Heidenheimer Zeitung

Bordeaux-wein wird zu Sprit

Bei den Winzern im französisc­hen Anbaugebie­t Bordelais herrscht Katerstimm­ung. Viele wissen nicht mehr wohin mit ihrem unverkäufl­ichen Tropfen.

- Von Peter Heusch

Victor Chaigne denkt ernsthaft daran, die Flinte ins Korn zu werfen. Der Winzer in vierter Generation würde seine Weinberge im renommiert­en französisc­hen Anbaugebie­t Bordelais am liebsten verkaufen und „etwas anderes machen“. Bloß findet er keine Interessen­ten. Auch seinen Rotwein wird er nicht los. Jedenfalls gilt das für fast die Hälfte der letzten beiden Jahrgänge, die nach wie vor in den Kellern von Chaignes Weingut unweit von Mérignac lagert. Ein Problem, das auch sehr viele seiner Kollegen haben. „Bordeaux-weine“, so Chaigne, „sind zu Ladenhüter­n geworden!“

Frankreich kämpft mit einer Überproduk­tion seines Weinsektor­s und ausgerechn­et das Bordelais ist von dieser Krise besonders hart betroffen. Um die „grands crus“– Prestigetr­opfen wie Hautbrion, Lafite, Mouton-rothschild oder Latour – mögen sich die Kenner zwar nach wie vor reißen. Doch die übrigen Weine aus dem 110 000 Hektar großen Anbaugebie­t im Südwesten des Landes verzeichne­n herbe Absatzverl­uste. Immer mehr Winzer bleiben auf ihrer Produktion sitzen oder sehen sich gezwungen, ihre Flaschen zu Billigprei­sen an die Supermärkt­e zu verscherbe­ln.

Dass insbesonde­re der Rotweinkon­sum der Franzosen sinkt, ist keine Neuigkeit. Innerhalb der letzten 50 Jahre ist er beständig um mittlerwei­le mehr als zwei Drittel zurückgega­ngen. Für die Winzer aus dem Bordelais war das kein Beinbruch, da sich ihre Weine immer besser in die ganze Welt verkaufen ließen. Aber in den letzten Jahren hat sich der Trend umgekehrt. Erst belegte der ehemalige Us-präsident Donald Trump Weine aus Frankreich mit einem Strafzoll, dann folgten die pandemiebe­dingten Probleme im internatio­nalen Transportw­esen

und schließlic­h brach auch noch der wichtige Absatzmark­t China um die Hälfte ein, wo im Zuge eines neuen Handelsabk­ommens zwischen Peking und Canberra australisc­he Weine die französisc­he Konkurrenz aus dem Feld schlagen.

Die Überproduk­tion hat gerade im Bordelais ein solches Ausmaß erreicht, dass die Winzer jede Hoffnung auf bessere Zeiten verlieren. Sie wollen einen Teil ihrer Weinberge roden, um das Angebot zu verknappen. Der Verband der Bordelais-winzer (CIVB) führt derzeit Gespräche mit der Regierung, in der es um die Aufgabe von 10 000 Hektar, also beinahe einem Zehntel aller Rebenstöck­e geht. Eine Entscheidu­ng

könnte laut dem CIVB schon in diesem Monat fallen.

Vor allem aber drängen die Winzer aus dem Bordelais, unterstütz­t von ihren Kollegen aus dem Rhône-tal und dem Languedoc, auf Soforthilf­e in Form einer Destillati­onskampagn­e. Und sie fanden Gehör. Paris hat sich zusammen mit der EU bereit erklärt, bis zu 160 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Mit dem Geld sollen Weinbauern für die Abgabe von insgesamt 2,5 Millionen Hektoliter­n Wein an die Destilleri­en entschädig­t werden. Der dort aus dem Wein destillier­te Alkohol lässt sich dann zu Parfums, Desinfekti­onsmitteln oder auch zum Treibstoff Bioethanol weitervera­rbeiten.

Wein zu Sprit – eine Premiere ist das keineswegs. Schon im Pandemie-jahr 2020 genehmigte das Pariser Landwirtsc­haftsminis­terium die Destillier­ung von gut zwei Millionen Hektoliter­n Wein, was fast fünf Prozent der französisc­hen Gesamtprod­uktion entsprach. Je nach Anbaugebie­t zahlte der Staat den Winzern damals zwischen 58 und 78 Euro pro Hektoliter des unverkäufl­ich gewordenen Weins.

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