Heidenheimer Zeitung

Zwei Welten

- Stefan Kegel zur Münchner Sicherheit­skonferenz leitartike­l@swp.de

Vier Tage nach Ende der letztjähri­gen Münchner Sicherheit­skonferenz überfielen russische Truppen die Ukraine. Noch immer sitzt der Schock über die Zerstörung der europäisch­en Friedensor­dnung tief. Aber im Grunde war der Krieg nur ein weiterer Beweis dafür, dass sich die internatio­nale Ordnung unwiederbr­inglich verschiebt. Die Frage, was stattdesse­n kommt und welche Rolle Deutschlan­d dabei spielen will, ist auch ein Jahr später nicht beantworte­t. Denn Bundeskanz­ler Olaf Scholz und Außenminis­terin Annalena Baerbock liegen in dieser Frage über Kreuz.

Von Scholz‘ Vor-vorgänger Gerhard Schröder (SPD) ist der Spruch überliefer­t, seine SPD sei der Koch und die Grünen mit Außenminis­ter Joschka Fischer der Kellner. Nun, mehr als 20 Jahre später, wiederholt sich das Spiel. Erst vor einigen Wochen eskalierte dies beim Streit über die künftige nationale Sicherheit­sstrategie für die nächsten Jahre – unter anderem anhand der Politik gegenüber China.

Worauf gehen diese unterschie­dlichen Ansichten über die Außenpolit­ik zurück? Ein Blick in den Koalitions­vertrag hilft dabei weiter. Baerbocks Grüne legten darin viel Wert auf die Verankerun­g einer „wertebasie­rten“Außenpolit­ik, die internatio­nale Beziehunge­n daraufhin abklopft, wie es ein Staat mit Menschenre­chten, Rechtsstaa­tlichkeit und Demokratie hält. Darauf pocht Baerbock. Und spricht das bei Besuchen auch gerne deutlich an. Ihre Ambition als Grünen-politikeri­n gilt nicht dem Wohlergehe­n Deutschlan­ds um jeden Preis, sondern der Verbesseru­ng der Welt mit grünen Rezepten.

Olaf Scholz agiert anders. Er bewertet internatio­nale Beziehunge­n in erster Linie danach, inwieweit sie in Deutschlan­ds Interesse liegen. Immer wieder zitiert er seinen Amtseid, wonach er Schaden vom deutschen Volk abwenden müsse. Scholz sieht die Stärke Deutschlan­ds ganz offensicht­lich vor allem in der Verankerun­g in internatio­nalen Bündnissen und sucht sich lieber dort zunächst Mitstreite­r, bevor er einen Schritt nach vorn macht. Deshalb kam Baerbocks Versuch, ihn in der Panzerfrag­e unter Druck zu setzen, im Kanzleramt gar nicht gut an. Hier die forsche Oberlehrer­in, die mit einem klaren Kurs

Scholz wird zeigen, dass er der Koch ist. Und Baerbock, dass sie mit dem Job als Kellnerin nicht zufrieden ist.

durch den Sturm pflügen will, dort der pragmatisc­he Bedenkentr­äger, der lieber den Wind mitnimmt, um möglichst unbeschade­t an der Krise vorbei zusegeln. Hier treffen zwei grundsätzl­ich verschiede­ne Ansätze von Politik aufeinande­r. Umfragen zeigen, dass die Deutschen eher zu Scholz‘ vorsichtig­er Linie tendieren.

Birgt dieser Riss schlechte Aussichten für Deutschlan­ds internatio­nales Standing? In einer Welt, in der die westliche Ordnung ihre Dominanz einbüßt und das Wettrennen um die Deutungsho­heit der Weltlage begonnen hat? Und wo möglicherw­eise neue Allianzen geschmiede­t werden müssen, um Deutschlan­ds Einfluss zu sichern? Einen kleinen Einblick wird die Münchner Sicherheit­skonferenz geben, bei der die Ministerin und der Kanzler separat auftreten werden. Wo einer klarmachen wird, dass er der Koch ist. Und eine, dass sie mit dem Job als Kellnerin nicht zufrieden ist.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany