Krönung für die Königsbronner Judo-legende
Dieter Seibold hat nun die höchste Ehrung der nationalen Judoverbände erhalten. Es ist auch eine Anerkennung für sein Lebenswerk als Pionier des japanischen Kampfsports in Deutschland.
Gerade einmal sieben Judokas in Deutschland wurden mit dem 9. Dan ausgezeichnet – einer von ihnen ist seit Kurzem der Königsbronner Dieter Seibold. Der rote Gürtel ist gewissermaßen die Auszeichnung für sein Lebenswerk und das Leben dieses mittlerweile 80 Jahre alten Sportlers hat so viele Geschichten geschrieben, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll.
Also beginnen wir in Königsbronn, wo Dieter Seibold aufgewachsen ist und wo – man glaubt es heute kaum – in den 1960erund 70er-jahren eine württembergische Judo-hochburg war. Dieter Keppeler hatte 1954 die Abteilung im Sportverein Herwartstein gegründet und diese brachte einige
Meister auf Landes- und sogar auf nationaler Ebene hervor. Darunter Seibold, der als Kind Handball, Fußball, Skispringen und Turnen betrieb, mit zwölf Jahren dann aber beim Judo landete. „Es hat mich einfach fasziniert, man muss in diesem Sport in allem so reaktionsschnell sein“, sagt der heute immer noch agile Senior.
Schon 1963 ging‘s nach Japan
„Didi“Seibold errang acht Landesund süddeutsche Titel, wurde mehrmals deutscher Jugendmeister und zählte im Leichtgewicht zur absoluten nationalen Spitze. Und doch konnte er noch nicht wissen, welche Abenteuer das Judo ihm bescheren würde. Bei einer deutschen Meisterschaft sah ihn ein japanischer Trainer, zeigte sich begeistert von seinem Kampfstil und hatte eine klare Ansage: „Du musst in Japan trainieren.“
Ein Besuch im Mutterland und absoluten Mekka dieses Sports war 1963 aber noch alles andere als selbstverständlich. Seibold trat die Reise auf einem Frachtschiff an, musste zu Beginn erst
Begegnung mit Meister Mifune
Sich an die Sitten zu gewöhnen, fiel ihm nicht schwer, sein Respekt vor der japanischen Kultur und den herausragenden Judokas war und ist groß. Im Kodokan traf er auch auf Kyuzo Mifune, den Judo-meister mit dem zehnten Dan. „Gegen den durfte man nie gewinnen“, schmunzelt Seibold und sagt bewundernd: „Der stand mit 80 Jahren noch auf der Matte.“
Um seine Reise und den Aufenthalt zu finanzieren, gab Seibold Sprachunterricht in Deutsch, Englisch und Französisch, er war Komparse in japanischen Filmen, arbeitete als Model für Magazine und berichtete als Journalist aus Japan für die deutsche Presse – auch für die Heidenheimer Zeitung. 1964 fanden in Tokio die Olympischen Spiele statt. Seibold war Dolmetscher im Organisationsteam
Komitees, in den Bundesausschuss für Leistungssport berufen.
1965 kehrte er zurück nach Deutschland, war dann viele Jahre auf dem gesamten Globus unterwegs. „Ich habe mal die Kilometer zusammengerechnet, es hätte viermal bis zum Mond gereicht“, berichtet Seibold, der nach seiner sportlichen eine
ebenso beeindruckende Karriere als hochrangiger Funktionär hinlegte. Unter anderem war er im Führungsstab der deutschen Olympiamannschaft von 1968 (Mexico-stadt) und 1972 (München), traf dabei auch einen bekannten Sportler aus seiner Heimat: den Fechter Paul Gnaier.
Judo zum Höhenflug verholfen
1969 wurde Seibold als jüngster Bundessportwart eines deutschen
in Deutschland. So baute er das Leistungszentrum in Wolfsburg auf, das bis heute auf 88 Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften sowie Olympischen Spielen kommt. 1971 holte Seibold erstmals die JudoWeltmeisterschaft nach Deutschland (Ludwigshafen).
Damit nicht genug, nachdem ihn Josef Neckermann 1970 zum Geschäftsführer der Deutschen Sporthilfe berufen hatte, war Seibold auch am Aufbau dieser Stiftung beteiligt. Zudem schrieb er weiterhin Reportagen und Reiseberichte aus aller Welt.
Der Trainer sagte: Du musst in Japan trainieren.
Erstaunlicherweise gelang ihm gleichzeitig eine beeindruckende berufliche Karriere, unter anderem war der Ingenieur als Personalleiter bei Texas Instruments für 3000 Mitarbeiter zuständig, arbeitete später für die Hermann-gruppe, die sich schon in den 1980er-jahren inten
siv mit erneuerbaren Energien beschäftigte.
All diese Erfolge führten natürlich zu besonderen Ehrungen, von denen hier nur zwei herausgegriffen seien: 1979 wurde Seibold als erster Deutscher in der japanischen olympischen Akademie, 2007 dann in die Ehrenhalle des Judo-weltmuseums in Berlin aufgenommen.
Im erlesenen Kreis
Und jetzt wurde ihm als erstem Württemberger der 9. Dan, die höchste Auszeichnung im deutschen Judosport verliehen. Zu den Dan-trägern zählen Judo-legenden wie der langjährige Bundestrainer Han Ho San oder Klaus Glahn, der beste Schwergewichtler aller Zeiten. Der Stolz, in diesen Kreis aufgenommen zu werden, ist „Didi“Seibold anzusehen. „Es fühlt sich an wie ein Ritterschlag“, sagt Seibold, der seit einigen Jahren wieder in Königsbronn lebt.
Dass er vergangenes Jahr 80 Jahre alt wurde, sieht man ihm nicht an, er ist weiter aktiv, geht dreimal die Woche zum Fitness
Es fühlt sich an wie ein Ritterschlag.
Es hätte viermal bis zum Mond gereicht.
und verfolgt auch voller Interesse das Sportgeschehen. Dass sein Sport dabei keine große Rolle spielt, macht ihn dabei etwas traurig. „Die Erfolge sind ja immer noch da, aber Judo vermarktet sich schlecht“, sagt Seibold. Vielleicht sollte er ja noch einmal über ein Comeback als Funktionär nachdenken . . .