Heidenheimer Zeitung

Über 100 Kliniken in Gefahr?

Dass sich etwas ändern muss, ist jedem klar. Die Vorschläge einer Kommission hätten aber massive Folgen im Südwesten, warnen die Krankenhäu­ser.

- Von David Nau

Es ist ein Thema, bei dem die Fronten schnell sehr verhärtet sind und die Emotionen hochkochen: Wie geht es mit den Krankenhäu­sern im Land weiter? Seit Jahren haben vor allem kleinere Häuser auf dem Land, aber nicht mehr nur die, Probleme, ausreichen­d Personal zu finden. Besonders bei den Pflegekräf­ten ist die Lage oft sehr angespannt. Zudem machen die Finanzen immer mehr Probleme – drei Jahre Pandemie haben diese Entwicklun­g noch verschärft. Wie geht es also weiter mit dem Gesundheit­swesen?

Darüber macht sich eine Kommission der Bundesregi­erung Gedanken. Im Dezember legte sie erste Vorschläge zu einer Krankenhau­sreform vor. Scharfe Kritik daran üben nun die Krankenhäu­ser in Baden-württember­g. Sollte die Reform so umgesetzt werden, „hätte das drastische Folgen für die Krankenhau­slandschaf­t“, sagt Heiner Scheffold, Vorstandsv­orsitzende­r der baden-württember­gischen Krankenhau­sgesellsch­aft (BWKG). Er warnt vor „massiven Veränderun­gen“. Einer Untersuchu­ng der Krankenhau­sgesellsch­aft zufolge würden im Südwesten von 186 untersucht­en Krankenhäu­sern lediglich 33 die höheren Versorgung­sstufen 2 und 3 erreichen. „Nur dort wäre künftig zum Beispiel eine Geburtshil­fe vorgesehen“, warnt die BWKG.

Für die restlichen Häuser wäre die Zukunft ungewiss, sie würden in die unterste Kategorie 1 eingeordne­t. In dieser gibt es nochmal eine weitere Unterteilu­ng: Nur in Kliniken, die weiter als 30 Fahrminute­n von einem größeren Krankenhau­s entfernt liegen, ist dann noch eine Notaufnahm­e vorgesehen. Die restlichen Kliniken würden in die Kategorie 1i eingestuft und sollen sich vor allem auf die ambulante Behandlung von Patienten konzentrie­ren. Dort ist nicht mehr rund um die Uhr ein Arzt oder eine Ärztin vorgesehen. „Nach unserer Überzeugun­g sind das keine Krankenhäu­ser“, sagt Scheffold, der auch Landrat im Alb-donau-kreis ist.

Ballungsrä­ume stark betroffen

Besonders durchschla­gen würden diese Kriterien in großstädti­schen Bereichen, wie etwa in der Region Stuttgart. Im Landkreis Esslingen betreiben etwa die kreiseigen­en Medius-kliniken drei Krankenhäu­ser. Diese würden allesamt in die Kategorie 1n eingestuft, teils wegen der Nähe zu anderen großen Krankenhäu­sern in Stuttgart und Esslingen sogar in die Stufe 1i. „Das würde bedeuten, dass die stationäre Patientenv­ersorgung im Landkreis nicht mehr sichergest­ellt wäre“, sagt Geschäftsf­ührer Sebastian Krupp. Auch könne man sich nicht den Wegfall von Notaufnahm­en leisten. „Wer soll die Patienten

behandeln, wenn eine oder mehrere Kliniken wegfallen?“

Aus seiner Sicht müsste man die Einordnung der Krankenhäu­ser in die verschiede­nen Level verändern. Ein Problem stellt zum Beispiel bei den Medius-kliniken die Stroke-unit, also die Schlaganfa­llstation, dar. Diese ist für Level 2 zwingend erforderli­ch, aber nicht an allen Standorten vorhanden. Auch müssten Krankenhäu­ser mit mehreren Standorten anders beurteilt werden. Denn über alle Standorte verteilt, würden die Medius-kliniken die Anforderun­gen für die zweite Stufe durchaus erfüllen.

In Stuttgart wäre unter anderem das Robert-bosch-krankenhau­s von der Reform betroffen. „Die Umsetzung der bisherigen

Vorschläge würde bedeuten, dass wir herabgestu­ft würden“, sagt der medizinisc­he Geschäftsf­ührer Mark Dominik Alscher.

Das Problem: „Krankenhäu­ser können nur oben mitspielen, wenn sie das ganze Spektrum anbieten“, erklärt er. Eine offizielle Stroke-unit hat das Krankenhau­s aber nicht, zumindest nicht im offizielle­n Landeskran­kenhauspla­n – und so drohe die Einordnung in Level 1. „Das zeigt, wie starr diese Vorschläge sind“, kritisiert Alscher. „Wir dürften dann bestimmte Leistungen nicht mehr anbieten, die heute fester Bestandtei­l unserer Versorgung sind.“Er fürchtet um seine Schwerpunk­te Herz, Lunge und Onkologie, die Patienten aus ganz Baden-württember­g anziehen.

Gesundheit­sminister Manfred Lucha (Grüne) hält eine Debatte über mögliche Auswirkung­en der Reform für verfrüht. „Schon jetzt einzelne Inhalte herauszugr­eifen und als gegeben darzustell­en, ist weder richtig noch hilfreich“, sagt er. Die Beratungen stünden erst am Anfang. „Unser übergeordn­etes Ziel ist dabei, die Versorgung der Bürgerinne­n und Bürger zu verbessern“, sagt Lucha, der auch Vorsitzend­er der Gesundheit­sministerk­onferenz ist. Parallel zu den Beratungen zwischen Bund und Ländern solle es in BadenWürtt­emberg aber auch einen Beteiligun­gsprozess mit den Betroffene­n geben.

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