Dämpfer für Ermittler
Das Bundesverfassungsgericht kippt den Einsatz der Software „Hessendata“. Eine Neuregelung ist grundsätzlich möglich.
Die hessische Regelung zur automatisierten Auswertung von Polizeidaten ist verfassungswidrig. Das entschied das Bundesverfassungsgericht. Die Eingriffsbefugnis erlaube der Polizei zu viel, auch den Einsatz künstlicher Intelligenz, ohne hohe Eingriffsschwellen zu benennen.
Seit 2017 nutzt das schwarzgrün regierte Hessen eine Software der Cia-nahen Us-firma Palantir zur Abwehr künftiger Gefahren. Im Original heißt die Software „Gotham“, in Hessen ist der Name „Hessendata“. Eine Norm im hessischen Polizeigesetz erlaubt seit 2018 diese „automatisierte Datenanalyse“. In Hamburg und NRW gibt es ähnliche Normen, die aber nur in NRW auch genutzt werden. Bayern hat mit Palantir ebenfalls einen Vertrag geschlossen, andere Bundesländer wie Baden-württemberg prüfen, ob sie sich anschließen.
Hessendata erlaubt eine schnelle Analyse: Wer kennt wen? Wer war wann wo? Dabei werden keine neuen Daten erhoben, sondern Daten genutzt, die bei der Polizei vorliegen. Rund 14 000 Mal pro Jahr wird das Programm genutzt. Die von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) koordinierten Kläger warnten vor der Bildung von Persönlichkeitsprofilen auch von Unbeteiligten. Sie hielten die Regelungen für unverhältnismäßig.
Gesetzgeber muss nachbessern
Ihre Verfassungsbeschwerde hatte nun Erfolg. Auch wenn nur Daten analysiert werden, die bereits bei der Polizei vorhanden sind, werteten die Richter dies als Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, weil die Polizei so neue Erkenntnisse gewinnen kann. Entscheidende Frage war, ob dieser Eingriff zu rechtfertigen ist. Die Richter halten das grundsätzlich für möglich. Entscheidend war wie stets bei staatlichem Handeln die Verhältnismäßigkeit. Je problematischer ein Eingriff, desto konkreter muss die Gefahr und desto wichtiger das bedrohte Rechtsgut sein, so der Karlsruher Maßstab. Besonders problematisch seien Maßnahmen, die fehlerträchtig sind und die Gefahr von Diskriminierungen mit sich bringen oder die Persönlichkeit tief ausforschen. Problematisch sei auch, wenn softwaregestützte Verknüpfungen überhaupt nicht nachvollzogen werden können, wie etwa bei selbstlernenden Systemen der künstlichen Intelligenz.
All das wird vom Bundesverfassungsgericht aber nicht verboten, sondern an das Vorliegen einer „konkretisierten Gefahr für besonders gewichtige Rechtsgüter“gebunden. In einer Neuregelung ist also einiges möglich, vor allem zur Vermeidung terroristischer Anschläge. Hessendata kann in begrenzten Ausnahmefällen noch bis 30. September genutzt werden. Spätestens bis dahin muss der hessische Landtag eine grundgesetzkonforme Neuregelung beschließen.