fußball aktuell in Heidenheim spielt, verwundert es, dass der größte Kicker, den die Stadt bislang hervorgebracht hat, fast vergessen scheint: Horst Blankenburg war in den 1970er Jahren einer der besten Spieler Europas. Er holte mit Ajax Amsterdam dreimal den Europapokal der Landesmeister, was heute einem Sieg in der Champions League gleichkommt. Am Samstag war er nach langer Zeit wieder in seiner alten Heimat.
Auf Einladung des 1. FC Heidenheim besuchte der 75-Jährige das Zweitliga-topspiel zwischen dem FCH und dem HSV, mit dem Blankenburg ja auch einiges verbindet. Nach seiner Zeit in Amsterdam spielte er zwei Jahre für die Hamburger, wurde Dfb-pokalsieger und holte den Europapokal der Pokalsieger.
Erst der zweite Besuch
Begonnen hat aber alles in Heidenheim, hier wurde Blankenburg geboren und beim damaligen VFL sowie im Straßenfußball mit den „Hohlgraben-kickern“lernte er das Fußballspielen. Doch als seine große Karriere begann, brachen schnell die Kontakte ab.
Zum Training sind wir auch im Winter zwei Kilometer zu Fuß gelaufen.
Kaum zu glauben, wie selten er zurückkam. „Seit ich weg bin, ist das jetzt das zweite Mal“, berichtet „Blanky“, der seit vielen Jahren mit seiner zweiten Ehefrau Marisa in deren spanischer Heimat lebt. Vor 16 Jahren hatte ihn sein ehemaliger Teamkollege, der später als Theatermacher bekannt gewordene Uwe Zellmer, zu einer Veranstaltung eingeladen.
Nun war er erstmals zu Gast in der Voith-arena und muss bei der Frage, was sich im Heidenheimer Fußball verändert hat, erst einmal lachen. Obwohl der VFL Heidenheim 1964 mit Blankenburg württembergischer A-jugendmeister wurde, waren die Bedingungen bescheiden.
Zu Fuß zum Training
„Damals hat die Industrie nichts gemacht, es gab 30 DM für ein Auswärtsspiel, zum Training sind wir auch im Winter zwei Kilometer zu Fuß gelaufen – und danach wieder zurück, das war nicht so lustig“, sagt Blankenburg und erinnert sich: „Ich hab das ersten Kopfball-pendel gesehen, als ich beim Dfb-training eingeladen war.“
Schon 1966 wurde der Profifußball auf den jungen Heidenheimer aufmerksam. Max Merkel holte ihn dann nach Nürnberg, offiziell gehörte Blankenburg der Meistermannschaft von 1968 an,
hatte aber aufgrund eines schweren Autounfalls in dieser Saison keine Einsätze. So ging es ins Nachbarland. „Am letzten Tag des Trainingslagers fragt mich Merkel, ob ich Interesse hätte, zum Wiener Sport-club zu gehen. Ich dachte: Okay, muss ich nicht zur Bundeswehr, warum nicht. Und ich hatte dann ein Riesenjahr in Wien.“
Es folgte ein Engagement beim damaligen deutschen Topklub TSV 1860 München, und dort sahen ihn die Talentsichter von Ajax Amsterdam – natürlich die herausragende Zeit seiner Karriere, die in drei Europapokalsiegen gipfelte.
„Ich habe in den vier Jahren zehn Titel gewonnen, wir waren drei Jahre die beste Vereinsmannschaft der Welt“, erzählt Blankenburg, der mit Johan Cruyff spielte, der bis heute als einer der besten Fußballer aller Zeiten gilt.
„Da ist man schon ein bisschen stolz, dass man das erlebt hat.“
1973 wurde er zudem in die Europaauswahl berufen – und spielte doch nie in der deutschen Nationalmannschaft.
Dass genau in dieser Zeit hier ein gewisser Frank Beckenbauer gesetzt war, ist nicht der einzige Grund dafür. „Das habe ich mir selbst verbaut“, sagt Blankenburg heute und bestätigt nochmals die alte Geschichte von seinem verhängnisvollen Satz über Bundestrainer Helmut Schön.
