Konkurrenz auf dem Acker
Ukraine-krise und Klimaziele beflügeln den Solarausbau. Auch auf den Äckern. Unumstritten sind Photovoltaik-freiflächenanlagen aber nicht. Landwirte in der Region sind besorgt.
Photovoltaikanlagen auf dem Acker sollen helfen, die Klimaschutzziele zu erreichen und Deutschland unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu machen. Allerdings bringt das Probleme für die Landwirtschaft mit sich. Grund für die Sorgen sind europaweit agierende Firmen, die mit viel Geld Ackerflächen pachten wollen, um dort Freiflächen-photovoltaikanlagen zu errichten. Landwirte fürchten einen erheblichen Landentzug, denn die Pachtpreise explodieren angesichts der gut zahlenden Konkurrenz aus dem Energiesektor. Und der Preisunterschied ist eklatant: Angebote von Investoren von 4000 Euro pro Hektar und Jahr sind kein Einzelfall. Zum Vergleich: Landwirte zahlen in der Region 200 bis 500 Euro pro Jahr und Hektar. So war es auch jüngst in der Sitzung des Regionalverbands Ostwürttemberg zu hören, in der sich mehrere Mitglieder darüber besorgt zeigten.
Flächen sind schon jetzt knapp
„Man muss wissen, dass etwa 70 Prozent der Fläche, die wir Landwirte bewirtschaften, gepachtet ist und uns nicht gehört“,
erklärt Hubert Kucher, Vorsitzender des Bauernverbands Ostalbheidenheim. „Wenn die Grundstücksbesitzer jetzt die Möglichkeit haben, einen wesentlich höheren Preis zu erzielen, dann kommen wir nicht mehr zum Zug. Die Entwicklung ist noch am Anfang, aber das kann für Betriebe existenzgefährdend werden.“Und dabei herrsche ohnehin schon Flächenknappheit. „In Baden-württemberg werden jeden Tag sechs Hektar Land versiegelt für Straßen, Wohnbebauung oder Gewerbegebiete.“
Schließlich und endlich gehe es bei der Verknappung der Flächen auch um das Thema Ernährungssicherheit. „Ich hätte starke Bauchschmerzen, wenn wir uns über kurz oder lang vom Ausland abhängig machen, was Nahrungsmittel anbelangt“, so Kucher. „Zu welchen Problemen das führen kann, sehen wir bei der Energie.
Ich möchte nicht von Menschen wie Putin abhängig sein, wenn es darum geht, ob ich etwas zu essen habe oder nicht.“Ein Volk sollte in der Lage sein, sich so gut wie möglich selbst mit Nahrung zu versorgen.
Hallendächer und Parkplätze
Kucher ist nicht grundsätzlich gegen Photovoltaikanlagen auf Freiflächen. „Wenn ein Landwirt dafür eine optimale Fläche hat und er mit einem weiteren Betriebszweig seine Existenz sichern kann, dann hat das natürlich seine Berechtigung.“Aber vorrangig sieht Kucher die Industrie in der Pflicht. „Solange wir noch so viele freie Dachflächen auf den riesigen Hallen in Gewerbegebieten haben, solange es Parkplätze gibt, die nicht mit PV überbaut sind, solange sollten wir nicht auf eine Freifläche gehen.“Als Argument dagegen werde vonseiten
der Industrie immer die Statik angebracht. „Aber man kann so eine Anlage auch an der Seite eines Gebäudes anbringen“, so Kucher. „Es ist doch sinnvoll, Energie dort zu erzeugen, wo sie gebraucht wird.“So müssten auch keine Leitungen gelegt werden. „Wenn man zu lange Leitungen graben muss, wird es unwirtschaftlich. Das heißt, dass ohnehin nur bestimmte Standorte, etwa in der Nähe von Trafostationen, infrage kommen.“
Für Kucher ist klar, dass in Zukunft anders gebaut werden sollte. „Wenn die Flächen immer knapper werden, kann es doch nicht sein, dass man einen Lebensmittelmarkt baut und daneben einen Parkplatz, der drei Mal so groß ist wie die Verkaufsfläche. Der Parkplatz muss unter den Laden, auf den Laden müssen Büros und Wohnungen und auf das Dach gehört eine Pv-anlage.“
Als Lösung für die Zukunft wird auch immer öfter die Agriphotovoltaik gehandelt. Darunter versteht man eine doppelte Nutzung der landwirtschaftlichen Fläche zum einen zum Anbau von Feldfrüchten, zum anderen zur Stromproduktion. Dabei müssten die Photovoltaikanlagen so hoch installiert werden, dass landwirtschaftliche Fahrzeuge unter ihnen hindurchfahren können.
„Das mag für Landwirte, die Wein, Obst oder Beeren anbauen, eine gute Möglichkeit sein“, so Kucher. „Aber beim reinen Ackerbau bin ich nicht überzeugt.“Zum einen würde der Ertrag leiden. „Die Sonne geht dann ja nicht mehr in die Pflanze, sondern wird von der Pv-anlage abgefangen. Zum anderen haben wir vor allem auf der Ostalb kleine Flächen, wenn man die auch noch mit Geräten zustellt, wird das Arbeiten schwierig.“
Ich möchte nicht von Menschen wie Putin abhängig sein, wenn es darum geht, ob ich etwas zu essen habe oder nicht.“Hubert Kucher, Bauernverband