„War alles schön“
Moderatorin und Autorin Elke Heidenreich zieht vor ihrem 80. Geburtstag Bilanz – von ihrem Streit mit dem ZDF bis hin zu verflossenen Lieben.
In Nullkommanix hat Elke Heidenreich eingeparkt, und Augenblicke später steht sie in der Tür. Sie trägt jene rote Samtjacke, die sie schon durch all ihre „Lesen!“-sendungen begleitet hat. „Sie war das Erste, was mir heute Morgen im Kleiderschrank entgegenkam, da hab‘ ich gedacht: Vielleicht bringt sie mir Glück.“
Elke Heidenreich wird an diesem Mittwoch 80 Jahre alt, aber sie wirkt unverändert energiegeladen. „Die Frauen in unserer Familie altern nicht“, sagt sie. „Wir kriegen keine grauen Haare, wir kriegen keine Falten. Wir fallen eines Tages um.“Aber natürlich, auch sie spürt ihr Alter. „Ich spüre es beim Aufstehen. Ich spüre es bei Anstrengungen. Ich spüre es auch seelisch, ich breche viel öfter in Tränen aus bei traurigen Sachen. Ich habe nicht mehr die Kraft von früher.“
Ihr selbst sagen runde Geburtstage nichts. Deshalb ist sie entschlossen, sich an ihrem 80. wie an einem ganz gewöhnlichen Tag an den Schreibtisch zu setzen. Okay, es werden wohl ein paar Blumensträuße von verflossenen Liebhabern ankommen. Es werden wohl auch ein paar Gäste auftauchen: ihre beste Freundin Leonie von Kleist und ihr Freund Marc-aurel Floros. „Wir werden eine Torte essen und Champagner trinken und sagen: Altes Mädchen, du hast es geschafft. Aber das ist es dann auch. Soll ich mein Überleben feiern?“
Elke Heidenreich – was ist sie eigentlich genau? Journalistin, Kolumnistin, Moderatorin, Schriftstellerin, Rezensentin, Kabarettistin, Librettistin...? In erster Linie ist sie Elke Heidenreich.
Bekannt wurde sie in den 70er und 80er Jahren als Moderatorin von Talkshows wie „Kölner Treff“, vor allem aber mit einer der ersten weiblichen Comedyfiguren, der Metzgersgattin Else Stratmann aus Wanne-eickel. Geradezu prophetisch war ihre Warnung an Lady Di vor der Hochzeit mit Prinz Charles 1981: „Nimm ‘n nich, Kind. Der hat nix gelernt wie Prinz!“
Ihren größten Fernseherfolg hatte sie mit der Literatursendung „Lesen!“. Damals konnte sie unbekannte Bücher in die Kamera halten und sagen „Leute, kaufen und lesen!“Doch nach gut fünf Jahren ging sie 2008 im Streit mit dem ZDF auseinander. „Ich fühlte mich nicht gut behandelt, unter anderem weil der Sendeplatz ständig gewechselt wurde. Inhaltlich hatte ich recht, finde ich nach wie vor, aber ich habe das zu undiplomatisch gesagt. Meine Art war zu pampig. Ist bei mir oft so. Danach habe ich eine Weile geschmollt und getrauert, aber im Rückblick war ich froh. Denn ich war auch erschöpft. Ich konnte nicht mehr.“
Sie schrieb selbst wieder mehr, und dies durchweg erfolgreich. Aktuell steht sie mit der Reiseerzählung „Ihr glücklichen Augen“auf den Bestsellerlisten. Bis heute ist sie eine disziplinierte Arbeiterin. Sie steht früh auf und dreht dann eine Runde mit ihren Hunde-freundinnen, obwohl ihr eigener Mops vergangenen Sommer gestorben ist. Eine Katze hat die Autorin des Erfolgsbuchs „Nero Corleone“über einen italienischen Kater nicht mehr, weil sie zu oft wegfährt und Katzen das Verreisen nun mal nicht mögen.
Danach sitzt sie von 10 bis 15 Uhr am Schreibtisch. Sie beantwortet E-mails, verfasst Beiträge für den WDR, schreibt Bücher, derzeit ein Kinderbuch. Dann kommt der Haushalt: Kochen, Waschen, Einkaufen. Sie macht alles selbst. Abends sieht sie entweder fern oder liest.
Schon als Kind im Ruhrgebiet war Lesen ihr „großes Glück“. So konnte sie die raue Welt um sich vergessen. „Meine Eltern waren getrennt, meine Mutter musste arbeiten, und ich war immer allein. Ich habe mich zu Hause einfach nicht wohlgefühlt.“
Lesungen hält sie auch heute noch für ihr Leben gern. Sie ist ein Bühnentier. Aber das Drumherum: verspätete Züge, das Übernachten in schachtelartigen Hotelzimmern – das erschöpft sie mehr als früher. „Altwerden ist kein Witz“, sagt sie. „Aber Jungsein ist auch kein Knaller. Ich war, als ich jung war, nicht besonders glücklich. Was habe ich mit 17 gelitten und geheult und mich hässlich gefunden. Heute sitze ich viel gelassener da. Aber auch wehmütiger und angeschlagener.“Wenn sie zurückblickt, macht sie das nicht gerade froh. „Ich sehe jetzt mit großem Kummer, dass die goldenen, sicheren Jahre vorbei sind und überall Regierungen an die Macht kommen, die weit entfernt sind von dem, was wir Demokratie nennen.“
Im persönlichen Bereich ist die Bilanz positiver. „Man nimmt Glück ja immer erst im Rückblick wahr. Auch bei Lieben, die auseinandergehen“, sagt sie. „Ich denke an meinen Mann, von dem ich geschieden bin. Wir haben keinen Kontakt mehr, wir sind auch keine Freunde mehr, aber wir hatten 25 Jahre eine wunderbare Ehe. Das weiß ich jetzt, und dafür bin ich ewig dankbar.“
Nun steht die letzte Strecke an, und die kann anstrengend werden. Das weiß sie. Bis es soweit ist, will sie weitermachen wie bisher. „Mein Grundgefühl ist trotz Erschöpfung Dankbarkeit. War alles schön.“
Glück nimmt man immer erst im Rückblick wahr. Auch bei Lieben, die auseinandergehen. Elke Heidenreich Schriftstellerin