Zeit für ein Keramik-comeback
Für ihr Korallen-kunstwerk mit dem Titel „Who is gonna miss me“hat die Nattheimer Künstlerin Heide Nonnenmacher den Hessischen Staatspreis für das Deutsche Kunsthandwerk erhalten.
Dafür, dass sich Heide Nonnenmacher seit 25 Jahren mit der Unterwasserwelt beschäftigt, mit allem, was in den nassen Untiefen kreucht, fleucht und gedeiht, dafür hat sie für Wasser eigentlich nicht viel übrig. „Schwimmbäder finde ich grausig. Ich kann sowieso nur Brustschwimmen, am ehesten noch im See“, erzählt die Nattheimer Künstlerin. Kein See, aber das Jurameer dient Nonnenmacher seit nun vielen Jahren als Inspiration für ihre Keramik-kunstwerke. Diese sind mal groß, mal klein, und seit Kurzem mal wieder preisgekrönt.
„Who is gonna miss me“lautet der Titel des Porzellan-objekts, der jüngst mit dem zweiten Preis des Hessischen Staatspreises für das Deutsche Kunsthandwerk prämiert wurde. „Das größte Objekt, das ich je gemacht habe. Mehr gibt mein Ofen auch nicht her“, berichtet Nonnenmacher. Mit rund 30 mal 30 Zentimetern wirkt die Arbeit durchaus etwas wuchtiger als die übrigen Werke, die im Atelier der Künstlerin in Nattheim ausgestellt sind. Ihr Pendant aus dem Meer, die Koralle, gibt es hingegen in allen möglichen Größen und Formen.
Der Klimawandel ist seit Längerem Zentrum von Heide Nonnenmachers kreativem Prozess. „Ich lebe in einem Gebiet, in dem sich vor 140 Millionen Jahren das Jurameer befand. Das Meer vertrocknete, aber das Leben ging weiter. Formen von ehemaligen Korallenriffen künden von dieser Zeit und inspirieren mich noch jeden Tag.“Obwohl sich die durch Erderwärmung verursachte Korallenbleiche also erschreckend
gut mittels weißlichem Porzellan darstellen lässt, schwingt bei Nonnenmachers Arbeit stets ein Hauch Hoffnung mit.
In den vergangenen Äonen starben immer wieder zahlreiche Tier- und Pflanzenarten aus, einige konnten durch Mutation jedoch
überdauern. „Und genau dieser Punkt interessiert mich als Künstlerin. Wie könnte beispielsweise eine Koralle mutieren?“, fragt Nonnenmacher. „Who ist gonna miss me“stellt also mitunter eine mutierte, überlebensfähigere Form der Korallen dar. „Ich
bin bei meinen Arbeiten aber nicht dogmatisch. Manche Menschen sehen darin vielleicht eher ein Virus, einen Pollen oder einen Einzeller. Das ist in Ordnung“, so die Künstlerin. Denn ihrer Meinung nach ist die Natur im Mikrokosmos immer gleich – gleiche Linien, gleiche Formen. Wenn man die Natur auf das Kleinste herunterbreche, könne alles potenziell eben alles sein. „Ich spiele mit Formen und Oberflächen. Das ist ja kein wissenschaftliches Arbeiten.“
Wesentlich wissenschaftlicher, oder zumindest technischer, ist hingegen der Entstehungsprozess jener Keramik- und Porzellanwerke. „Das Material ist tricky. Es verzeiht keine Fehler.“Auf 1280 Grad Celsius erhitzt lässt sich Porzellan verformen. Unter Beimischung diverser Zusatzstoffe entstehen schließlich die filigranen Konstrukte in Heide Nonnenmachers Atelier. Gerade „Who is gonna miss me“sei eine enorme technische Herausforderung gewesen – ein Umstand, den auch die Jury des Hessischen Staatspreises anerkannte und letztlich bekanntermaßen für preiswürdig erachtete.
Preisgekröntes Porzellan: Laut Heide Nonnenmacher war dies nicht immer denkbar gewesen. Im Kunsthandwerk sei das Material stets etwas belächelt worden. „Wir haben lange dafür gekämpft, dass auch diese Art von Kunst eben als Kunst anerkannt wird.“Außerhalb Europas sei das gelungen, und auch in Deutschland scheine sich das Kunsthandwerk etwas zu öffnen. Ein Keramikcomeback, wenn man so will.
In Heide Nonnenmachers Atelier wird das Material weiterhin erhalten bleiben. „Derzeit bin ich vor allem am Experimentieren mit Oberflächenstrukturen interessiert“, berichtet die Künstlerin. Inzwischen hat sich auch ein wenig Farbe in Nonnenmachers Werke eingeschlichen – vielleicht der Korallenbleiche zum Trotze.