Comeback im knüppelharten Einzel
Johannes Tignes Boe demoralisiert bei der WM in Oberhof weiter die Konkurrenz. Im langen Schatten des Norwegers liefert Benedikt Doll über 20 Kilometer einen sehr guten Wettkampf ab.
Benedikt Doll strahlte und ballte die Faust. Eine Medaille hat er im Einzel der Weltmeisterschaften in Oberhof zwar nicht geholt. Doch was der 32-Jährige von der SZ Breitnau da geleistet hat, ist aller Ehren wert. Er zeigte eines der besten Einzelrennen seiner Karriere, schoss nur den allerersten Schuss daneben und wurde am Ende Fünfter. Nach dem missratenen Auftakt vielleicht das erstaunlichste Comeback dieser Titelkämpfe. Und trotzdem musste er anerkennen: „Eine Medaille lag nicht in meiner Hand. Es ist beeindruckend, was die anderen dann auch läuferisch veranstalten. Da bin ich einen Tick zu schwach.“Dolls Laufzeit war immerhin die achtbeste im Feld.
Gold liegt ohnehin nur in einer Hand, und zwar in der des Johannes Tignes Boe. Auf der Suche nach den Gründen, warum dieser Norweger allen so haushoch überlegen ist, findet man einige Ansatzpunkte. Zum Beispiel die Bedingungen. Bei 11 Grad wurde der Schnee tief und immer tiefer, an anderen Stellen gesalzen und knüppelhart. Boe, dem eher leichten und physisch stärksten Athleten, liegen diese Bedingungen wie keinem anderen. „Das kommt meiner Art zu laufen entgegen und meinem Ski“, sagte er.
Und er vergaß nicht anzufügen: „Wir haben unsere Waxmafia, unsere hervorragenden Techniker.“Die verbreiten ebenso viel Spaß wie die Athleten selbst und sorgen dafür, dass die Norweger meist die besten Bretter haben. „Vielleicht haben unsere Ski am Ende ein bisschen mehr abgebaut“,
meinte Doll. Das müsse man aber erst analysieren und es sei zwar ein weiterer Baustein, aber nicht ausschlaggebend.
So summierte sich Boes Vorsprung Runde um Runde. Er schaffte sogar das Kunststück, mit der Startnummer elf als Erster ins Ziel zu laufen – und die vor ihm Gestarteten einen nach dem anderen einzusammeln. Unter den entsprechend Frustrierten waren Roman Rees (21.) und Justus Strelow. Letzterer trug es mit Fassung: „Ich habe kurz rübergeguckt und dann gedacht: Lass ihn machen.“Der Sachse machte es beim Schießen und holte sich mit nur einem Fehler erneut einen beachtlichen 13. Platz, nachdem er
erst kurz vor dem Start für den kränkelnden Johannes Kühn eingesprungen war.
Auch Quentin Fillon Maillet, mit der Startnummer sechs eine Minute vor Boe gestartet, musste dran glauben. Der Olympiasieger hatte als Vierter eineinhalb Minuten Rückstand. Rechnet man die eine Strafminute drauf, die Boe für einen Fehler mehr kassierte, waren es sogar zweieinhalb Minuten.
„Ich habe aber auch etwas Glück beim Schießen“, gab der immer noch bescheiden wirkende Norweger zu Protokoll. Das ist nicht zu leugnen, schaut man sich seine Treffer an, die meist ziemlich weit gestreut sind, aber eben doch noch soweit im Schwarzen landen, dass die Klappe fällt. Aber deshalb ist er Biathlet und kein Schütze.
Doll jedenfalls scheint seinen Frieden mit dem Oberhofer Schießstand gemacht zu haben. Mehr als zwei Minuten kassierte er zwar vom Weltmeister, der wie schon in der Verfolgung vor seinem Landsmann Sturla Holm Laegreid und dem Schweden Sebastian Samuelsson siegte. Doch 19 der 20 Schuss fanden den Weg ins Ziel. Nach den desaströsen Auftritten zu Beginn hätte ihm das kaum jemand zugetraut. Schon die Aufholjagd in der Verfolgung hatte der Konkurrenz Respekt abgenötigt. Aber da hatte er noch keinen Druck.
„Ich konnte den Ausfall vom Sprint gut verarbeiten“, sagte der Schwarzwälder lapidar – und ärgerte sich dann doch noch laut über den einzigen Fehler im Liegendschießen. „Den hätte es wirklich nicht gebraucht.“Bei „knüppelharten“Bedingungen sei ihm „jede Runde gefühlt noch länger vorgekommen.“Vor allem in den Passagen, in denen die Sonne den Schnee aufweichte, etwa in der leicht abfallenden Sägespänerunde. „Da hatte man das Gefühl gleich vorne drüber zu fallen“, sagte Strelow.
Einen Tag nach seinem 30. Geburtstag überzeugte auch der Allgäuer Philipp Nawrath, der bis zum dritten Schießen sogar vorne dabei war. Dann schoss er zwei Fehler, schob sich mit der hohen Startnummer 78 aber noch auf Platz neun. „Es kann nahezu nicht besser laufen. Dass es zu den Top 10 reicht, ist genial“, sagte der Nesselwanger, der nur dank starker Auftritte bei den Europameisterschaften noch nachnominiert worden war.
Boe schwebt derweil weiter in eigenen Sphären und darf von der perfekten WM träumen. Vier von sieben Goldmedaillen hat der 29-Jährige jetzt. Nächster möglicher Start ist die Single-mixedStaffel am Donnerstag (15.10 Uhr/ ARD und Eurosport).
Ich habe kurz rübergeguckt und dann gedacht: Lass ihn machen. Da kann ich nicht mitgehen. Justus Strelow Biathlet