Ist das Kino tot?
Hand aufs Herz, wann waren Sie zuletzt im Kino? So richtig voll besetzter Saal, im Dunkel herrscht knisternde Spannung, gemeinsame Rührung, haltloses Lachen. Oder: Wann haben Sie zuletzt einen richtig tollen Film im Kino gesehen, auf den man sich wochenlang gefreut hat, der noch lange nachwirkt, von dem man Freundinnen und Freunden erzählt, dass sie ihn unbedingt sehen müssen? Keine Antwort auf beide Fragen? Damit sind Sie vermutlich nicht allein.
Wenn allerorts vom Tod des Kinos gesprochen wird, ist nur ein Grund dafür, dass die meisten Filme wenige Tage oder Wochen später auf den einschlägigen Streaming-portalen zu finden sind und man sie gemütlich zu Hause vor dem Großbildschirm konsumieren kann, ohne im Winter vor die Tür zu müssen und sich der Ansteckungsgefahr im Kino auszusetzen – vorausgesetzt, man hat genügend Streaming-abos und den Nerv, die endlos langen Vorschlagslisten durchzugehen.
Mindestens ebenso gravierend ist, dass in den Kinos seit Corona nichts richtig Spannendes läuft. Alle, die gehofft hatten, nach den Monaten des Lockdowns käme jetzt eine ganze Welle großartiger Filme, die, durch Corona ausgebremst, ein Fest der Filmkunst in den wieder offenen Kinos ermöglichen, sahen sich bitter getäuscht: Außer Prequels, Sequels und anderen Fortschreibungen aus dem Hause Marvel, mäßigen deutschen Komödien und Kinderfilmen war nicht viel – und ist seitdem auch nicht viel mehr geworden. Wo sind sie nur, die guten Filme?
Hier kommt die Berlinale ins Spiel. Wenn heute Abend das Filmfestival in Berlin wieder mit voller Saalbesetzung startet, ist die Hoffnung groß, dass hier auch die Filme zu sehen sind, die in den nächsten Monaten auch an der Kinokasse funktionieren. Die Berlinale-chefs Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek haben sich in diesem Jahr mit den Kinos in ganz Berlin zusammengetan, um vor allem der Jugend die Magie des Kinos nahezubringen. Sie haben allerdings auch die Preise auf 15 Euro pro Besucher hochgesetzt. Das sind fast zwei Monate Netflix-mitgliedschaft.
Und, ja, es gibt endlich wieder einiges an Stars, von Cate Blanchett bis
Die Hoffnung ist groß, in Berlin die Filme zu sehen, die später auch an der Kasse funktionieren.
zu Bono und Boris Becker. Und es gibt die Filme, auf die man sich freut, „Tar“zum Beispiel, „Roter Himmel“– den neuen Christian Petzold oder die Verfilmung von Joachim Meyerhoffs Bestseller „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?“. Und: Die Berlinale ist, wie es ihre Tradition ist, wieder politisch, mit Sean Penns Porträt des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Bonos Erinnerungen an Sarajevo 1997.
Den Film von Sean Penn hat Kulturstaatsministerin Claudia Roth Bundeskanzler Olaf Scholz als Empfehlung ans Herz gelegt – und die Wiederaufführung von Loriots Trickfilmen, damit endlich auch mal wieder gelacht werden kann. Ja, auch das wäre schön, auf dem Festival wie im Kino: Wieder gemeinsam lachen, bei aller Düsternis rundum. Es muss ja nicht unbedingt über den Streit der „Herren im Bad“um das Quietscheentchen in der Badewanne sein.