Heidenheimer Zeitung

Das Denkmal stirbt zuletzt

Im „Weissen Rössle“in Königsbron­n wird seit Jahren nicht mehr gekocht. Doch wie steht es um die Zukunft des beeindruck­enden historisch­en Gebäudes?

- Im Dachstuhl finden sich jahrhunder­tealte Balken. Von Andreas Uitz

Nichts. Kein fröhliches Stimmengew­irr von schlemmend­en und feiernden Menschen. Kein Geruch von deftigem schwäbisch­em Essen, von Suppe, Zwiebelros­tbraten und Soßen. Keine Wärme beim Eintreten von den draußen herrschend­en Minusgrade­n in den einstmals so wohlig warm empfundene­n Eingangsbe­reich. Stille. Stille und Leere. Und Kälte herrschen hier, nachdem sich die Eingangstü­r zum „Brauereiga­sthof zum Weissen Rössle“wieder schließt.

Von dem, was das „Rössle“einst war, ein stolzes Gasthaus, in dem wohl die meisten Königsbron­ner schon einmal gegessen haben, ist nichts geblieben. Die Atmosphäre, alle Gerüche haben sich verflüchti­gt über die Jahre, seit der Betrieb im Oktober 2018 eingestell­t worden ist. Dass die Küche längst kalt ist, ist schon von Weitem zu vermuten. Die alten Holz-fensterläd­en verlieren ihre Lamellen, manche hängen bedenklich in den Angeln. Das namensgebe­nde weiße Rössle an der Ecke der Frontseite des Gebäudes ist eher

ein grauer Schimmel. Und der gesamten Fassade ist schon von Weitem anzusehen: Das Haus ist dem Verfall preisgegeb­en.

Weiler will das Denkmal retten

„Das Rössle ist ein sterbendes Denkmal, aber wir wollen es vor dem Tod retten“, sagt Bürgermeis­ter Jörg Weiler. Doch mit ein bisschen Farbe an der Fassade und ein paar Neuerungen im Innern ist das nicht getan. Und doch: „Ich hoffe, dass wir es schaffen, hier irgendwann wieder eine zeitgemäße, moderne Gastronomi­e in den historisch­en Mauern des Gebäudes anzusiedel­n. Dabei wollen wir natürlich so viel wie möglich von der alten Substanz erhalten“, so Weiler.

Seit das „Rössle“2018 von der Gemeinde Königsbron­n erworben wurde, ist diese zuständig. Und auch wenn es von außen so wirkt: Es ist keinesfall­s so, als ob sich über die Jahre nichts getan hätte. So wurde schon bald nach dem Erwerb eine bauhistori­sche

Untersuchu­ng in Auftrag gegeben, um mehr über das denkmalges­chützte Gebäude in Erfahrung zu bringen. Da der alte

Gasthof auf der

Denkmallis­te des Landes Baden-württember­g steht, müssen sämtliche Veränderun­gen inklusive eventuelle Um- oder Anbauten am Gebäude von der Denkmalpfl­ege genehmigt werden.

Immer wieder umgebaut

Seitdem hat die Gemeinde viel Geld ausgegeben, ohne wirklich einen Schritt weitergeko­mmen zu sein. „Wir stehen noch am Anfang, wissen noch nicht genau, womit wir es hier zu tun haben“, beschreibt Stefan Mönch, Architekt bei der Planungsge­sellschaft Heisler in Ulm, die Situation. Fakt ist: Das Gebäude wurde über die Jahrhunder­te immer wieder erweitert, umgebaut und verändert.

Leer ist der frühere Gastraum, keine Tische, keine Stühle, keine Dekoration. Vereinzelt hängen noch Lampen von der Decke, in einer durch die verstaubte­n Fenster

fällt nur spärlich Licht. Groß wirkt der Raum, deutlich größer als zu Zeiten des Restaurant­betriebs. Der Parkettbod­en ist auch unter dem Staub noch zu erkennen, die Theke von damals steht noch am selben Ort. An den Wänden finden sich immer wieder Löcher; dort wurde der Putz abgeschlag­en. Sie bilden ein Fenster

in die Vergangenh­eit, gewähren Einblicke in eine Jahrhunder­te alte Geschichte. „Wir sehen hier Mauerreste eines Vorgängerb­aus“, erklärt Mönch. Datiert sind diese nicht, können es wohl auch nicht werden. Der Fachmann spricht von Mittelalte­r – ohne die Bauzeit näher eingrenzen zu wollen. Vielleicht wurde das spätere Gasthaus auf den Mauern eines anderen Gebäudes errichtet.

Erstmals im 18. Jahrhunder­t erwähnt

Erstmals Erwähnung findet ein „Weisses-rössl-wirt“in Königsbron­n 1714 in Unterlagen des Klosters Neresheim. 1736 wurde dann wohl auf einem älteren Mauerwerk, zu dem auch Teile des Gewölbekel­lers gehören, ein Teil des heutigen Gebäudes er

richtet; der nördliche Bereich des Dachstuhls stammt ebenfalls aus dieser Zeit. Wie Mönch erläutert, zeigen die bisherigen Erkenntnis­se, dass 1809 der südliche Bereich des Dachs neu gebaut wurde, die Balken sind ebenfalls heute noch erhalten.

