Abholstation statt Laden
Ein chinesischer Internetgigant setzt auf eine andere Art des Einkaufens. Erste Versuche in Deutschland sind bereits gestartet. Hat das Zukunft?
China verkauft längst nicht nur Billigprodukte in Deutschland, sondern auch Medikamente, Handys und Autos. Jetzt sollen Lebensmittel dazukommen. Zumindest, wenn es nach den Plänen des chinesischen Internetgiganten Jd.com geht. Dieser will die Einzelhandelskette „Ochama“in Deutschland etablieren. Das Konzept: online bestellen und an einer Station oder bei einem Partner abholen. Dies könnte den Einkauf beschleunigen und flexibler machen. Die Öffnungszeiten von Supermärkten und Bringzeiten der Lieferdienste spielen dann keine Rolle mehr. Jd.com will durch die Automatisierung Kosten sparen und so den Produktpreis um 10 Prozent senken.
Bislang gibt es Abholstationen in Düsseldorf, Köln, Aachen, Essen, Dortmund und Gelsenkirchen. Anfang Dezember kamen in Europa 26 Abholstellen hinzu, berichtet die „Lebensmittelzeitung“. Insgesamt soll es nun mehr als 120 auf dem Kontinent geben, allein 80 in den Niederlanden. Was auffällt: Alle deutschen Stationen liegen in Städten mit Nähe zu den Niederlanden. Laut „Lebensmittelzeitung“dürften die bislang verkauften Produkte auch größtenteils aus einem Lager jenseits der Grenze stammen. Auf der Internetseite lassen sich beim Einkauf nur die Sprachen Niederländisch und Englisch auswählen. Es gibt keine deutschen Produkte, sondern chinesische und einige niederländische wie Milch von „Langlekker“.
Ist die Expansion nach Deutschland nur halbherzig? „Nein, Ochama ist aber ein Versuch“, sagt Professor Gerrit Heinemann, Handelsexperte von der Hochschule Niederrhein. „JD. com kennt die extremen Herausforderungen des deutschen Marktes und handelt nach dem Prinzip ,try and error’.“Versuch und Irrtum: Ist Ochama ein Erfolg, wird es weiter ausgebaut, floppt es, wird es eingestellt. So wie mit den Robotershops in den Niederlanden. Dabei werden vor Ort an Bildschirmen Produkte geordert und maschinell ausgegeben. Doch der Betrieb gilt als relativ teuer.
Vermutlich stimmten die Zahlen nicht, die vier Robotershops werden geschlossen, berichtet die Internetplattform Logistiek.nl.
„Das Prinzip von Ochama ist auch nicht neu“, sagt Heinemann. „Rewe und DM besitzen ebenfalls Abholstationen.“Edeka hat ebenfalls im Stuttgarter Bahnhof eine Abholbox installiert – und wieder geschlossen. „Die Zeit war wohl noch nicht reif dafür. In Deutschland ist der durchschnittliche Einkaufswert zu klein, dass sich ein Betrieb bei wenig Rendite und hohen Personalkosten lohnt.“Die deutschen Einzelhändler seien alle sehr erfolgreich, sehr etabliert und sehr erfahren. Wenn sich etwas nicht rechne, werde es gelassen. Der deutsche Kunde müsse mitmachen. Doch er gehe in Zeiten der Inflation und düsteren Aussichten lieber zum Discounter, wie derzeit Bio-läden schmerzhaft erfahren. Bei Edeka in Stuttgart wurde für die Abholung eine Gebühr von knapp 3 Euro fällig.
Andreas Hesse, Professor an der Hochschule Koblenz, nennt noch weitere Gründe, warum es Ochama in Deutschland schwer haben dürfte. „In Deutschland ist man skeptisch, wenn jemand anderes Lebensmittel eingepackt. Paprika wird in der Gemüseabteilung lieber selbst ausgewählt“, sagt der Handels-spezialist. Ältere hätten manchmal auch Berührungsängste bei digitalen Bestellungen. Zudem seien in Deutschland Supermärkte nicht weit entfernt.
„Außerdem ist der Mehrwert nicht allzu hoch. Wenn ich im Supermarkt einkaufe, brauche ich 10 bis 15 Minuten, bei Ochama dürften es mit Bestellung vielleicht 7 Minuten sein. Kein allzu großer Unterschied.“Das ganze Projekt sei ein Risiko. Wie auch die Lieferdienste zeigten, von denen viele Probleme haben. Hesse: „Es ist eine spannende Frage, ob das funktioniert.“
Es ist spannend, ob das funktioniert.