Heidenheimer Zeitung

Nervenkost­üm wird dünner

Julian Nagelsmann redete sich nach dem 2:3 in Gladbach den Frust von der Seele und sich selbst um Kopf und Kragen: Nun ermittelt der DFB.

- Von Marco Heibel, sid

Am Tag nach der aufsehener­regenden Schiedsric­hterschelt­e blickte Julian Nagelsmann in den grauen Himmel über der Säbener Straße und stellte den Kragen seiner Windjacke auf. Zwar konnte sich der Bayern-coach über die Rückkehr des lange verletzten Sadio Mané ins Mannschaft­straining freuen, doch die Stimmung des 35-Jährigen war nicht allein wegen des 2:3 (1:1) bei Borussia Mönchengla­dbach noch offenkundi­g bescheiden. Nagelsmann ahnte wohl, was kommen würde: Der Deutsche Fußballbun­d ermittelt gegen ihn.

„Will der mich verarschen?!“und „weichgespü­ltes Pack“hatte es am Samstag durch die Katakomben des Borussia-parks geschallt, Nagelsmann war in Rage. Grund: Der diskutable Platzverwe­is gegen Abwehrchef Dayot Upamecano wegen Notbremse (8. Minute). Der Furor hatte den Trainer danach fest im Griff. Gelb wegen Meckerns sah er in der 78. Minute, nach dem Abpfiff wollte er das Schiedsric­hterteam um Tobias Welz noch auf dem Rasen stellen – und fühlte sich stehen gelassen. Auch ein anschließe­nder Besuch in der Schiedsric­hterkabine brachte aus Nagelsmann­s Sicht nicht das gewünschte Ergebnis. Polternd stapfte er davon.

Welz: Keine Beleidigun­gen

„In der Kabine haben wir auf Augenhöhe eine Diskussion geführt“, schilderte Welz am Sonntag im Sport1-doppelpass: „Es war emotional, aber es wurden keine Beleidigun­gen getätigt.“Angesproch­en fühle er sich von Nagelsmann­s Tiraden nicht, da er sie „nicht gehört“habe.

Als die Wut allmählich gewichen und er sich der möglichen Folgen seiner Entgleisun­g bewusst geworden war, folgte die Bitte um Entschuldi­gung. „Emotionen gehören zum Sport dazu. Und angesichts der Roten Karte musste ich mir nach dem Spiel Luft machen“, betonte Nagelsmann bei Twitter. Darüber hinaus, räumte er ein, sei er mit seiner Wortwahl gegen die Referees

„leider eindeutig zu weit gegangen“. So weit, dass der DFB aktiv wurde: Der Kontrollau­sschuss nimmt Ermittlung­en auf. Nagelsmann droht eine Bestrafung durchs Sportgeric­ht. Besonders heikel könnte die Formulieru­ng „weichgespü­ltes Pack“werden. Von einem Zdf-reporter darauf angesproch­en, bestätigte Nagelsmann diesen Ausspruch zwar, setzte allerdings hinzu: „Damit

meine ich ja nicht immer die Schiedsric­hter.“

Das Echo aus der Branche fiel geteilt aus. Rekordnati­onalspiele­r und Sky-experte Lothar Matthäus wertete die Wortwahl als „weit daneben“. Nagelsmann­s Kölner Trainerkol­lege Steffen Baumgart hingegen meinte: „Ich finde, wir sollten den Mensch auch Mensch sein lassen und nicht Roboter.“Das Spiel nahm

durch die frühe Rote Karte nach einem leichten Griff Upamecanos an die Schulter von Gladbachs Angreifer Alassane Plea einen aus Bayern-sicht unerfreuli­chen Verlauf. Welz hielt an seiner Bewertung fest: „Natürlich ist das eine ganz enge Entscheidu­ng. Aber der Stürmer möchte das Tor erzielen und kann alleine abschließe­n. Warum soll er sich hinwerfen?“

Lars Stindl (13.), der überragend­e Jonas Hofmann (55.) und Marcus Thuram (84.) überwanden ihren im Januar vom Niederrhei­n nach München abgewander­ten Ex-keeper Yann Sommer. Bayern glich durch Eric Maxim Choupomoti­ng (35.) zwischenze­itlich aus, das 2:3 durch Mathys Tel (90.+3) kam zu spät. Und Nagelsmann blieb damit auch im fünften Anlauf als Bayern-trainer gegen Gladbach ohne Sieg. Immerhin: Tabellenfü­hrer bleibt München, weil Union Berlin (beide 43 Punkte) gegen Schalke nur 0:0 spielte.

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Foto: F. Gambarini/dpa Aufreger des Spiels: Tobias Welz zeigt Bayern-abwehrchef Dayot Upamecano Rot.

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