Was dürfen Betriebsräte verdienen?
Unternehmen Wer sich in der Firma für seine Kolleginnen und Kollegen engagiert, soll deswegen keinen finanziellen Nachteil haben. Doch was das genau bedeutet, ist umstritten.
Auf der Anklagebank eines Strafgerichts zu landen, ist für Vorstände von Aktiengesellschaften und andere Manager ein Schrecken. Daher sorgt in den Führungsetagen der Unternehmen und nicht nur bei den Gewerkschaften ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) über die Gehälter von Betriebsräten für große Spannung. Wenn die zu hoch ausfallen, kann das den Tatbestand der Untreue erfüllen, urteilten die obersten deutschen Strafrichter im Januar. Dafür müssten die Manager persönlich einstehen – mögliche Höchststrafe: fünf Jahre Gefängnis, auch wenn die nicht so schnell verhängt werden dürfte. Noch liegt die ausführliche Urteilsbegründung nicht vor. Trotzdem ist die Aufregung groß. Denn es wird eine Grundsatzentscheidung erwartet.
Auslöser war die Entlohnung mehrerer Betriebsräte der Volkswagen AG in den Jahren 2011 bis 2016. Deren damaliger Betriebsratschef Bernd Osterloh hatte bis zu 750 000 Euro im Jahr bekommen. Die Staatsanwaltschaft warf zwei Ex-vorständen und zwei Personalmanagern von VW vor, zu viel gezahlt zu haben. Schaden für den Autobauer: über 4,5 Millionen Euro. Wollten sie sich das Wohlwollen der Arbeitnehmervertreter erkaufen?
Jedenfalls mussten sie sich vor dem Landgericht Braunschweig verantworten. Das urteilte, Gehälter auf Manager-niveau und Bonuszahlungen von bis zu 560 000 Euro erfüllten tatsächlich den objektiven Tatbestand der Untreue. Trotzdem sprach es sie frei: Es habe ihnen an Vorsatz gefehlt, weil sie sich auf die Empfehlung von Beratern verlassen oder ein bestehendes Vergütungssystem nur fortgeführt hätten. Doch diese Freisprüche hob der Bundesgerichtshof auf. Auch nach seinem Urteil kann es sich um Untreue handeln, wenn ein Vorstand einem Betriebsrat ein überhöhtes Gehalt zubilligt. Ob dies bei VW tatsächlich zutraf, habe das Landgericht nicht gründlich genug geprüft. Jetzt muss dies ein anderer Senat in Braunschweig nochmals tun.
Im Prinzip wird die Arbeit der Betriebsräte gar nicht bezahlt. „Die Mitglieder des Betriebsrats führen ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt“, heißt es im Betriebsverfassungsgesetz. Aber ihr Arbeitgeber muss ihnen weiter ihr Gehalt überweisen. Das gilt insbesondere für Betriebsräte, die von ihrer normalen Tätigkeit freigestellt sind. Hat ein Betrieb mindestens 200 Beschäftigte, hat ein Betriebsrat das Recht auf Freistellung, bei größeren Unternehmen mehrere.
Im Gesetz ist ausdrücklich festgelegt, dass die Betriebsratsarbeit nicht zum Nachteil auf dem Gehaltszettel werden darf: Das Entgelt darf nicht niedriger sein als bei vergleichbaren Arbeitnehmern „mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung“. Was das genau bedeutet, darüber wird immer wieder gestritten. Bisher allerdings nur vor Arbeitsgerichten, wohin Betriebsräte ziehen, wenn sie sich zu schlecht behandelt fühlen. Das Neue am Vw-verfahren ist, dass erstmals ein Strafgericht aktiv wurde und sich die Manager und nicht die Betriebsräte auf der Anklagebank wiederfanden.
Wie viel Betriebsräte verdienen, wird höchstens in Arbeitsgerichtsprozessen bekannt. Ansonsten ist es wie bei allen Gehältern in Deutschland nicht üblich, darüber zu reden oder gar Details zu veröffentlichen. Als einziges Unternehmen hatte vor Jahren der Chemiekonzern BASF erstmals
Zahlen genannt, die letzten für 2014, allerdings anonymisiert. Damals bekamen die Betriebsräte im Schnitt 60 000 Euro im Jahr und damit auf 2000 Euro mehr als in Alter und Funktion vergleichbare Beschäftigte. Das wurde mit dem höheren zeitlichen Einsatz begründet. Nur drei Betriebsräte kamen auf 100 000 bis 150 000 Euro. Seither gab es keine Veröffentlichung mehr, und dies sei auch nicht geplant, wie eine Unternehmenssprecherin unserer Zeitung sagte.
Die Vergütung erfolge nach dem Entgeltausfallprinzip: Betrachtet wird die fiktive Arbeitsleistung, wenn der Betriebsrat seiner früheren Tätigkeit weiter nachgegangen wäre. Maßstäbe seien vor allem die geltenden Tarifvereinbarungen und die betrieblichen Entgeltsysteme. Aufgrund der „sehr guten und langjährigen Erfahrung mit diesem Vergütungssystem“sehe die BASF „aktuell keinen Bedarf an einer Anpassung unserer bisherigen Vorgehensweise“.
Ähnlich äußern sich auch andere Konzerne im Südwesten. So verweist die Daimler Truck AG aufs Betriebsverfassungsgesetz: „Mitglieder des Betriebsrats werden aufgrund ihres Amtes weder benachteiligt noch begünstigt.“Maßgeblich seien Entgelte vergleichbarer Mitarbeiter. „Kein Betriebsratsmitglied erhält allein auf Grundlage des Betriebsratsamtes Zahlungen.“
Der Knackpunkt ist, ob und in welcher Weise berücksichtigt werden soll, dass der Arbeitnehmer ohne seine Betriebsratstätigkeit Karriere gemacht hätte. Manche Juristen meinen, das dürfe gar nicht zählen. Gewerkschafter kritisieren, damit wären die Betriebsräte auf ihrem Job „festgenagelt“. Andere Juristen plädieren dafür, einen Aufstieg einzurechnen, zumal die Tätigkeit als Betriebsrat gerade in einem großen Unternehmen Managerqualitäten erfordere. So hatte auch Osterloh bei VW argumentiert, und wie zum Beweis war er aus dem Betriebsrat in den Vorstand der Vw-lkw-tochter Traton gewechselt, wo er ein Millionengehalt bezieht.
In kleinen und mittleren Betrieben sei die Betriebsratstätigkeit eher von Nachteil, klagen Gewerkschafter. Sie befürchten, eine enge Auslegung des BGH könne dazu führen, dass sich gerade in Großunternehmen weniger Mitarbeiter im Betriebsrat engagieren. Dann fordern sie eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, um großzügigere Regeln abzusichern. Zwar wird im Bundesarbeitsministerium generell über eine Reform nachgedacht. Doch noch gibt es weder inhaltliche Festlegungen noch einen Zeitplan.