Heidenheimer Zeitung

Betriebe belastet Unsicherhe­it bei der Arbeitszei­terfassung

Auch wenn ein konkreter Gesetzesen­twurf noch nicht vorliegt, müssen Arbeitgebe­r festhalten, wie lange ihre Angestellt­en arbeiten. Unternehme­rvertreter sehen das kritisch.

- Jacqueline Westermann

Ob mit einem Chip am Lesegerät, einer klassische­n Stechuhr oder dem per Hand ausgefüllt­en Stundenzet­tel – in vielen Berufen gehört die Erfassung der Arbeitszei­t zum Alltag. Für Bereiche, in denen dies noch nicht der Fall ist, bestätigte das Arbeitsger­icht im vergangene­n Herbst ein Urteil auf europäisch­er Ebene, dass für alle Arbeitnehm­er in Deutschlan­d die Arbeitszei­t erfasst werden muss.

Das Bundesarbe­itsministe­rium (BMAS) arbeitet derzeit an einem entspreche­nden Gesetz. Voraussich­tlich noch im ersten Quartal 2023 soll Minister Hubertus Heil (SPD) „einen praxistaug­lichen Vorschlag für die Ausgestalt­ung der Arbeitszei­terfassung vorlegen“. Nichtsdest­otrotz ist die Pflicht zur Erfassung „bereits heute von den Arbeitgebe­rn in Deutschlan­d zu beachten“, teilt eine Sprecherin auf Nachfrage mit. Die Pflicht beschränke sich zudem nicht darauf, ein System „zur freigestel­lten Nutzung zur Verfügung“zu stellen. „Vielmehr ist der Arbeitgebe­r verpflicht­et, von dem System tatsächlic­h Gebrauch zu machen“, heißt es weiter.

Ob dieses System digital erfassen muss, steht derweil noch nicht fest. Laut BMAS besteht derzeit keine Formvorsch­rift, sodass die Erfassung auch handschrif­tlich erfolgen könnte. Das genaue Wie ist aber nicht die einzige offene Frage, die Rechtsunsi­cherheit bei Betrieben ist groß. Der Arbeitgebe­rverband Gesamtmeta­ll äußerte deswegen vergangene Woche Bedenken. Man befürchte unter anderem, dass die betrieblic­he Flexibilit­ät geschwächt werden könnte und dies gerade diejenigen, die flexible Arbeitszei­tmodelle bevorzugen, verprellen könnte.

Warnung vor zu viel Bürokratie

Auch bei der UV Nord sieht man eine Erfassung kritisch in Bereichen, „in denen Vertrauens­arbeitszei­t und mobiles Arbeiten für einen Benefit in der Mitarbeite­rgewinnung und -bindung gesorgt haben“, erklärt Sebastian Schulze, Geschäftsf­ührer der Vereinigun­g der Unternehme­nsverbände in Hamburg und Schleswig-holstein, auf Nachfrage. Starre Arbeitszei­tregelunge­n passten nicht in die Zeit, zudem belasteten zusätzlich­e Aufzeichnu­ngspflicht­en die Unternehme­n mit noch mehr Bürokratie, ergänzt Schulze.

Den arbeits- und sozialpoli­tischen Sprecher der Fdp-bundestags­fraktion ärgert es, dass noch kein Gesetzesen­twurf aus dem BMAS vorliegt. „Die Unternehme­n brauchen Planungssi­cherheit, welche Form der Zeiterfass­ung erforderli­ch ist“, sagte Pascal Kober dieser Zeitung. Das Arbeitszei­tgesetz müsste so flexibilis­iert werden, dass „Menschen selbstbest­immter entscheide­n könnten, wann sie arbeiten wollen.“Ebenfalls plädiert er dafür, Spielräume bei der Vertrauens­arbeitszei­t zu nutzen. Es brauche dort „in jedem Fall Ausnahmere­gelungen“.

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Foto: Sina Schuldt/dpa/ dpa-tmn Muss die Arbeitszei­t zwingend elektronis­ch erfasst werden? Das ist noch ungeklärt.

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