Über 100 Kliniken in Gefahr?
Dass sich etwas ändern muss, ist jedem klar. Die Vorschläge einer Kommission hätten aber massive Folgen im Südwesten, warnen die Krankenhäuser.
Es ist ein Thema, bei dem die Fronten schnell sehr verhärtet sind und die Emotionen hochkochen: Wie geht es mit den Krankenhäusern im Land weiter? Seit Jahren haben vor allem kleinere Häuser auf dem Land, aber nicht mehr nur die, Probleme, ausreichend Personal zu finden. Besonders bei den Pflegekräften ist die Lage oft sehr angespannt. Zudem machen die Finanzen immer mehr Probleme – drei Jahre Pandemie haben diese Entwicklung noch verschärft. Wie geht es also weiter mit dem Gesundheitswesen?
Darüber macht sich eine Kommission der Bundesregierung Gedanken. Im Dezember legte sie erste Vorschläge zu einer Krankenhausreform vor. Scharfe Kritik daran üben nun die Krankenhäuser in Baden-württemberg. Sollte die Reform so umgesetzt werden, „hätte das drastische Folgen für die Krankenhauslandschaft“, sagt Heiner Scheffold, Vorstandsvorsitzender der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG). Er warnt vor „massiven Veränderungen“. Einer Untersuchung der Krankenhausgesellschaft zufolge würden im Südwesten von 186 untersuchten Krankenhäusern lediglich 33 die höheren Versorgungsstufen 2 und 3 erreichen. „Nur dort wäre künftig zum Beispiel eine Geburtshilfe vorgesehen“, warnt die BWKG.
Für die restlichen Häuser wäre die Zukunft ungewiss, sie würden in die unterste Kategorie 1 eingeordnet. In dieser gibt es nochmal eine weitere Unterteilung: Nur in Kliniken, die weiter als 30 Fahrminuten von einem größeren Krankenhaus entfernt liegen, ist dann noch eine Notaufnahme vorgesehen. Die restlichen Kliniken würden in die Kategorie 1i eingestuft und sollen sich vor allem auf die ambulante Behandlung von Patienten konzentrieren. Dort ist nicht mehr rund um die Uhr ein Arzt oder eine Ärztin vorgesehen. „Nach unserer Überzeugung sind das keine Krankenhäuser“, sagt Scheffold, der auch Landrat im Alb-donau-kreis ist.
Ballungsräume stark betroffen
Besonders durchschlagen würden diese Kriterien in großstädtischen Bereichen, wie etwa in der Region Stuttgart. Im Landkreis Esslingen betreiben etwa die kreiseigenen Medius-kliniken drei Krankenhäuser. Diese würden allesamt in die Kategorie 1n eingestuft, teils wegen der Nähe zu anderen großen Krankenhäusern in Stuttgart und Esslingen sogar in die Stufe 1i. „Das würde bedeuten, dass die stationäre Patientenversorgung im Landkreis nicht mehr sichergestellt wäre“, sagt Geschäftsführer Sebastian Krupp. Auch könne man sich nicht den Wegfall von Notaufnahmen leisten. „Wer soll die Patienten
behandeln, wenn eine oder mehrere Kliniken wegfallen?“
Aus seiner Sicht müsste man die Einordnung der Krankenhäuser in die verschiedenen Level verändern. Ein Problem stellt zum Beispiel bei den Medius-kliniken die Stroke-unit, also die Schlaganfallstation, dar. Diese ist für Level 2 zwingend erforderlich, aber nicht an allen Standorten vorhanden. Auch müssten Krankenhäuser mit mehreren Standorten anders beurteilt werden. Denn über alle Standorte verteilt, würden die Medius-kliniken die Anforderungen für die zweite Stufe durchaus erfüllen.
In Stuttgart wäre unter anderem das Robert-bosch-krankenhaus von der Reform betroffen. „Die Umsetzung der bisherigen
Vorschläge würde bedeuten, dass wir herabgestuft würden“, sagt der medizinische Geschäftsführer Mark Dominik Alscher.
Das Problem: „Krankenhäuser können nur oben mitspielen, wenn sie das ganze Spektrum anbieten“, erklärt er. Eine offizielle Stroke-unit hat das Krankenhaus aber nicht, zumindest nicht im offiziellen Landeskrankenhausplan – und so drohe die Einordnung in Level 1. „Das zeigt, wie starr diese Vorschläge sind“, kritisiert Alscher. „Wir dürften dann bestimmte Leistungen nicht mehr anbieten, die heute fester Bestandteil unserer Versorgung sind.“Er fürchtet um seine Schwerpunkte Herz, Lunge und Onkologie, die Patienten aus ganz Baden-württemberg anziehen.
Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) hält eine Debatte über mögliche Auswirkungen der Reform für verfrüht. „Schon jetzt einzelne Inhalte herauszugreifen und als gegeben darzustellen, ist weder richtig noch hilfreich“, sagt er. Die Beratungen stünden erst am Anfang. „Unser übergeordnetes Ziel ist dabei, die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern“, sagt Lucha, der auch Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz ist. Parallel zu den Beratungen zwischen Bund und Ländern solle es in BadenWürttemberg aber auch einen Beteiligungsprozess mit den Betroffenen geben.