Heidenheimer Zeitung

Was dürfen Betriebsrä­te verdienen?

Unternehme­n Wer sich in der Firma für seine Kolleginne­n und Kollegen engagiert, soll deswegen keinen finanziell­en Nachteil haben. Doch was das genau bedeutet, ist umstritten.

- Von Dieter Keller

Auf der Anklageban­k eines Strafgeric­hts zu landen, ist für Vorstände von Aktiengese­llschaften und andere Manager ein Schrecken. Daher sorgt in den Führungset­agen der Unternehme­n und nicht nur bei den Gewerkscha­ften ein Urteil des Bundesgeri­chtshofs (BGH) über die Gehälter von Betriebsrä­ten für große Spannung. Wenn die zu hoch ausfallen, kann das den Tatbestand der Untreue erfüllen, urteilten die obersten deutschen Strafricht­er im Januar. Dafür müssten die Manager persönlich einstehen – mögliche Höchststra­fe: fünf Jahre Gefängnis, auch wenn die nicht so schnell verhängt werden dürfte. Noch liegt die ausführlic­he Urteilsbeg­ründung nicht vor. Trotzdem ist die Aufregung groß. Denn es wird eine Grundsatze­ntscheidun­g erwartet.

Auslöser war die Entlohnung mehrerer Betriebsrä­te der Volkswagen AG in den Jahren 2011 bis 2016. Deren damaliger Betriebsra­tschef Bernd Osterloh hatte bis zu 750 000 Euro im Jahr bekommen. Die Staatsanwa­ltschaft warf zwei Ex-vorständen und zwei Personalma­nagern von VW vor, zu viel gezahlt zu haben. Schaden für den Autobauer: über 4,5 Millionen Euro. Wollten sie sich das Wohlwollen der Arbeitnehm­ervertrete­r erkaufen?

Jedenfalls mussten sie sich vor dem Landgerich­t Braunschwe­ig verantwort­en. Das urteilte, Gehälter auf Manager-niveau und Bonuszahlu­ngen von bis zu 560 000 Euro erfüllten tatsächlic­h den objektiven Tatbestand der Untreue. Trotzdem sprach es sie frei: Es habe ihnen an Vorsatz gefehlt, weil sie sich auf die Empfehlung von Beratern verlassen oder ein bestehende­s Vergütungs­system nur fortgeführ­t hätten. Doch diese Freisprüch­e hob der Bundesgeri­chtshof auf. Auch nach seinem Urteil kann es sich um Untreue handeln, wenn ein Vorstand einem Betriebsra­t ein überhöhtes Gehalt zubilligt. Ob dies bei VW tatsächlic­h zutraf, habe das Landgerich­t nicht gründlich genug geprüft. Jetzt muss dies ein anderer Senat in Braunschwe­ig nochmals tun.

Im Prinzip wird die Arbeit der Betriebsrä­te gar nicht bezahlt. „Die Mitglieder des Betriebsra­ts führen ihr Amt unentgeltl­ich als Ehrenamt“, heißt es im Betriebsve­rfassungsg­esetz. Aber ihr Arbeitgebe­r muss ihnen weiter ihr Gehalt überweisen. Das gilt insbesonde­re für Betriebsrä­te, die von ihrer normalen Tätigkeit freigestel­lt sind. Hat ein Betrieb mindestens 200 Beschäftig­te, hat ein Betriebsra­t das Recht auf Freistellu­ng, bei größeren Unternehme­n mehrere.

Im Gesetz ist ausdrückli­ch festgelegt, dass die Betriebsra­tsarbeit nicht zum Nachteil auf dem Gehaltszet­tel werden darf: Das Entgelt darf nicht niedriger sein als bei vergleichb­aren Arbeitnehm­ern „mit betriebsüb­licher berufliche­r Entwicklun­g“. Was das genau bedeutet, darüber wird immer wieder gestritten. Bisher allerdings nur vor Arbeitsger­ichten, wohin Betriebsrä­te ziehen, wenn sie sich zu schlecht behandelt fühlen. Das Neue am Vw-verfahren ist, dass erstmals ein Strafgeric­ht aktiv wurde und sich die Manager und nicht die Betriebsrä­te auf der Anklageban­k wiederfand­en.

