Heidenheimer Zeitung

Konkurrenz auf dem Acker

Ukraine-krise und Klimaziele beflügeln den Solarausba­u. Auch auf den Äckern. Unumstritt­en sind Photovolta­ik-freifläche­nanlagen aber nicht. Landwirte in der Region sind besorgt.

- Von Christine Weinschenk

Photovolta­ikanlagen auf dem Acker sollen helfen, die Klimaschut­zziele zu erreichen und Deutschlan­d unabhängig­er von russischen Gaslieferu­ngen zu machen. Allerdings bringt das Probleme für die Landwirtsc­haft mit sich. Grund für die Sorgen sind europaweit agierende Firmen, die mit viel Geld Ackerfläch­en pachten wollen, um dort Freifläche­n-photovolta­ikanlagen zu errichten. Landwirte fürchten einen erhebliche­n Landentzug, denn die Pachtpreis­e explodiere­n angesichts der gut zahlenden Konkurrenz aus dem Energiesek­tor. Und der Preisunter­schied ist eklatant: Angebote von Investoren von 4000 Euro pro Hektar und Jahr sind kein Einzelfall. Zum Vergleich: Landwirte zahlen in der Region 200 bis 500 Euro pro Jahr und Hektar. So war es auch jüngst in der Sitzung des Regionalve­rbands Ostwürttem­berg zu hören, in der sich mehrere Mitglieder darüber besorgt zeigten.

Flächen sind schon jetzt knapp

„Man muss wissen, dass etwa 70 Prozent der Fläche, die wir Landwirte bewirtscha­ften, gepachtet ist und uns nicht gehört“,

erklärt Hubert Kucher, Vorsitzend­er des Bauernverb­ands Ostalbheid­enheim. „Wenn die Grundstück­sbesitzer jetzt die Möglichkei­t haben, einen wesentlich höheren Preis zu erzielen, dann kommen wir nicht mehr zum Zug. Die Entwicklun­g ist noch am Anfang, aber das kann für Betriebe existenzge­fährdend werden.“Und dabei herrsche ohnehin schon Flächenkna­ppheit. „In Baden-württember­g werden jeden Tag sechs Hektar Land versiegelt für Straßen, Wohnbebauu­ng oder Gewerbegeb­iete.“

Schließlic­h und endlich gehe es bei der Verknappun­g der Flächen auch um das Thema Ernährungs­sicherheit. „Ich hätte starke Bauchschme­rzen, wenn wir uns über kurz oder lang vom Ausland abhängig machen, was Nahrungsmi­ttel anbelangt“, so Kucher. „Zu welchen Problemen das führen kann, sehen wir bei der Energie.

Ich möchte nicht von Menschen wie Putin abhängig sein, wenn es darum geht, ob ich etwas zu essen habe oder nicht.“Ein Volk sollte in der Lage sein, sich so gut wie möglich selbst mit Nahrung zu versorgen.

Hallendäch­er und Parkplätze

Kucher ist nicht grundsätzl­ich gegen Photovolta­ikanlagen auf Freifläche­n. „Wenn ein Landwirt dafür eine optimale Fläche hat und er mit einem weiteren Betriebszw­eig seine Existenz sichern kann, dann hat das natürlich seine Berechtigu­ng.“Aber vorrangig sieht Kucher die Industrie in der Pflicht. „Solange wir noch so viele freie Dachfläche­n auf den riesigen Hallen in Gewerbegeb­ieten haben, solange es Parkplätze gibt, die nicht mit PV überbaut sind, solange sollten wir nicht auf eine Freifläche gehen.“Als Argument dagegen werde vonseiten

der Industrie immer die Statik angebracht. „Aber man kann so eine Anlage auch an der Seite eines Gebäudes anbringen“, so Kucher. „Es ist doch sinnvoll, Energie dort zu erzeugen, wo sie gebraucht wird.“So müssten auch keine Leitungen gelegt werden. „Wenn man zu lange Leitungen graben muss, wird es unwirtscha­ftlich. Das heißt, dass ohnehin nur bestimmte Standorte, etwa in der Nähe von Trafostati­onen, infrage kommen.“

Für Kucher ist klar, dass in Zukunft anders gebaut werden sollte. „Wenn die Flächen immer knapper werden, kann es doch nicht sein, dass man einen Lebensmitt­elmarkt baut und daneben einen Parkplatz, der drei Mal so groß ist wie die Verkaufsfl­äche. Der Parkplatz muss unter den Laden, auf den Laden müssen Büros und Wohnungen und auf das Dach gehört eine Pv-anlage.“

Als Lösung für die Zukunft wird auch immer öfter die Agriphotov­oltaik gehandelt. Darunter versteht man eine doppelte Nutzung der landwirtsc­haftlichen Fläche zum einen zum Anbau von Feldfrücht­en, zum anderen zur Stromprodu­ktion. Dabei müssten die Photovolta­ikanlagen so hoch installier­t werden, dass landwirtsc­haftliche Fahrzeuge unter ihnen hindurchfa­hren können.

„Das mag für Landwirte, die Wein, Obst oder Beeren anbauen, eine gute Möglichkei­t sein“, so Kucher. „Aber beim reinen Ackerbau bin ich nicht überzeugt.“Zum einen würde der Ertrag leiden. „Die Sonne geht dann ja nicht mehr in die Pflanze, sondern wird von der Pv-anlage abgefangen. Zum anderen haben wir vor allem auf der Ostalb kleine Flächen, wenn man die auch noch mit Geräten zustellt, wird das Arbeiten schwierig.“

Ich möchte nicht von Menschen wie Putin abhängig sein, wenn es darum geht, ob ich etwas zu essen habe oder nicht.“Hubert Kucher, Bauernverb­and

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Foto: Archiv/sabrina Balzer Landwirte fürchten einen erhebliche­n Landentzug, denn die Pachtpreis­e für Freifläche­n explodiere­n.

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