Nervenkostüm wird dünner
Julian Nagelsmann redete sich nach dem 2:3 in Gladbach den Frust von der Seele und sich selbst um Kopf und Kragen: Nun ermittelt der DFB.
Am Tag nach der aufsehenerregenden Schiedsrichterschelte blickte Julian Nagelsmann in den grauen Himmel über der Säbener Straße und stellte den Kragen seiner Windjacke auf. Zwar konnte sich der Bayern-coach über die Rückkehr des lange verletzten Sadio Mané ins Mannschaftstraining freuen, doch die Stimmung des 35-Jährigen war nicht allein wegen des 2:3 (1:1) bei Borussia Mönchengladbach noch offenkundig bescheiden. Nagelsmann ahnte wohl, was kommen würde: Der Deutsche Fußballbund ermittelt gegen ihn.
„Will der mich verarschen?!“und „weichgespültes Pack“hatte es am Samstag durch die Katakomben des Borussia-parks geschallt, Nagelsmann war in Rage. Grund: Der diskutable Platzverweis gegen Abwehrchef Dayot Upamecano wegen Notbremse (8. Minute). Der Furor hatte den Trainer danach fest im Griff. Gelb wegen Meckerns sah er in der 78. Minute, nach dem Abpfiff wollte er das Schiedsrichterteam um Tobias Welz noch auf dem Rasen stellen – und fühlte sich stehen gelassen. Auch ein anschließender Besuch in der Schiedsrichterkabine brachte aus Nagelsmanns Sicht nicht das gewünschte Ergebnis. Polternd stapfte er davon.
Welz: Keine Beleidigungen
„In der Kabine haben wir auf Augenhöhe eine Diskussion geführt“, schilderte Welz am Sonntag im Sport1-doppelpass: „Es war emotional, aber es wurden keine Beleidigungen getätigt.“Angesprochen fühle er sich von Nagelsmanns Tiraden nicht, da er sie „nicht gehört“habe.
Als die Wut allmählich gewichen und er sich der möglichen Folgen seiner Entgleisung bewusst geworden war, folgte die Bitte um Entschuldigung. „Emotionen gehören zum Sport dazu. Und angesichts der Roten Karte musste ich mir nach dem Spiel Luft machen“, betonte Nagelsmann bei Twitter. Darüber hinaus, räumte er ein, sei er mit seiner Wortwahl gegen die Referees
„leider eindeutig zu weit gegangen“. So weit, dass der DFB aktiv wurde: Der Kontrollausschuss nimmt Ermittlungen auf. Nagelsmann droht eine Bestrafung durchs Sportgericht. Besonders heikel könnte die Formulierung „weichgespültes Pack“werden. Von einem Zdf-reporter darauf angesprochen, bestätigte Nagelsmann diesen Ausspruch zwar, setzte allerdings hinzu: „Damit
meine ich ja nicht immer die Schiedsrichter.“
Das Echo aus der Branche fiel geteilt aus. Rekordnationalspieler und Sky-experte Lothar Matthäus wertete die Wortwahl als „weit daneben“. Nagelsmanns Kölner Trainerkollege Steffen Baumgart hingegen meinte: „Ich finde, wir sollten den Mensch auch Mensch sein lassen und nicht Roboter.“Das Spiel nahm
durch die frühe Rote Karte nach einem leichten Griff Upamecanos an die Schulter von Gladbachs Angreifer Alassane Plea einen aus Bayern-sicht unerfreulichen Verlauf. Welz hielt an seiner Bewertung fest: „Natürlich ist das eine ganz enge Entscheidung. Aber der Stürmer möchte das Tor erzielen und kann alleine abschließen. Warum soll er sich hinwerfen?“
Lars Stindl (13.), der überragende Jonas Hofmann (55.) und Marcus Thuram (84.) überwanden ihren im Januar vom Niederrhein nach München abgewanderten Ex-keeper Yann Sommer. Bayern glich durch Eric Maxim Choupomoting (35.) zwischenzeitlich aus, das 2:3 durch Mathys Tel (90.+3) kam zu spät. Und Nagelsmann blieb damit auch im fünften Anlauf als Bayern-trainer gegen Gladbach ohne Sieg. Immerhin: Tabellenführer bleibt München, weil Union Berlin (beide 43 Punkte) gegen Schalke nur 0:0 spielte.