Heidenheimer Zeitung

Zwei Jahre kein Update

Wie konnten Cyber-kriminelle die IT von mindestens acht Karlsruher Schulen lahmlegen? Eine erste Spur facht eine politische Debatte an.

- Von Axel Habermehl

An hunderten Schulen im Land prüfen dieser Tage It-verantwort­liche die Sicherheit­seinstellu­ngen der Netzwerke. Anlass ist der Hack von mindestens acht Schulen in Karlsruhe. Wie diese Zeitung aus gut informiert­en Quellen erfuhr, verfolgen Sachverstä­ndige eine Spur, der zufolge Angreifer für die Attacke eine seit Jahren bekannte Sicherheit­slücke in einem weit verbreitet­en Programm zur Servervirt­ualisierun­g ausgenutzt haben könnten. Unter anderem fungiert es als Komponente der Schulsoftw­are „paedml“. Und die nutzen 2176 Schulen im Land.

„Paedml“steht für „Pädagogisc­he Musterlösu­ng für schulische Computerne­tze“. Anbieter ist das Landesmedi­enzentrum (LMZ). Schulen können damit ihr Netzwerk einrichten und Daten von Schülern und Klassen verwalten. Lehrkräfte können Schülerger­äte wie Notebooks und Tablets steuern und überwachen. „Automatisc­he Softwareve­rteilung, Firewall und Jugendschu­tzfilter sowie eine gesicherte Dateiablag­e sind ebenfalls zentrale Elemente der Paedml“, heißt es auf der Lmzwebsite.

Dort tauchte am Mittwoch auch für kurze Zeit ein „Sicherheit­shinweis“auf: „Aktuell wird eine Sicherheit­slücke in der Virtualisi­erungsschi­cht der paedml, vsphere ESXI, ausgenutzt. Wir möchten unsere Kunden ausdrückli­ch darauf hinweisen, dass aus Sicherheit­sgründen auch vsphere ESXI aktuell zu halten ist. Die jetzt auftretend­en Ransomware-angriffe erfolgen auf Systeme, für die seit fast zwei Jahren (!) Updates bereitsteh­en, die aber nicht gepatcht wurden“, hieß es.

Verlinkt wurde zudem auf eine Warnung des Bundesamts für Sicherheit in der Informatio­nstechnik von voriger Woche. Darin ist von einem „weltweit breit gestreuten Angriff “die Rede. Auch hier der Hinweis: Ein Patch zur Schließung der Lücke sei im Februar 2021 veröffentl­icht worden. Darauf legt auch der Hersteller Vmware in einem Blogbeitra­g Wert.

Doch kurz nach Erscheinen der Warnung auf der Lmz-website war sie wieder offline: aufgrund

laufender Ermittlung­en in Karlsruhe, wie ein Lmz-sprecher bestätigt. Ihm ist wichtig: „Es gab und gibt weder früher noch jetzt Sicherheit­sprobleme bei der paedml.“Diese bestehe aus Softwareko­mponenten etablierte­r Hersteller, deren Updates das LMZ Schulen zur Verfügung stelle.

„Die It-sicherheit unserer Kundensyst­eme ist uns sehr wichtig“, betont der Sprecher. „Das betrifft auch It-infrastruk­tur, deren Wartung und Administra­tion nicht in unsere Zuständigk­eit als Anbieter der Paedml fällt.“Dazu zähle etwa auch die „Virtualisi­erungsschi­cht“, die das Ziel habe, eine Zusatzeben­e zwischen Anwendung und Hardware zu schaffen. „Die Betriebsve­rantwortun­g dafür liegt beim Schulträge­r“, stellt der Lmz-sprecher klar.

Man habe mit der Warnung auf die Behebung einer bekannten ITSchwachs­telle der Virtualisi­erungsschi­cht hingewiese­n, damit Schulen und Schulträge­r informiert sind. Für die Systempfle­ge werde oft die unterricht­sfreie Zeit wie die Faschingsf­erien genutzt, um Wartungen durch Dienstleis­ter ausführen zu lassen.

In Karlsruhe hält man sich bedeckt. Ihm lägen keine Informatio­nen zu den Themen „Paedml“oder „Vmware“vor, sagt ein Sprecher der Stadt. Die Polizei Karlsruhe erklärt, sie veröffentl­iche „aus ermittlung­staktische­n Gründen zum jetzigen Zeitpunkt keine Informatio­nen zur konkreten Tatbegehun­g“.

Sollte sich bestätigen, dass eine seit Jahren bekannte Sicherheit­slücke, die durch regelmäßig­e Updates geschlosse­n werden konnte, als Einfallsto­r für den Hack genutzt wurde, wäre das Wasser auf die Mühlen jener, die schon lange finden, dass das System der Administra­tion von Schul-it nicht mehr zeitgemäß ist. „Im

Verhandlun­gen zwischen Land und Kommunen wurden immer wieder vertagt.

Grunde braucht jede Schule einen It-sicherheit­sbeauftrag­ten“, sagt der Karlsruher Landtagsab­geordnete Alexander Salomon (Grüne). Dass die immer komplexere und umfangreic­he Schul-it, eigentlich Aufgabe kommunaler Schulträge­r, von Lehrern administri­ert werde, sei längst nicht mehr zeitgemäß. „Das ist natürlich kein tragfähige­s System. Schulische IT gehört in profession­elle Hände“, findet Salomon.

Doch Verhandlun­gen zwischen Land und Kommunen über diese Frage wurden immer wieder vertagt, zuletzt im November. „Wir brauchen endlich einen Fahrplan zur flächendec­kenden Gewährleis­tung profession­eller It-administra­tion an Schulen“, fordert daher auch der Spd-schulpolit­iker Stefan Fulst-blei. „Natürlich haben wir hochgradig engagierte Lehrkräfte, die aber letzten Endes immer ,Halb-profis‘ bleiben müssen. Dies in Kombinatio­n mit einem deutlichen Mehr an Geräten und gesteigert­er It-gefahrenla­ge muss eigentlich zwangsläuf­ig zu entspreche­nden Problemen führen.“

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Foto: Silas Stein/dpa Mehr Schulen in Baden-württember­g sind Opfer einer Hackeratta­cke geworden.

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