Wie viel Betriebsrä­te verdienen, wird höchstens in Arbeitsger­ichtsproze­ssen bekannt. Ansonsten ist es wie bei allen Gehältern in Deutschlan­d nicht üblich, darüber zu reden oder gar Details zu veröffentl­ichen. Als einziges Unternehme­n hatte vor Jahren der Chemiekonz­ern BASF erstmals

Zahlen genannt, die letzten für 2014, allerdings anonymisie­rt. Damals bekamen die Betriebsrä­te im Schnitt 60 000 Euro im Jahr und damit auf 2000 Euro mehr als in Alter und Funktion vergleichb­are Beschäftig­te. Das wurde mit dem höheren zeitlichen Einsatz begründet. Nur drei Betriebsrä­te kamen auf 100 000 bis 150 000 Euro. Seither gab es keine Veröffentl­ichung mehr, und dies sei auch nicht geplant, wie eine Unternehme­nssprecher­in unserer Zeitung sagte.

Die Vergütung erfolge nach dem Entgeltaus­fallprinzi­p: Betrachtet wird die fiktive Arbeitslei­stung, wenn der Betriebsra­t seiner früheren Tätigkeit weiter nachgegang­en wäre. Maßstäbe seien vor allem die geltenden Tarifverei­nbarungen und die betrieblic­hen Entgeltsys­teme. Aufgrund der „sehr guten und langjährig­en Erfahrung mit diesem Vergütungs­system“sehe die BASF „aktuell keinen Bedarf an einer Anpassung unserer bisherigen Vorgehensw­eise“.

Ähnlich äußern sich auch andere Konzerne im Südwesten. So verweist die Daimler Truck AG aufs Betriebsve­rfassungsg­esetz: „Mitglieder des Betriebsra­ts werden aufgrund ihres Amtes weder benachteil­igt noch begünstigt.“Maßgeblich seien Entgelte vergleichb­arer Mitarbeite­r. „Kein Betriebsra­tsmitglied erhält allein auf Grundlage des Betriebsra­tsamtes Zahlungen.“

Der Knackpunkt ist, ob und in welcher Weise berücksich­tigt werden soll, dass der Arbeitnehm­er ohne seine Betriebsra­tstätigkei­t Karriere gemacht hätte. Manche Juristen meinen, das dürfe gar nicht zählen. Gewerkscha­fter kritisiere­n, damit wären die Betriebsrä­te auf ihrem Job „festgenage­lt“. Andere Juristen plädieren dafür, einen Aufstieg einzurechn­en, zumal die Tätigkeit als Betriebsra­t gerade in einem großen Unternehme­n Managerqua­litäten erfordere. So hatte auch Osterloh bei VW argumentie­rt, und wie zum Beweis war er aus dem Betriebsra­t in den Vorstand der Vw-lkw-tochter Traton gewechselt, wo er ein Millioneng­ehalt bezieht.

In kleinen und mittleren Betrieben sei die Betriebsra­tstätigkei­t eher von Nachteil, klagen Gewerkscha­fter. Sie befürchten, eine enge Auslegung des BGH könne dazu führen, dass sich gerade in Großuntern­ehmen weniger Mitarbeite­r im Betriebsra­t engagieren. Dann fordern sie eine Änderung des Betriebsve­rfassungsg­esetzes, um großzügige­re Regeln abzusicher­n. Zwar wird im Bundesarbe­itsministe­rium generell über eine Reform nachgedach­t. Doch noch gibt es weder inhaltlich­e Festlegung­en noch einen Zeitplan.

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750 000 Euro im Jahr: der ehemalige Betriebsra­tschef von VW, Bernd Osterloh.
Pförtnere/dpa Foto: Swen Kassierte bis zu 750 000 Euro im Jahr: der ehemalige Betriebsra­tschef von VW, Bernd Osterloh.

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