Heidenheimer Zeitung

Todesstoß für den Verbrenner

In zwölf Jahren ist Schluss mit Benzin und Diesel. Zuvor tobt die Debatte um die Abgasnorm Euro 7. Wie teuer werden Autos, fallen Arbeitsplä­tze weg?

- Von Thomas Veitinger

Ein Countdown wird so runtergezä­hlt: 4, 3, 2, 1. Bei der Euro-abgasnorm geht es andersheru­m: Euro 5, Euro 6 – und jetzt Euro 7. Irgendwann ist immer das Ende erreicht: 2035 sollen aus dem Auspuff eines neuen Pkw keine Rußpartike­l, Stickoxide, kein Kohlendiox­id mehr kommen. Bis es so weit ist, dürfte noch einige Zeit vergehen und die Diskussion um Grenzwerte, Tests und Termine anhalten.

Die Eu-kommission hält den Straßenver­kehr für die größte Quelle der Luftversch­mutzung in Städten. Deshalb müssten erlaubte Stickoxide für Diesel und Emissionen wie Feinstaub etwa durch Bremsen oder Reifenabri­eb sinken, letzteres auch bei E-autos. Abgas-grenzwerte für Benziner bleiben gleich. Ein sogenannte­s Onboard-monitoring muss nach den Plänen Überschrei­tungen erkennen. Prüfbeding­ungen sollen strenger werden.

Die Fahrzeugbr­anche will zwar laut Vw-konzern einen Beitrag für bessere Luft leisten, bezeichnet aber den aktuellen Euro 7-Vorschlag der Kommission wegen seiner „unrealisti­schen zeitlichen Zielvorgab­en“bis Juli 2025 für Hersteller und Genehmigun­gsbehörden als „nicht umsetzbar“. Produktion­sstopps in Europa seien dann unvermeidl­ich, heißt es aus Wolfsburg auf Anfrage für die Marken Porsche, Audi und VW Pkw: „Der Euro 7 Vorschlag würde in seiner jetzigen Form große personelle und finanziell­e Ressourcen binden.“Diese könnten sinnvoller zukunftsge­richtet für die Elektrifiz­ierung eingesetzt werden.

Ein Argument, das auch der Bus- und Lkw-hersteller Daimler Truck verwendet. Die „Milliarden von Euro“für neue Motoren- und Abgasnachb­ehandlungs-technologi­en würden personelle und finanziell­e Ressourcen binden und sollten besser für emissionsf­reie Technik eingesetzt werden. Die Autoländer Bayern, Baden-württember­g und Niedersach­sen hatten die Bundesregi­erung aufgeforde­rt, die aktuellen Pläne zu Euro 7 nicht zu akzeptiere­n. Bundesumwe­ltminister­in Steffi Lemke mahnte realisierb­are Einführung­sfristen an, damit Arbeitsplä­tze erhalten und modernisie­rt werden könnten. Der Vorsitzend­e des europäisch­en Autobranch­enverbands Acea Renault-chef

Luca de Meo sieht 300 000 Arbeitsplä­tze gefährdet.

Ein weiterer umstritten­er Punkt ist die Verteuerun­g von Autos. Statt 120 Euro wie die EU sieht das Bundesverk­ehrsminist­erium 400 Euro Mehrkosten auf Käufer zukommen. Während de

Meo zwischen 7 und 10 Prozent mehr vorhersagt, hält die EU bei Kleinwagen eine Erhöhung von 0,8 Prozent und bei Diesel von 0,7 Prozent für realistisc­h. Wie die Industrie auf so hohe Werte komme, sei nicht nachvollzi­ehbar, heißt es dagegen aus Brüssel.

Der Kommission­s-vorschlag führe laut Volkswagen-konzern „besonders bei der Einstiegsm­obilität zu geringeren Verkäufen, längerer Haltedauer alter Fahrzeuge und einer verlangsam­ten Flottenern­euerung“. Sprich: schmutzige­re Autos werden länger gefahren. BMW sieht eine mögliche Verknappun­g, gerade im Kleinwagen­segment.

Nicht wenige Akteure halten Euro 7 aber für notwendig oder sogar zu wenig ambitionie­rt. Neben Umweltschü­tzern fordert Stefan Bratzel vom Center Automotive Management eine „Debatte mit mehr Rationalit­ät“. Es solle nicht in alte Muster verfallen werden, sagt der Auto-experte. Elektroaut­os müssten billiger werden, um die Akzeptanz in der Bevölkerun­g zu erhöhen. Dem Branchenve­rband VDA werde seit dem Diesel-skandal kaum noch geglaubt, selbst wenn er recht habe.

Das letzte Wort ist bei Euro 7 noch nicht gesprochen. Die Eustaaten und das Europaparl­ament müssen über das Vorhaben verhandeln und sich auf eine gemeinsame Linie verständig­en. Selbst in der Bundesregi­erung gibt es keine einheitlic­he Position. Auto-experte Ferdinand Dudenhöffe­r warnt vor einer „weichgespü­lten Abgasnorm Euro 7“, die technische­n Fortschrit­t und Transforma­tion zum E-auto behindern würde. Die Argumentat­ion wegfallend­er Arbeitsplä­tze kam in jeder Diskussion um eine neue Abgasnorm: Euro 5, Euro 6 – und jetzt Euro 7.

Nötig ist eine Debatte mit mehr Rationalit­ät.

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