Hinter Gitter wegen Bagatelldelikt?
Ein verurteilter früherer Bandenchef und Drogenhändler fährt kurz nach seiner Haftentlassung mit abgelaufenem Führerschein. Die Frage am Amstgericht: Muss er zurück ins Gefängnis?
Kein Jahr nach seiner Haftentlassung muss ein 34-jähriger polizeibekannter Heidenheimer fürchten, erneut zu einer Gefängnisstrafe verurteilt zu werden. Der Vorfall, wegen dem er am Amtsgericht Heidenheim angeklagt war, ist zwar gemessen an seinen zuvor geahndeten Taten wie Drogenhandel und Falschgeldgeschäften, gefährliche Körperverletzung, Bedrohung und Nötigung ein weniger schwerwiegendes Delikt. Aber gerade aufgrund der Vorstrafen und weil die Bewährungszeit noch läuft, musste er fürchten, dass ein Urteil ihn erneut hinter Gitter führen könnte.und
das wollte der Angeklagte auf jeden Fall vermeiden: Er sei stolz, versicherte er vor Gericht, dass er erstmals seit seiner Haftentlassung angefangen habe, wieder Fuß zu fassen und sich einzugliedern. Er habe im Januar dieses Jahres ein Gewerbe angemeldet und bereite nun Fahrzeuge auf. Er wolle die Gerichtskosten, eine mittlere fünfstellige Summe, die durch vorherige Verhandlungen offensteht, in Raten zurückzahlen.
Die erste Polizeikontrolle
Was war geschehen? Der Mann war bei einer Routinekontrolle im April vorigen Jahres erwischt worden, als er mit abgelaufenem tschechischen Führerschein am Steuer seines schwarzen Mercedes saß auf dem Weg ins Fitnessstudio. Doch damit nicht genug: Bei einer weiteren Kontrolle im Juni fiel Polizisten abermals der schwarze Mercedes ins Auge, in dem sie den Angeklagten erkannten. Wie die Polizisten vor Gericht erzählten, seien sie ihm nachgefahren, doch der Mercedes war schon über alle Berge. Im August fiel einem Polizisten, als er privat unterwegs war, erneut der 34-Jährige auf, wie er mit quietschenden Reifen auf den Nettoparkplatz an der Giengener Straße abbog und einparkte. Der Führerschein, so hatten es die Polizisten
später geprüft, war noch immer abgelaufen.
Verwechslung mit Brüdern?
Der Angeklagte beschrieb die erste Kontrolle sehr ausführlich. Weil er erst kurz zuvor aus der Haft entlassen worden sei, sei er noch nicht dazu gekommen, den Führerschein verlängern zu lassen. Die beiden anderen Male jedoch bestritt er, der Fahrer gewesen zu sein, und verwies auf seine
Brüder. „Wir sehen alle gleich aus“, sagte er und nannte den schwarzen Bart und die Haare. Warum er es außerdem nicht gewesen sein kann: „Wenn die (Polizisten) mich sehen würden, würden sie mich sofort anhalten, das weiß ich ja.“Die als Zeugen geladenen Polizisten beteuerten jedoch, dass sie den Angeklagten eindeutig erkennen und ihn von den Brüdern unterscheiden könnten. „Er ist mir bekannt durch seine
Vorgeschichte bei den United Tribuns, klar erkenne ich ihn und weiß auch, wie seine Brüder aussehen“, sagte ein Polizeioberkommissar.
Verteidiger fordert Freispruch
Der Verteidiger des Angeklagten, Uwe Böhm, schlug eine völlig andere Strategie ein, mit der er einen Freispruch einforderte. „Was ist der Vorwurf, dass das Dokument ungültig war oder das Recht zum Führen eines Fahrzeugs nicht vorhanden war?“Dass der Führerschein abgelaufen gewesen sei, sei ein formaler Akt. „Wir sprechen über einen tschechischen Führerschein, der nach wie vor als gültig anerkannt wird.“Anwalt Böhm verwies zudem auf den Bußgeldkatalog, der besagt, wer mit abgelaufenem Dokument fahre, erhalte ein Verwarnungsgeld von 10 Euro.
Richter Dr. Christoph Edler kam jedoch zu einer anderen rechtlichen Auslegung: Mit einer gültigen Eu-fahrerlaubnis dürfe man europaweit fahren. Der Führerschein sei jedoch ungültig, wenn er abgelaufen ist. Wäre der Angeklagte nur einmal erwischt worden und nach der ersten Kontrolle nicht wieder gefahren, dann könne man rechtlich von Fahrlässigkeit ausgehen. Weil er zwei weitere Male gesehen wurde am Steuer, sei es bedingter Vorsatz. Daran ändere auch nichts, dass die Polizei nach der Kontrolle dem Angeklagten den Führerschein wieder zurückgegeben habe.
Mit oder ohne Bewährung?
Nun also wieder zurück ins Gefängnis wegen eines abgelaufenen Führerscheins? Die Staatsanwaltschaft sah das so und forderte eine Haftstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung. „Wir haben enorme Vorstrafen und mehrfachen Bewährungsbruch“, sagte Richter Edler. Aber bei Bagatelldelikten wie diesem sei eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung nicht verhältnismäßig. Deshalb sprach Edler den Angeklagten zwar schuldig, verhängte eine sechsmonatige Freiheitsstrafe, die er aber zur Bewährung aussetzte. Die Bewährungszeit beträgt drei Jahre. Zudem darf der Angeklagte drei Monate lang kein Fahrzeug führen, auch wenn er mittlerweile die Verlängerung des Führerscheins in die Wege geleitet und beim Landratsamt Heidenheim den Umtausch in einen deutschen Führerschein beantragt hat.