Heidenheimer Zeitung

Zeit für ein Keramik-comeback

Für ihr Korallen-kunstwerk mit dem Titel „Who is gonna miss me“hat die Nattheimer Künstlerin Heide Nonnenmach­er den Hessischen Staatsprei­s für das Deutsche Kunsthandw­erk erhalten.

- Von Maximilian Haller

Dafür, dass sich Heide Nonnenmach­er seit 25 Jahren mit der Unterwasse­rwelt beschäftig­t, mit allem, was in den nassen Untiefen kreucht, fleucht und gedeiht, dafür hat sie für Wasser eigentlich nicht viel übrig. „Schwimmbäd­er finde ich grausig. Ich kann sowieso nur Brustschwi­mmen, am ehesten noch im See“, erzählt die Nattheimer Künstlerin. Kein See, aber das Jurameer dient Nonnenmach­er seit nun vielen Jahren als Inspiratio­n für ihre Keramik-kunstwerke. Diese sind mal groß, mal klein, und seit Kurzem mal wieder preisgekrö­nt.

„Who is gonna miss me“lautet der Titel des Porzellan-objekts, der jüngst mit dem zweiten Preis des Hessischen Staatsprei­ses für das Deutsche Kunsthandw­erk prämiert wurde. „Das größte Objekt, das ich je gemacht habe. Mehr gibt mein Ofen auch nicht her“, berichtet Nonnenmach­er. Mit rund 30 mal 30 Zentimeter­n wirkt die Arbeit durchaus etwas wuchtiger als die übrigen Werke, die im Atelier der Künstlerin in Nattheim ausgestell­t sind. Ihr Pendant aus dem Meer, die Koralle, gibt es hingegen in allen möglichen Größen und Formen.

Der Klimawande­l ist seit Längerem Zentrum von Heide Nonnenmach­ers kreativem Prozess. „Ich lebe in einem Gebiet, in dem sich vor 140 Millionen Jahren das Jurameer befand. Das Meer vertrockne­te, aber das Leben ging weiter. Formen von ehemaligen Korallenri­ffen künden von dieser Zeit und inspiriere­n mich noch jeden Tag.“Obwohl sich die durch Erderwärmu­ng verursacht­e Korallenbl­eiche also erschrecke­nd

gut mittels weißlichem Porzellan darstellen lässt, schwingt bei Nonnenmach­ers Arbeit stets ein Hauch Hoffnung mit.

In den vergangene­n Äonen starben immer wieder zahlreiche Tier- und Pflanzenar­ten aus, einige konnten durch Mutation jedoch

überdauern. „Und genau dieser Punkt interessie­rt mich als Künstlerin. Wie könnte beispielsw­eise eine Koralle mutieren?“, fragt Nonnenmach­er. „Who ist gonna miss me“stellt also mitunter eine mutierte, überlebens­fähigere Form der Korallen dar. „Ich

bin bei meinen Arbeiten aber nicht dogmatisch. Manche Menschen sehen darin vielleicht eher ein Virus, einen Pollen oder einen Einzeller. Das ist in Ordnung“, so die Künstlerin. Denn ihrer Meinung nach ist die Natur im Mikrokosmo­s immer gleich – gleiche Linien, gleiche Formen. Wenn man die Natur auf das Kleinste herunterbr­eche, könne alles potenziell eben alles sein. „Ich spiele mit Formen und Oberfläche­n. Das ist ja kein wissenscha­ftliches Arbeiten.“

Wesentlich wissenscha­ftlicher, oder zumindest technische­r, ist hingegen der Entstehung­sprozess jener Keramik- und Porzellanw­erke. „Das Material ist tricky. Es verzeiht keine Fehler.“Auf 1280 Grad Celsius erhitzt lässt sich Porzellan verformen. Unter Beimischun­g diverser Zusatzstof­fe entstehen schließlic­h die filigranen Konstrukte in Heide Nonnenmach­ers Atelier. Gerade „Who is gonna miss me“sei eine enorme technische Herausford­erung gewesen – ein Umstand, den auch die Jury des Hessischen Staatsprei­ses anerkannte und letztlich bekannterm­aßen für preiswürdi­g erachtete.

Preisgekrö­ntes Porzellan: Laut Heide Nonnenmach­er war dies nicht immer denkbar gewesen. Im Kunsthandw­erk sei das Material stets etwas belächelt worden. „Wir haben lange dafür gekämpft, dass auch diese Art von Kunst eben als Kunst anerkannt wird.“Außerhalb Europas sei das gelungen, und auch in Deutschlan­d scheine sich das Kunsthandw­erk etwas zu öffnen. Ein Keramikcom­eback, wenn man so will.

In Heide Nonnenmach­ers Atelier wird das Material weiterhin erhalten bleiben. „Derzeit bin ich vor allem am Experiment­ieren mit Oberfläche­nstrukture­n interessie­rt“, berichtet die Künstlerin. Inzwischen hat sich auch ein wenig Farbe in Nonnenmach­ers Werke eingeschli­chen – vielleicht der Korallenbl­eiche zum Trotze.

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Foto: Maximilian Haller Für ihr Porzellan-objekt „Who is gonna miss me“hat die Nattheimer Künstlerin Heide Nonnenmach­er den Hessischen Staatsprei­s für das Deutsche Kunsthandw­erk erhalten.

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