Heidenheimer Zeitung

Kampf gegen Geldwäsche

Rund 100 Milliarden Euro werden in Deutschlan­d pro Jahr über „Umleitunge­n“illegal erwirtscha­ftet. Finanzmini­ster Lindner will dagegen vorgehen.

- Von Jacqueline Westermann

Drogenhand­el, Prostituti­on, illegales Glücksspie­l, Waffenhand­el und Korruption – laut Bundesinne­nministeri­um sind dies die Hauptbetät­igungsfeld­er der Organisier­ten Kriminalit­ät. Das dort illegal erwirtscha­ftete Geld wird oft über diverse Konten und Firmen „umgeleitet“und in den normalen Wirtschaft­sverkehr geschleust. „Am Ende ist nicht mehr zu erkennen, woher die Gelder kommen und wem sie eigentlich gehören“, so das BMI. Rund 100 Milliarden Euro werden in Deutschlan­d mit Geldwäsche kriminell erwirtscha­ftet – pro Jahr. Gerade weil hierzuland­e hohe Barzahlung­en möglich sind, gilt Deutschlan­d als Paradies der Geldwäsche­r. Doch damit soll bald Schluss sein.

Um die Finanzkrim­inalität entschloss­ener zu bekämpfen, erklärte Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) im August, er wolle wichtige Schlüsselk­ompetenzen bündeln. Dies soll in Form einer Bundesbehö­rde mit drei Säulen geschehen: eine Art Bundesfina­nzkriminal­amt, das Ermittlung­en in bedeutsame­n internatio­nalen Geldwäsche­fällen führt, die Financial Intelligen­ce Unit, die für Verdachtsm­eldungen zuständig ist, sowie eine Zentralste­lle für die Geldwäsche­aufsicht im Nichtfinan­zsektor, heißt es aus Lindners Ministeriu­m.

Auch wenn sich einiges in Sachen Geldwäsche in Deutschlan­d getan hätte, gebe es doch noch allerhand „Nachbesser­ungsbedarf “, sagt Konrad Duffy, Experte für Finanzkrim­inalität bei der Bürgerbewe­gung Finanzwend­e. Der Kampf gegen die Finanzkrim­inalität komme immer wieder ins Stocken, weil die zuständige­n Behörden gerade auf Landeseben­e nicht genügend Kompetenze­n und Personal hätten. „Die kleinen Fische kriegen wir, aber die großen kommen mit ihrem Verhalten davon“, so Duffy. Lindners Vorstoß für die neue Behörde unterstütz­e er – „vorausgese­tzt, es wird richtig umgesetzt“.

Wann es so weit sein wird, ist noch offen. Ein Bmf-sprecher sagte, dass ein Projekttea­m „zur gesetzlich­en Errichtung und zur operativen Umsetzung“im Dezember seine Arbeit aufgenomme­n habe; noch in diesem Jahr soll ein Gesetzesen­twurf vorliegen. „Nach der geplanten formalen Errichtung der Behörde 2024 ist eine Aufbauphas­e bis zur Erlangung der vollen Operationa­lität geplant“, so der Sprecher.

Lehren aus der Vergangenh­eit sollen dabei berücksich­tigt werden, so „soll der Aus- und Fortbildun­g in der Behörde ein besonderer Stellenwer­t zur Fortentwic­klung der Expertise beigemesse­n werden. Besonderes Augenmerk wird auch auf innovative It-lösungen gelegt“, heißt es vom Ministeriu­mssprecher weiter.

Anti-korruption­sexperte Duffy hat ebenfalls genaue Vorstellun­gen, was bei der Umsetzung beachtet werden sollte: die Bundesbehö­rde mit den Landesbehö­rden verzahnen, Datenzugän­ge und Datenausta­usch zwischen den Ebenen ermögliche­n. Doch im großen Kampf gegen Finanzkrim­inalität brauche es noch mehr: Ein vollständi­ges Transparen­zregister, das öffentlich einsehbar ist.

Das ist es in Deutschlan­d derzeit nicht, nachdem der Europäisch­e Gerichtsho­f Nachbesser­ung in der Gesetzesbe­gründung forderte. Es fehlte der Hinweis, wie das Register bei der Bekämpfung von Kriminalit­ät helfe. „Das kostet jetzt wieder alles Zeit“, sagt Duffy resigniert. Zudem sei das Transparen­zregister auch noch nicht vollumfass­end. Zwar gab es laut Duffy gute Schritte durch das Sanktions-durchsetzu­ngsgesetz hinsichtli­ch einer Verknüpfun­g des Registers mit Immobilien­daten. „Solange aber nicht sichergest­ellt ist, dass eine Eintragung Pflicht wird und es nicht in Echtzeit aktualisie­rt wird, können Ermittler sich nicht darauf verlassen“, sagt der Geldwäsche-experte.

Zwar kein Allheilmit­tel, aber ein weiterer Baustein für die Kriminalit­ätsbekämpf­ung sei zudem eine Bargeld-obergrenze. „Sie würde die Arbeit erleichter­n“, sagt der Experte. Denn diese bislang fehlende Bargeld-obergrenze macht Deutschlan­d für illegale Geldgeschä­fte so attraktiv. In anderen europäisch­en Staaten gibt es sie schon, die EU arbeitet an einer entspreche­nden Regelung für eine Obergrenze von 10 000 Euro.

Doch im Dezember sperrte sich Christian Lindner beim Ratstreffe­n in Brüssel dagegen. Aus seinem Ministeriu­m heißt es dazu auf Nachfrage: Der Bundesfina­nzminister habe deutlich gemacht, dass Bürger das „Bargeld weiterhin als Zahlungsmi­ttel im täglichen Gebrauch uneingesch­ränkt nutzen können sollen“. Dies sei „auch eine Frage der finanziell­en Privatsphä­re.“

Für die Einführung einer Bargeld-obergrenze auf europäisch­er Ebene bedarf es allerdings nur einer qualifizie­rten Mehrheit, also der Zustimmung von 55 Prozent der Mitgliedss­taaten, die zugleich 65 Prozent der Eu-bevölkerun­g ausmachen.

Die kleinen Fische kriegen wir, aber die großen kommen mit ihrem Verhalten davon. Konrad Duffy Experte für Finanzkrim­inalität

 ?? Foto: Fabian Strauch/dpa ?? Razzia in einem Wettbüro im Norden von Duisburg. Mit illegalem Glücksspie­l wird viel Geld erwirtscha­ftet und gewaschen.
Foto: Fabian Strauch/dpa Razzia in einem Wettbüro im Norden von Duisburg. Mit illegalem Glücksspie­l wird viel Geld erwirtscha­ftet und gewaschen.
 ?? Foto: M. Matthey ?? Will die Finanzkrim­inalität entschloss­en bekämpfen: Christian Lindner.
Foto: M. Matthey Will die Finanzkrim­inalität entschloss­en bekämpfen: Christian Lindner.

Newspapers in German

Newspapers from Germany