Das Denkmal stirbt zuletzt
Im „Weissen Rössle“in Königsbronn wird seit Jahren nicht mehr gekocht. Doch wie steht es um die Zukunft des beeindruckenden historischen Gebäudes?
Nichts. Kein fröhliches Stimmengewirr von schlemmenden und feiernden Menschen. Kein Geruch von deftigem schwäbischem Essen, von Suppe, Zwiebelrostbraten und Soßen. Keine Wärme beim Eintreten von den draußen herrschenden Minusgraden in den einstmals so wohlig warm empfundenen Eingangsbereich. Stille. Stille und Leere. Und Kälte herrschen hier, nachdem sich die Eingangstür zum „Brauereigasthof zum Weissen Rössle“wieder schließt.
Von dem, was das „Rössle“einst war, ein stolzes Gasthaus, in dem wohl die meisten Königsbronner schon einmal gegessen haben, ist nichts geblieben. Die Atmosphäre, alle Gerüche haben sich verflüchtigt über die Jahre, seit der Betrieb im Oktober 2018 eingestellt worden ist. Dass die Küche längst kalt ist, ist schon von Weitem zu vermuten. Die alten Holz-fensterläden verlieren ihre Lamellen, manche hängen bedenklich in den Angeln. Das namensgebende weiße Rössle an der Ecke der Frontseite des Gebäudes ist eher
ein grauer Schimmel. Und der gesamten Fassade ist schon von Weitem anzusehen: Das Haus ist dem Verfall preisgegeben.
Weiler will das Denkmal retten
„Das Rössle ist ein sterbendes Denkmal, aber wir wollen es vor dem Tod retten“, sagt Bürgermeister Jörg Weiler. Doch mit ein bisschen Farbe an der Fassade und ein paar Neuerungen im Innern ist das nicht getan. Und doch: „Ich hoffe, dass wir es schaffen, hier irgendwann wieder eine zeitgemäße, moderne Gastronomie in den historischen Mauern des Gebäudes anzusiedeln. Dabei wollen wir natürlich so viel wie möglich von der alten Substanz erhalten“, so Weiler.
Seit das „Rössle“2018 von der Gemeinde Königsbronn erworben wurde, ist diese zuständig. Und auch wenn es von außen so wirkt: Es ist keinesfalls so, als ob sich über die Jahre nichts getan hätte. So wurde schon bald nach dem Erwerb eine bauhistorische
Untersuchung in Auftrag gegeben, um mehr über das denkmalgeschützte Gebäude in Erfahrung zu bringen. Da der alte
Gasthof auf der
Denkmalliste des Landes Baden-württemberg steht, müssen sämtliche Veränderungen inklusive eventuelle Um- oder Anbauten am Gebäude von der Denkmalpflege genehmigt werden.
Immer wieder umgebaut
Seitdem hat die Gemeinde viel Geld ausgegeben, ohne wirklich einen Schritt weitergekommen zu sein. „Wir stehen noch am Anfang, wissen noch nicht genau, womit wir es hier zu tun haben“, beschreibt Stefan Mönch, Architekt bei der Planungsgesellschaft Heisler in Ulm, die Situation. Fakt ist: Das Gebäude wurde über die Jahrhunderte immer wieder erweitert, umgebaut und verändert.
Leer ist der frühere Gastraum, keine Tische, keine Stühle, keine Dekoration. Vereinzelt hängen noch Lampen von der Decke, in einer durch die verstaubten Fenster
fällt nur spärlich Licht. Groß wirkt der Raum, deutlich größer als zu Zeiten des Restaurantbetriebs. Der Parkettboden ist auch unter dem Staub noch zu erkennen, die Theke von damals steht noch am selben Ort. An den Wänden finden sich immer wieder Löcher; dort wurde der Putz abgeschlagen. Sie bilden ein Fenster
in die Vergangenheit, gewähren Einblicke in eine Jahrhunderte alte Geschichte. „Wir sehen hier Mauerreste eines Vorgängerbaus“, erklärt Mönch. Datiert sind diese nicht, können es wohl auch nicht werden. Der Fachmann spricht von Mittelalter – ohne die Bauzeit näher eingrenzen zu wollen. Vielleicht wurde das spätere Gasthaus auf den Mauern eines anderen Gebäudes errichtet.
Erstmals im 18. Jahrhundert erwähnt
Erstmals Erwähnung findet ein „Weisses-rössl-wirt“in Königsbronn 1714 in Unterlagen des Klosters Neresheim. 1736 wurde dann wohl auf einem älteren Mauerwerk, zu dem auch Teile des Gewölbekellers gehören, ein Teil des heutigen Gebäudes er
richtet; der nördliche Bereich des Dachstuhls stammt ebenfalls aus dieser Zeit. Wie Mönch erläutert, zeigen die bisherigen Erkenntnisse, dass 1809 der südliche Bereich des Dachs neu gebaut wurde, die Balken sind ebenfalls heute noch erhalten.