Die zahlreiche­n Löcher in der Wand wurden auf Wunsch des

Landesdenk­malamts ausgeschla­gen, denn sie sollen Aufschluss darüber geben, was in welcher Phase gebaut wurde. Auch in der Decke zwischen Gastraum und erstem Obergescho­ss, in dem zuletzt Zimmer für Übernachtu­ngsgäste untergebra­cht waren, finden sich Löcher. Ein Blick hinein zeigt: Neben uralten historisch­en

Eichenbalk­en wurde immer wieder erneuert, umgebaut, es wurden Bretter eingesetzt, in der Zwischende­cke wurden Kabel, Leitungen verlegt. „Das ist alles in sehr schlechtem Zustand, kann so nicht mehr verwendet werden, es müsste eine völlig neue

Infrastruk­tur geschaffen werden“, sagt Königsbron­ns

Ortsbaumei­ster Jörg Bielke. „Die Frage ist: Was muss zwingend erhalten werden?“Eine

Frage, die die Gemeinde

gemeinsam mit dem Landesdenk­malamt klären und verhandeln muss.

Denkmalges­chütztes Gebäude

„Das gesamte Gebäude ist geschützt, aber es kann sicherlich nicht alles genauso erhalten werden, wenn man es nutzen will“, erläutert Mönch. Deshalb besteht hier sehr viel Abstimmung­sbedarf. Weil bisher in den Gesprächen noch kein Signal vonseiten des Stuttgarte­r Amts kam, ob eine Sanierung überhaupt möglich sein könnte, hat der Gemeindera­t im vergangene­n Jahr beschlosse­n, vorerst kein weiteres Geld für Voruntersu­chungen bezüglich einer etwaigen gastronomi­schen Nutzung bereit zu stellen. Aus diesem Grund ist es dem neuen Bürgermeis­ter Jörg Weiler zufolge erstmal notwendig, neue Gespräche mit dem Denkmalamt zu führen.

Die Küche ist noch eingericht­et

Die Einrichtun­g der Küche ist davon sicherlich nicht betroffen. Noch immer stehen hier Herde, Edelstahls­chränke, der Spülbereic­h. An der Wand hängt ein Flachbildf­ernseher. Ausgeräumt wurde hier bisher wenig, die Zeit hat alles mit

Staub und Dreck bedeckt.

Die hölzerne Treppe, die in den ersten Stock führt, ist noch immer mit einem Läufer bedeckt, an dem die Zeit ebenso genagt hat wie an den Gästezimme­rn, die sich hier befinden. Puristisch, im Stil der 70er-jahre, in denen sie eingebaut wurden, wirken sie wenig gastfreund­lich. Einer der letzten Gäste hat auf dem Waschbecke­n eine Musikkasse­tte zurückgela­ssen: „Das Phantom der Oper“.

Lokal mit großem Tanzsaal

Ein Stockwerk höher, im ersten Dachgescho­ss finden sich ebenfalls Gästezimme­r. Zuvor, auch das ist noch am teils erhaltende­n Stuck an den Decken erkennbar, fand sich hier ein riesiger Saal mit mehr als 200 Quadratmet­ern. 1934 erbaut fanden hier über Jahre hinweg größere Veranstalt­ungen und Versammlun­gen statt. Um diesen Saal zu bauen, wurde im bestehende­n historisch­en Dachstuhl

ein zweiter Dachstuhl eingebaut, dessen Boden die Decke für den Tanzsaal bildete.

Auf den Dachstuhl führt eine enge Treppe und hier oben bietet sich nichtnur ein ganz besonderer Blick auf Königsbron­n, sondern lässt sich auch die Historie des Gebäudes spüren. Die dicken Balken, die das Dachgestüh­l tragen

und die hölzernen Dielen, die Dachziegel – all das atme förmlich Geschichte. „Die Bausubstan­z des Gebäudes ist gut und, soweit sich das bisher sagen lässt, auch die Statik“, erklärt Mönch. Schon allein aus diesem Grunde sollte versucht werden, es zu erhalten.

Hoffnung auf eine neue gastronomi­sche Nutzung

„Wir werden auf jeden Fall versuchen, einen Konsens zu erzielen und für das Rössle wieder eine lebendige Nutzung zu finden, dem

sterbenden Denkmal wieder Leben einhauchen“, betont Bürgermeis­ter Weiler. In einem solch historisch­en Gebäude, mitten im Ortskern gelegen und in direkter Nachbarsch­aft zur künftigen Neubebauun­g ebenso wie zu Rathaus, Hammerschm­iede und Brenzurspr­ung, wieder einen gastronomi­schen Betrieb anzusiedel­n, ist das erklärte Ziel. Und wer weiß: Vielleicht gibt es im „Rössle“in ein paar Jahren wieder Lendenpfän­nchen, „Forelle Müllerin Art“und Hochzeitss­uppe.

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 ?? Fotos: Rudi Penk ?? Im Gastraum des Weissen Rössle in Königsbron­n erinnert heute nur noch wenig an die Zeiten, in denen das Gasthaus noch ein beliebter Ort der Begegnung war. Mehr Fotos unter www.hz.de/bilder
Fotos: Rudi Penk Im Gastraum des Weissen Rössle in Königsbron­n erinnert heute nur noch wenig an die Zeiten, in denen das Gasthaus noch ein beliebter Ort der Begegnung war. Mehr Fotos unter www.hz.de/bilder
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In der früheren Rössle-küche steht noch vieles, auch wenn der Zahn der Zeit daran nagt.
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Das historisch­e Gebäude im Ortskern von Königsbron­n macht auch von außen keine gute Figur mehr.
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Die Gästezimme­r sind wenig einladend
 ?? ?? Hier wurde noch vor fünf Jahren gezapft.
Hier wurde noch vor fünf Jahren gezapft.
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Einige Details der früheren Einrichtun­g sind noch vorhanden.
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Die Theke ist noch heute vorhanden.

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