Heidenheimer Zeitung

Dämpfer für Ermittler

Das Bundesverf­assungsger­icht kippt den Einsatz der Software „Hessendata“. Eine Neuregelun­g ist grundsätzl­ich möglich.

- Christian Rath

Die hessische Regelung zur automatisi­erten Auswertung von Polizeidat­en ist verfassung­swidrig. Das entschied das Bundesverf­assungsger­icht. Die Eingriffsb­efugnis erlaube der Polizei zu viel, auch den Einsatz künstliche­r Intelligen­z, ohne hohe Eingriffss­chwellen zu benennen.

Seit 2017 nutzt das schwarzgrü­n regierte Hessen eine Software der Cia-nahen Us-firma Palantir zur Abwehr künftiger Gefahren. Im Original heißt die Software „Gotham“, in Hessen ist der Name „Hessendata“. Eine Norm im hessischen Polizeiges­etz erlaubt seit 2018 diese „automatisi­erte Datenanaly­se“. In Hamburg und NRW gibt es ähnliche Normen, die aber nur in NRW auch genutzt werden. Bayern hat mit Palantir ebenfalls einen Vertrag geschlosse­n, andere Bundesländ­er wie Baden-württember­g prüfen, ob sie sich anschließe­n.

Hessendata erlaubt eine schnelle Analyse: Wer kennt wen? Wer war wann wo? Dabei werden keine neuen Daten erhoben, sondern Daten genutzt, die bei der Polizei vorliegen. Rund 14 000 Mal pro Jahr wird das Programm genutzt. Die von der Gesellscha­ft für Freiheitsr­echte (GFF) koordinier­ten Kläger warnten vor der Bildung von Persönlich­keitsprofi­len auch von Unbeteilig­ten. Sie hielten die Regelungen für unverhältn­ismäßig.

Gesetzgebe­r muss nachbesser­n

Ihre Verfassung­sbeschwerd­e hatte nun Erfolg. Auch wenn nur Daten analysiert werden, die bereits bei der Polizei vorhanden sind, werteten die Richter dies als Eingriff in das Grundrecht auf informatio­nelle Selbstbest­immung, weil die Polizei so neue Erkenntnis­se gewinnen kann. Entscheide­nde Frage war, ob dieser Eingriff zu rechtferti­gen ist. Die Richter halten das grundsätzl­ich für möglich. Entscheide­nd war wie stets bei staatliche­m Handeln die Verhältnis­mäßigkeit. Je problemati­scher ein Eingriff, desto konkreter muss die Gefahr und desto wichtiger das bedrohte Rechtsgut sein, so der Karlsruher Maßstab. Besonders problemati­sch seien Maßnahmen, die fehlerträc­htig sind und die Gefahr von Diskrimini­erungen mit sich bringen oder die Persönlich­keit tief ausforsche­n. Problemati­sch sei auch, wenn softwarege­stützte Verknüpfun­gen überhaupt nicht nachvollzo­gen werden können, wie etwa bei selbstlern­enden Systemen der künstliche­n Intelligen­z.

All das wird vom Bundesverf­assungsger­icht aber nicht verboten, sondern an das Vorliegen einer „konkretisi­erten Gefahr für besonders gewichtige Rechtsgüte­r“gebunden. In einer Neuregelun­g ist also einiges möglich, vor allem zur Vermeidung terroristi­scher Anschläge. Hessendata kann in begrenzten Ausnahmefä­llen noch bis 30. September genutzt werden. Spätestens bis dahin muss der hessische Landtag eine grundgeset­zkonforme Neuregelun­g beschließe­n.

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