Der verhängnisvolle Satz
„Ich habe in der Europaauswahl gespielt, er war der Trainer. Ich habe mit Franz Beckenbauer abwechselnd mal Libero, mal Vorstopper gespielt. Dann kam er und sagte: Horst, das hat gut geklappt mit euch zwei, vor der Weltmeisterschaft bekommst du auf jeden Fall eine Chance“, erinnert sich Blankenburg.
Doch dazu kam es nicht, es ging immer wieder hin und her und schließlich ließ sich Blankenburg nach dem Europapokalfinale in Belgrad, nach ein paar Bier im Casino und erneuten Diskussionen, zu dem legendären „der Schön soll mich jetzt am Arsch lecken“hinreißen. Das schnappte ein Journalist auf und verbreitete den Satz. „Ich würde das heute in dem Ton nicht mehr sagen, man hätte es anders machen können“, betont Blankenburg.
Dafür sollte er dann, auf Initiative von Cruyff und Haan, eingebürgert werden und für die niederländische Nationalmannschaft spielen. „Ich war schon auf dem Amt, aber dann hätte ich die niederländische Nationalhymne aufsagen sollen – die kannte ich nicht“, berichtet Blankenburg.
Wie geht die Nationalhymne?
Nach Amsterdam folgten zwei ebenfalls erfolgreiche Jahre beim HSV, allerdings musste er hier in anderer Rolle spielen und wurde durch Verletzungen zurückgeworfen. Und erneut wurde ihm seine vielleicht etwas zu offene Art zum Verhängnis. „Vor dem Europapokalfinale gegen Anderlecht kam ein befreundeter Journalist. Ich dachte, dass wir Kumpels sind, wir haben uns so unterhalten, und ich sagte über den Präsidenten Dr. Peter Krohn, dass er ein guter Manager ist, aber vom Fußball keine Ahnung hat. Das stand am nächsten Tag in der Zeitung, dann war das auch gegessen.“Sauer war der Profi deshalb übrigens nicht. „Das war auch blauäugig von mir, es war ja auch sein Job.“
Nach weiteren Stationen – unter anderem in der Schweiz und den USA – war schließlich 1985 Schluss mit der aktiven Karriere. Blankenburg arbeitete noch kurz als Trainer, zog dann nach Spanien. Von dort aus verfolgte er auch die Entwicklung des Fußballs in seiner Heimatstadt. Dass hier ein Zweitliga-spitzenverein heranwachsen würde, hätte er sich aber nicht vorstellen können. „Das ist schon einmalig“, sagt Blankenburg, der bis vor Kurzem aber keinen hatte.
Kontakt zum FCH
31 Stunden Autofahrt
Ich würde das heute in dem Ton nicht mehr sagen.
Der HSV hätte es nötiger, die gurken jetzt schon fünf Jahr da rum.
„Ich habe dann von Arie Haan (Anmerkung der Redaktion: ein Mitspieler in Amsterdam), der Holger Sanwald kennt, von dem Verein gehört, da bin ich neugierig geworden“, berichtet Blankenburg. Er sah schon das Hinspiel zwischen dem FCH und dem HSV, fuhr dabei sogar mit seinem Enkel 31 Stunden mit dem Auto von Fuengirola in die Hansestadt.
Diesmal nahm er das Flugzeug, kam über Hamburg und Stuttgart nach Heidenheim. Und vor dem Spiel seiner beiden „Ex-klubs“gab’s Gelegenheit zum Austausch mit Geschäftsführer Holger Sanwald, Trainer Frank Schmidt und anderen Mitarbeitern.
Blankenburgs Sympathien waren vor der Partie verteilt: „Ich drücke beiden Teams die Daumen. Der HSV hätte es nötiger, die gurken jetzt schon fünf Jahre da rum, ich freue mich aber auch, wenn Heidenheim gewinnt.“Nach der Partie meinte er, dass Hamburg 60 Minuten wie ein Absteiger, dann aber wie ein Aufsteiger gespielt, der FCH unglücklich ausgewechselt habe. Gefallen hat es ihm aber. „Ich würde ja gerne öfters kommen, aber es sind halt 2700 Kilometer“, so Blankenburg abschließend.