Die zahlreichen Löcher in der Wand wurden auf Wunsch des
Landesdenkmalamts ausgeschlagen, denn sie sollen Aufschluss darüber geben, was in welcher Phase gebaut wurde. Auch in der Decke zwischen Gastraum und erstem Obergeschoss, in dem zuletzt Zimmer für Übernachtungsgäste untergebracht waren, finden sich Löcher. Ein Blick hinein zeigt: Neben uralten historischen
Eichenbalken wurde immer wieder erneuert, umgebaut, es wurden Bretter eingesetzt, in der Zwischendecke wurden Kabel, Leitungen verlegt. „Das ist alles in sehr schlechtem Zustand, kann so nicht mehr verwendet werden, es müsste eine völlig neue
Infrastruktur geschaffen werden“, sagt Königsbronns
Ortsbaumeister Jörg Bielke. „Die Frage ist: Was muss zwingend erhalten werden?“Eine
Frage, die die Gemeinde
gemeinsam mit dem Landesdenkmalamt klären und verhandeln muss.
Denkmalgeschütztes Gebäude
„Das gesamte Gebäude ist geschützt, aber es kann sicherlich nicht alles genauso erhalten werden, wenn man es nutzen will“, erläutert Mönch. Deshalb besteht hier sehr viel Abstimmungsbedarf. Weil bisher in den Gesprächen noch kein Signal vonseiten des Stuttgarter Amts kam, ob eine Sanierung überhaupt möglich sein könnte, hat der Gemeinderat im vergangenen Jahr beschlossen, vorerst kein weiteres Geld für Voruntersuchungen bezüglich einer etwaigen gastronomischen Nutzung bereit zu stellen. Aus diesem Grund ist es dem neuen Bürgermeister Jörg Weiler zufolge erstmal notwendig, neue Gespräche mit dem Denkmalamt zu führen.
Die Küche ist noch eingerichtet
Die Einrichtung der Küche ist davon sicherlich nicht betroffen. Noch immer stehen hier Herde, Edelstahlschränke, der Spülbereich. An der Wand hängt ein Flachbildfernseher. Ausgeräumt wurde hier bisher wenig, die Zeit hat alles mit
Staub und Dreck bedeckt.
Die hölzerne Treppe, die in den ersten Stock führt, ist noch immer mit einem Läufer bedeckt, an dem die Zeit ebenso genagt hat wie an den Gästezimmern, die sich hier befinden. Puristisch, im Stil der 70er-jahre, in denen sie eingebaut wurden, wirken sie wenig gastfreundlich. Einer der letzten Gäste hat auf dem Waschbecken eine Musikkassette zurückgelassen: „Das Phantom der Oper“.
Lokal mit großem Tanzsaal
Ein Stockwerk höher, im ersten Dachgeschoss finden sich ebenfalls Gästezimmer. Zuvor, auch das ist noch am teils erhaltenden Stuck an den Decken erkennbar, fand sich hier ein riesiger Saal mit mehr als 200 Quadratmetern. 1934 erbaut fanden hier über Jahre hinweg größere Veranstaltungen und Versammlungen statt. Um diesen Saal zu bauen, wurde im bestehenden historischen Dachstuhl
ein zweiter Dachstuhl eingebaut, dessen Boden die Decke für den Tanzsaal bildete.
Auf den Dachstuhl führt eine enge Treppe und hier oben bietet sich nichtnur ein ganz besonderer Blick auf Königsbronn, sondern lässt sich auch die Historie des Gebäudes spüren. Die dicken Balken, die das Dachgestühl tragen
und die hölzernen Dielen, die Dachziegel – all das atme förmlich Geschichte. „Die Bausubstanz des Gebäudes ist gut und, soweit sich das bisher sagen lässt, auch die Statik“, erklärt Mönch. Schon allein aus diesem Grunde sollte versucht werden, es zu erhalten.
Hoffnung auf eine neue gastronomische Nutzung
„Wir werden auf jeden Fall versuchen, einen Konsens zu erzielen und für das Rössle wieder eine lebendige Nutzung zu finden, dem
sterbenden Denkmal wieder Leben einhauchen“, betont Bürgermeister Weiler. In einem solch historischen Gebäude, mitten im Ortskern gelegen und in direkter Nachbarschaft zur künftigen Neubebauung ebenso wie zu Rathaus, Hammerschmiede und Brenzursprung, wieder einen gastronomischen Betrieb anzusiedeln, ist das erklärte Ziel. Und wer weiß: Vielleicht gibt es im „Rössle“in ein paar Jahren wieder Lendenpfännchen, „Forelle Müllerin Art“und Hochzeitssuppe.