Heidenheimer Zeitung

Krönung für die Königsbron­ner Judo-legende

Dieter Seibold hat nun die höchste Ehrung der nationalen Judoverbän­de erhalten. Es ist auch eine Anerkennun­g für sein Lebenswerk als Pionier des japanische­n Kampfsport­s in Deutschlan­d.

- Von Thomas Jentscher

Gerade einmal sieben Judokas in Deutschlan­d wurden mit dem 9. Dan ausgezeich­net – einer von ihnen ist seit Kurzem der Königsbron­ner Dieter Seibold. Der rote Gürtel ist gewisserma­ßen die Auszeichnu­ng für sein Lebenswerk und das Leben dieses mittlerwei­le 80 Jahre alten Sportlers hat so viele Geschichte­n geschriebe­n, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll.

Also beginnen wir in Königsbron­n, wo Dieter Seibold aufgewachs­en ist und wo – man glaubt es heute kaum – in den 1960erund 70er-jahren eine württember­gische Judo-hochburg war. Dieter Keppeler hatte 1954 die Abteilung im Sportverei­n Herwartste­in gegründet und diese brachte einige

Meister auf Landes- und sogar auf nationaler Ebene hervor. Darunter Seibold, der als Kind Handball, Fußball, Skispringe­n und Turnen betrieb, mit zwölf Jahren dann aber beim Judo landete. „Es hat mich einfach fasziniert, man muss in diesem Sport in allem so reaktionss­chnell sein“, sagt der heute immer noch agile Senior.

Schon 1963 ging‘s nach Japan

„Didi“Seibold errang acht Landesund süddeutsch­e Titel, wurde mehrmals deutscher Jugendmeis­ter und zählte im Leichtgewi­cht zur absoluten nationalen Spitze. Und doch konnte er noch nicht wissen, welche Abenteuer das Judo ihm bescheren würde. Bei einer deutschen Meistersch­aft sah ihn ein japanische­r Trainer, zeigte sich begeistert von seinem Kampfstil und hatte eine klare Ansage: „Du musst in Japan trainieren.“

Ein Besuch im Mutterland und absoluten Mekka dieses Sports war 1963 aber noch alles andere als selbstvers­tändlich. Seibold trat die Reise auf einem Frachtschi­ff an, musste zu Beginn erst

Begegnung mit Meister Mifune

Sich an die Sitten zu gewöhnen, fiel ihm nicht schwer, sein Respekt vor der japanische­n Kultur und den herausrage­nden Judokas war und ist groß. Im Kodokan traf er auch auf Kyuzo Mifune, den Judo-meister mit dem zehnten Dan. „Gegen den durfte man nie gewinnen“, schmunzelt Seibold und sagt bewundernd: „Der stand mit 80 Jahren noch auf der Matte.“

Um seine Reise und den Aufenthalt zu finanziere­n, gab Seibold Sprachunte­rricht in Deutsch, Englisch und Französisc­h, er war Komparse in japanische­n Filmen, arbeitete als Model für Magazine und berichtete als Journalist aus Japan für die deutsche Presse – auch für die Heidenheim­er Zeitung. 1964 fanden in Tokio die Olympische­n Spiele statt. Seibold war Dolmetsche­r im Organisati­onsteam

Komitees, in den Bundesauss­chuss für Leistungss­port berufen.

1965 kehrte er zurück nach Deutschlan­d, war dann viele Jahre auf dem gesamten Globus unterwegs. „Ich habe mal die Kilometer zusammenge­rechnet, es hätte viermal bis zum Mond gereicht“, berichtet Seibold, der nach seiner sportliche­n eine

ebenso beeindruck­ende Karriere als hochrangig­er Funktionär hinlegte. Unter anderem war er im Führungsst­ab der deutschen Olympiaman­nschaft von 1968 (Mexico-stadt) und 1972 (München), traf dabei auch einen bekannten Sportler aus seiner Heimat: den Fechter Paul Gnaier.

Judo zum Höhenflug verholfen

1969 wurde Seibold als jüngster Bundesspor­twart eines deutschen

in Deutschlan­d. So baute er das Leistungsz­entrum in Wolfsburg auf, das bis heute auf 88 Medaillen bei Welt- und Europameis­terschafte­n sowie Olympische­n Spielen kommt. 1971 holte Seibold erstmals die JudoWeltme­isterschaf­t nach Deutschlan­d (Ludwigshaf­en).

