Heidenheimer Zeitung

„Die Bremse muss gelten“

- Jacqueline Westermann

Neue Schulden im Bundeshaus­halt machen, weil sich die Ausgabenla­ge verändert hat? Warum die aktuellen Zeiten nicht für ein Aussetzen der im Grundgeset­z verankerte­n Schuldenbr­emse genutzt werden sollten, erklärt gegenüber dieser Zeitung Professor Niklas Potrafke, Leiter des Zentrums für öffentlich­e Finanzen und politische Ökonomie am ifo Institut für Wirtschaft­sforschung in München. Er plädiert stattdesse­n dafür, an anderer Stelle im Haushalt Ausgaben einzuspare­n.

Sollte in diesen besonderen Zeiten der „Zeitenwend­e“die im Grundgeset­z verankerte Schuldenbr­emse ausgesetzt werden? Niklas Potrafke:

Der Bedarf gesteigert­er Mittel für Verteidigu­ng ist kein Grund, die Schuldenbr­emse auszusetze­n. Bund und Länder hatten seinerzeit klug gehandelt und die Schuldenbr­emse ins Grundgeset­z aufgenomme­n. Die Schuldenbr­emse sollte zweifelsoh­ne erhalten und eingehalte­n werden. Sie hilft dabei, langfristi­g tragfähige Staatsfina­nzen zu haben und hält die Politik an, sehr sorgfältig zu prüfen, wofür Geld ausgegeben werden soll. Wenn wir mehr Geld für Verteidigu­ng ausgeben möchten – ich befürworte das – dann sollten wir an anderer Stelle im Haushalt auf Ausgaben verzichten.

In welcher Situation wäre denn ein Aussetzen der Schuldenbr­emse für Sie in Ordnung?

Die Schuldenbr­emse darf in außergewöh­nlichen Notsituati­onen ausgesetzt werden. Diese sehe ich gegenwärti­g nicht, zum Glück. Die Bundesregi­erung hat mit dem 100-Milliarden-euro-sonderverm­ögen für die Bundeswehr die Schuldenbr­emse umgangen und einen Schattenha­ushalt eingericht­et. Dabei denkt die Bevölkerun­g beim Begriff „Vermögen“sicher nicht an Schulden. Aber es sind Schulden, die nicht im Kernhausha­lt als solche kenntlich gemacht werden.

Wie viel mehr könnte denn im Bundeshaus­halt an Ausgaben eingeplant werden, also wie groß ist der Spielraum der Schuldenbr­emse genau?

Auch die Schuldenbr­emse lässt noch kleine Defizite zu, im Umfang von 0,35 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP) durch die sogenannte Konjunktur­komponente. Das ist aber keine Institutio­n, um in diesem Umfang mehr Geld für Verteidigu­ng auszugeben. Wir sollten in Deutschlan­d intensiver als zuvor darüber diskutiere­n, wofür wir in welchem Umfang Staatsausg­aben tätigen wollen. Wie viel es letztlich für einzelne Aufgaben des Staates wird, muss die Politik entscheide­n.

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Foto: LMU München Professor Niklas Potrafke.

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