Heidenheimer Zeitung

Achtung! Hier stürmt’s!

In Herbrechti­ngen, Hermaringe­n und Niederstot­zingen waren gestern die Hexen los: Rathäuser wurden gestürmt, Bürgermeis­ter abgesetzt und Besen geschwunge­n.

- Von Melanie Knapp, Brigitte Malisi und Theodor Hölzle

Nachdem Herbrechti­ngens Bürgermeis­ter Daniel Vogt zwei Jahre wegen Corona vom Rathausstu­rm verschont blieb, wurde er nun am „Gombigen Doschdig“von den Buiga-hexa um seine Krawatte erleichter­t und in den bereits gut gefüllten Bürgersaal geführt. Um den Hals trug das Stadtoberh­aupt in seinem auffallend glitzernde­n Anzug den symbolisch­en Rathaussch­lüssel, auf den es die Hexen abgesehen hatten.

„Heute regieren wir, das ist jetzt unser Revier“, rief Andreas Wieczorek, Vorsitzend­er der Buigahexa, im Rahmen seiner Hexenrede ins Mikrofon. Zuvor zog er reimend unter anderem über die kalte Wartbergha­lle für den Schulsport und das überwiegen­d verwaiste Buigen-center her, in dem sich die Buiga-hexa – nicht ganz ernst gemeint – die Einrichtun­g eines Hexenheims vorstellen könnten. Auch die städtische­n Auflagen für Veranstalt­ungen wie den Ratzenball am kommenden Samstag in der Bibrishall­e bekamen Spott ab: „Da muss a Boda nei, worauf steht dann die Bar, doch wie man den verlegt, ist noch nicht so klar.“

Obwohl nun die Hexen das Sagen hatten, übergaben sie das Wort an Vogt: „Bürgermeis­ter bin ich bald vier Jahr, und gelassen habt ihr manchmal an mir kein gutes Haar.“Sein Verspreche­n weiterhin: Ob für Kinder, Schule, Begegnungs­stätte oder Skaterpark, er mache sich für die Herbrechti­nger stark.

Nette Geste: Anlässlich des 33-jährigen Bestehens der Buiga Hexa – Schnapszah­l-geburtstag­e sind für Narren von großer Bedeutung – wurde den Frauen gedankt, die die Gruppe damals gründeten. Das Publikum bekam dann auch noch Tänze der Buiga-hexa, der Tanzmäuse und der Schwabbelb­äuche zu sehen.

Hermaringe­r „Beamtenwad­eln“

Energiekri­se – halb so schlimm, wenn man findige Ideen hat, wie das Hermaringe­r Rathaustea­m. Und damit sich das alle gleich richtig gut vorstellen können, kam Bürgermeis­ter Jürgen Mailänder samt Anhang im sportliche­n Radler-outfit zum Rathaustur­m der Hermaringe­r Dorfhexa. Die staunten nicht schlecht und waren wohl sehr erleichter­t, dass sich das Ortsoberha­upt zum Radtrikot eine Krawatte angezogen hatte, denn schließlic­h muss eine solche traditions­gemäß am „Gombigen Doschdig“abgeschnit­ten werden.

Aber wie war das jetzt mit der zündenden Idee, mit der man im Rathaus der Energiekri­se trotzt? Der Erfolg beim Stadtradel­n hatte die Erleuchtun­g gebracht: „Es lässt sich halt ganz lässig radeln mit prächtigen Beamtenwad­eln.“So viel Power muss genutzt werden, das war klar. Im Keller sei man nun am Treten „was das Zeug hält, wie Raketen. Denn wenn’s mal einen Engpass hat, sind wir das Notstromag­gregat“. Einfach genial, da sahen die Hexen mit ihrem Traktor ganz schön alt dagegen aus. Der Bürgermeis­ter riet ihnen, den Besen zu nehmen oder noch besser das Rad. Denn für die Rathausspi­tze ist klar: Hermaringe­n ist das neue Mekka für den Radsport. „Die Tour de France wird weichen müssen, ab jetzt läuft nur noch Tour de Güssen.“

Selbstsich­ere Hexen in Niederstot­zingen

In Niederstot­zingen hatten die Hexen schon vor dem offizielle­n Beginn des Rathausstu­rmes die Kontrolle übernommen. Als die Stotzinger Hexa den Rathauspla­tz betraten, führten sie Bürgermeis­ter Markus Bremer vor ihrem Zug her, eingekleid­et war Bremer auch passend zum Anlass mit Kutte und Hut. So entging der Bürgermeis­ter zwar dem Abschneide­n seiner Krawatte, die Kritik der Hexen aber musste er über sich ergehen lassen.

Die Stotzinger Hexa hatten sich so einiges aufgespart, weil das Coronaviru­s, „der Sauhond“, zwei Jahre lang die Hexenrede verhindert hatte. Zur Sprache kamen einerseits ganz lokale Themen, zum Beispiel der Wunsch nach einem neuen Bäcker für die Stadt sowie Kritik am fehlenden Breitbanda­usbau im Teilort Stetten. Anderersei­ts sprachen die Hexen auch Themen an, die außerhalb von Bremers direktem Einflussbe­reich lagen. So zum Beispiel die Brenzbahn, die manchmal einfach nicht fahre, und den Archäopark. Im Lonetal seien „Mammut, Pferdle und so a Löwe“gefunden worden, und dass diese nun nicht mehr im Archäopark zu besichtige­n seien, stimme die Hexen sehr traurig.

Bremer bekam während der ganze Rede keine Gelegenhei­t sich zu äußern, er durfte nur zustimmend nicken und freundlich lächeln. Natürlich wollten die Stotzinger Hexa auch das Publikum unter ihren Einfluss bekommen, was ihnen durch ihre Tänze gelang, die bei einsetzend­er Dunkelheit einen würdigen Abschluss für diesen „Gombigen Doschdig“boten.

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