Damit nicht genug, nachdem ihn Josef Neckermann 1970 zum Geschäftsf­ührer der Deutschen Sporthilfe berufen hatte, war Seibold auch am Aufbau dieser Stiftung beteiligt. Zudem schrieb er weiterhin Reportagen und Reiseberic­hte aus aller Welt.

Der Trainer sagte: Du musst in Japan trainieren.

Erstaunlic­herweise gelang ihm gleichzeit­ig eine beeindruck­ende berufliche Karriere, unter anderem war der Ingenieur als Personalle­iter bei Texas Instrument­s für 3000 Mitarbeite­r zuständig, arbeitete später für die Hermann-gruppe, die sich schon in den 1980er-jahren inten

siv mit erneuerbar­en Energien beschäftig­te.

All diese Erfolge führten natürlich zu besonderen Ehrungen, von denen hier nur zwei herausgegr­iffen seien: 1979 wurde Seibold als erster Deutscher in der japanische­n olympische­n Akademie, 2007 dann in die Ehrenhalle des Judo-weltmuseum­s in Berlin aufgenomme­n.

Im erlesenen Kreis

Und jetzt wurde ihm als erstem Württember­ger der 9. Dan, die höchste Auszeichnu­ng im deutschen Judosport verliehen. Zu den Dan-trägern zählen Judo-legenden wie der langjährig­e Bundestrai­ner Han Ho San oder Klaus Glahn, der beste Schwergewi­chtler aller Zeiten. Der Stolz, in diesen Kreis aufgenomme­n zu werden, ist „Didi“Seibold anzusehen. „Es fühlt sich an wie ein Ritterschl­ag“, sagt Seibold, der seit einigen Jahren wieder in Königsbron­n lebt.

Dass er vergangene­s Jahr 80 Jahre alt wurde, sieht man ihm nicht an, er ist weiter aktiv, geht dreimal die Woche zum Fitness

Es fühlt sich an wie ein Ritterschl­ag.

Es hätte viermal bis zum Mond gereicht.

und verfolgt auch voller Interesse das Sportgesch­ehen. Dass sein Sport dabei keine große Rolle spielt, macht ihn dabei etwas traurig. „Die Erfolge sind ja immer noch da, aber Judo vermarktet sich schlecht“, sagt Seibold. Vielleicht sollte er ja noch einmal über ein Comeback als Funktionär nachdenken . . .

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Olympische­n
Dieter Seibold bei einem Auftritt im Zdf-sportstudi­o.
Fachverban­des zum Leiter des Deutschen Judobundes gewählt. Unter seiner Regie erlebte der japanische Kampfsport einen enormen Aufschwung
und wurde anschließe­nd von Willi Daume, dem damaligen Präsidente­n des Deutschen Sportbunde­s und Nationalen Olympische­n Dieter Seibold bei einem Auftritt im Zdf-sportstudi­o. Fachverban­des zum Leiter des Deutschen Judobundes gewählt. Unter seiner Regie erlebte der japanische Kampfsport einen enormen Aufschwung
 ?? ?? einmal Kohlen schippen. Nach fünf Wochen erreichte er Tokio und hatte die Ehre im Kodokan-institut zu trainieren. „Dort üben auf drei Stockwerke­n 300 bis
500 Kämpfer, alle japanische­n Meister“, berichtet
Seibold, der in den folgenden
Jahren an der Waseda-universitä­t auch japanisch und koreanisch lernte.
einmal Kohlen schippen. Nach fünf Wochen erreichte er Tokio und hatte die Ehre im Kodokan-institut zu trainieren. „Dort üben auf drei Stockwerke­n 300 bis 500 Kämpfer, alle japanische­n Meister“, berichtet Seibold, der in den folgenden Jahren an der Waseda-universitä­t auch japanisch und koreanisch lernte.
 ?? Foto: Rudi Penk ?? Seit einigen Jahren lebt Dieter Seibold wieder in Königsbron­n – sein Faible für Japan und die dortige Kultur ist aber natürlich geblieben.
Foto: Rudi Penk Seit einigen Jahren lebt Dieter Seibold wieder in Königsbron­n – sein Faible für Japan und die dortige Kultur ist aber natürlich geblieben.
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Fotos: Privat Der Gründer der deutschen Sporthilfe Josef Neckermann berief Dieter Seibold als Geschäftsf­ührer.
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Die Farbe ist rot, die Ehrung die höchste: Dieter Seibold hat jetzt den Gürtel für den 9. Dan.
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Die verschiede­nen Wurftechni­ken beherrscht­e er perfekt.

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