E-rezept bleibt Mangelware
Das Bundesministerium will die digitale Verschreibung vorantreiben, doch die Softwarelösung ist kompliziert.
Elektronische Rezepte bleiben in Deutschland die Ausnahme. Nach neuesten Angaben der für die Digitalisierung im Gesundheitswesen zuständigen Gesellschaft Gematik wurden zwar bisher insgesamt knapp 1,2 Millionen E-rezepte eingelöst, die von rund 3500 Arztpraxen ausgestellt wurden. Allerdings gibt es laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung von 102 000 Praxen pro Jahr rund 450 Millionen Verordnungen. Es gibt also noch einen großen Spielraum nach oben.
Nach Angaben der Europäischen Kommission gehört Deutschland zu den 11 der 27 Eustaaten, in denen noch Papierrezepte genutzt werden. Ursprünglich sollte das E-rezept deutschlandweit verpflichtend am 1. Januar 2022 eingeführt werden. Nachdem das an technischen Problemen gescheitert war, sollten zumindest zwei Pilot-regionen dem digitalen Rezept zum Durchbruch verhelfen: In Schleswigholstein und in einem Teil von Nordrhein-westfalen, nämlich
Westfalen-lippe, war es Praxen und Kliniken freigestellt, die neue Technik massenhaft anzuwenden. Doch auch das wurde verhindert, diesmal durch Bedenken der Datenschutzbehörden.
App auf dem Handy
Nun nimmt das Bundesgesundheitsministerium einen neuen Anlauf. Von Jahresmitte an sollen deutlich mehr elektronische Rezepte ausgestellt werden als bislang. Davon jedenfalls geht die Gematik aus, die dafür verantwortlich ist, das Gesundheitswesen auf digitale Beine zu helfen. Dann nämlich könnten die Versicherten auch ihre elektronische Gesundheitskarte (EGK) für das E-rezept nutzen, heißt es.
Im Augenblick spüren die Patienten jedenfalls noch nichts von der angestrebten Erleichterung durch das E-rezept. Die nötige Software läuft nämlich nur auf neueren Smartphones. 445 000mal wurde sie bisher heruntergeladen. Das klingt nach viel, doch verblasst diese Zahl angesichts von 74 Millionen gesetzlich Versicherten. Hat man die App erst mal auf dem Handy, muss man sich mit seiner EGK anmelden. Das funktioniert aber nur mit Karten, die in der Lage sind, kontaktlos Daten zu tauschen. Ob alle Versicherten so eine haben, ist fraglich, denn sie wird erst seit Ende 2019 verpflichtend ausgegeben. Schließlich braucht man eine Geheimnummer (PIN), für die man sich vor Ort bei der Kasse oder in der Post identifizieren muss.
Für den Chef der größten deutschen Krankenkasse TK, Jens Baas, ist das E-rezept ein Beispiel dafür, „dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens in einer Sackgasse steckt“. Es fehle an Nutzerfreundlichkeit und konkreten Mehrwerten, damit die Anwendungen sich in der breiten Bevölkerung durchsetzen. „Digitale Lösungen werden genutzt. Voraussetzung ist jedoch, dass sie einfacher sind als analoge Prozesse.“Und das sei bisher beim E-rezept nicht der Fall.