Mehr Kinder brauchen ein neues Zuhause
Knapp 90 Kinder leben derzeit im Landkreis Heidenheim in einer Pflegefamilie. Die Sozialarbeiterinnen im Pflegekinderfachdienst setzen auf persönlichen Kontakt, um Missbrauchsfälle zu verhindern.
Wenn Eltern nicht in der Lage sind, sich um ihre Kinder zu sorgen, kann das Jugendamt einschreiten und das Kind in einer Pflegefamilie unterbringen. Drei Sozialarbeiterinnen und ein Sozialarbeiter kümmern sich im Landkreis Heidenheim speziell um diese Pflegefamilien, stehen Ersatz-eltern sowie den Kindern beratend zur Seite und kümmern sich um die Rechte der Kinder. Wie sich die Fallzahlen entwickeln, welche Aufgaben der Pflegekinderfachdienst hat und was zum Wohle des Kindes unternommen wird, darüber hielten die Mitarbeiterinnen die Kreisräte im Jugendhilfeausschuss des Kreistags auf dem Laufenden.
Im Jahr 2000 wurde die Spezialabteilung innerhalb des Jugendamts eingerichtet. Der Grund war, dass die Anforderungen an die Pflegefamilien immer komplexer, die Aufgabenstellungen aufgrund der Problemlagen von Kindern immer anspruchsvoller geworden seien, sagte Ute Beißwenger, die gemeinsam mit Dagmar Lübcke-klaus diesen Dienst aufgebaut hat. Pflegeeltern sollten besser auf ihre Aufgaben vorbereitet werden.
Was die Kinder erlebt haben
Die Pflegekinder hätten unterschiedliche Vorerfahrungen: Vernachlässigung, Gewalterfahrungen als Opfer oder als Zeuge, nannte Beißwenger als Beispiele. Oftmals seien die leiblichen Eltern belastet mit Sucht oder psychischen Erkrankungen. Wird ein
Kind in die Vollzeitpflege vermittelt, kämen nur wenige Kinder wieder zurück zu den Eltern. In den meisten Fällen bleibe das Kind bei der Pflegefamilie bis hin zur Selbstständigkeit, das könne auch über die Volljährigkeit hinausgehen.
Neben der Begleitung der Pflegefamilien ist eine der Hauptaufgaben der Sozialpädagogen, ständig neue Pflegefamilien zu gewinnen. „Es hat sich gezeigt, die beste Werbung ist die Mundzu-mund-propaganda“, so Beißwenger. Interessenten durchliefen ein Seminar, nach dem gut die Hälfte der Bewerber übrig blieben.
Wer kann Pflegeeltern werden?
Was sind die Voraussetzungen, um Pflegemutter oder -vater werden zu können? Beißwenger nennt Formalien wie ein ärztliches Attest und ein polizeiliches Führungszeugnis. Dazu komme genügend Wohnraum und gesichertes Einkommen. „Voraussetzung ist aber auch Geduld und Pflegeeltern müssen auch Humor mitbringen“, so die Erfahrung von Beißwenger. Pflegeeltern bekommen zwar eine Aufwandsentschädigung, aber das Geld sei kein Anreiz, sondern sei nur ein Aufwandersatz. „Die Motivation von Pflegeeltern ist oft, dass sie Kindern etwas Gutes tun wollen.“Zunehmend seien es kinderlose Paare, die mit Kindern zusammenleben wollten. Da sei dies eine Alternative zur Adoption.
Die Zahl der Pflegekinder im Landkreis schwankt, stieg in den
vergangenen Jahren jedoch an, berichtet Dagmar Lübcke-klaus. Zu Beginn ihrer Arbeit habe es 100 Pflegeverhältnisse gegeben, ein Drittel der Kinder seien damals von Großeltern oder Verwandten gepflegt worden. Diese Vollzeitpflege bei den Großeltern nahm sukzessive ab. Grund sei eine Gerichtsentscheidung gewesen mit der Meinung, dass sich Großeltern unentgeltlich um Enkel kümmern müssten und keinen Anspruch auf Pflegegeld hätten. „Heute ist die Lage eine andere. Wir beachten bei der Vermittlung auch, ob Großeltern für die Betreuung in der Lage sind.“
Diese richterliche Entscheidung habe zu einem Tiefstand der Fallzahlen im Jahr 2009 geführt mit 59 Pflegekindern. Nach einigen Schwankungen gab es laut Lübcke-klaus in den vergangenen Jahren einen stetigen Zuwachs.
Im Vergleich zu den Nachbarlandkreisen stehe der Landkreis Heidenheim gut da, wenn es derzeit laut Lübcke-klaus auch nur vier freie Pflegestellen gebe. Dazu kämen noch 13 Pflegefamilien in der sogenannten Bereitschaftspflege. Der Unterschied sei, dass diese Familien die Kinder vorübergehend aufnähmen, in Notfällen, bis geklärt sei, wie es weitergeht.
Vor eineinhalb Jahren trat ein Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland in Kraft, das auch Pflegefamilien und die Kinder dort betrifft. Britta John vom Heidenheimer Kinderschutzbund hakte nach: „Wir alle haben die schlimmen Geschichten im Kopf, bei denen die Stellung der Pflegeeltern missbraucht wird. Wie können Sie gewährleisten, dass man den Menschen auf den Finger guckt?“Der große Vorteil bei der Beurteilung der Bewerber sei, dass die Sozialarbeiter die Seminare selbst leiteten, so Ute Beißwenger. Dabei lerne man die Menschen kennen.
Zudem sei der Fachdienst nah an den Pflegeeltern und Kindern dran. „Wir klären mit den Kindern ab, an wen sie sich vertrauensvoll wenden können, wenn innerhalb der Pflegefamilie etwas sein sollte.“Einmal im Jahr gebe es eine Aktion, diesmal gehe es gemeinsam mit den Pflegekindern in den Wald. Auch dort könne man mit den Kindern sprechen. „Mehr können wir nicht machen“, so Beißwenger.
Kontakt für Interessierte
Wer Interesse hat, sich als Pflegeeltern zu bewerben oder sich zu informieren, kann sich an das Sekretariat des Jugendamts im Landratsamt unter Tel. 07321.3212527 oder per E-mail an pflegekinder@landkreis-heidenheim.de wenden.