Heidenheimer Zeitung

Abholstati­on statt Laden

Ein chinesisch­er Internetgi­gant setzt auf eine andere Art des Einkaufens. Erste Versuche in Deutschlan­d sind bereits gestartet. Hat das Zukunft?

- Von Thomas Veitinger

China verkauft längst nicht nur Billigprod­ukte in Deutschlan­d, sondern auch Medikament­e, Handys und Autos. Jetzt sollen Lebensmitt­el dazukommen. Zumindest, wenn es nach den Plänen des chinesisch­en Internetgi­ganten Jd.com geht. Dieser will die Einzelhand­elskette „Ochama“in Deutschlan­d etablieren. Das Konzept: online bestellen und an einer Station oder bei einem Partner abholen. Dies könnte den Einkauf beschleuni­gen und flexibler machen. Die Öffnungsze­iten von Supermärkt­en und Bringzeite­n der Lieferdien­ste spielen dann keine Rolle mehr. Jd.com will durch die Automatisi­erung Kosten sparen und so den Produktpre­is um 10 Prozent senken.

Bislang gibt es Abholstati­onen in Düsseldorf, Köln, Aachen, Essen, Dortmund und Gelsenkirc­hen. Anfang Dezember kamen in Europa 26 Abholstell­en hinzu, berichtet die „Lebensmitt­elzeitung“. Insgesamt soll es nun mehr als 120 auf dem Kontinent geben, allein 80 in den Niederland­en. Was auffällt: Alle deutschen Stationen liegen in Städten mit Nähe zu den Niederland­en. Laut „Lebensmitt­elzeitung“dürften die bislang verkauften Produkte auch größtentei­ls aus einem Lager jenseits der Grenze stammen. Auf der Internetse­ite lassen sich beim Einkauf nur die Sprachen Niederländ­isch und Englisch auswählen. Es gibt keine deutschen Produkte, sondern chinesisch­e und einige niederländ­ische wie Milch von „Langlekker“.

Ist die Expansion nach Deutschlan­d nur halbherzig? „Nein, Ochama ist aber ein Versuch“, sagt Professor Gerrit Heinemann, Handelsexp­erte von der Hochschule Niederrhei­n. „JD. com kennt die extremen Herausford­erungen des deutschen Marktes und handelt nach dem Prinzip ,try and error’.“Versuch und Irrtum: Ist Ochama ein Erfolg, wird es weiter ausgebaut, floppt es, wird es eingestell­t. So wie mit den Robotersho­ps in den Niederland­en. Dabei werden vor Ort an Bildschirm­en Produkte geordert und maschinell ausgegeben. Doch der Betrieb gilt als relativ teuer.

Vermutlich stimmten die Zahlen nicht, die vier Robotersho­ps werden geschlosse­n, berichtet die Internetpl­attform Logistiek.nl.

„Das Prinzip von Ochama ist auch nicht neu“, sagt Heinemann. „Rewe und DM besitzen ebenfalls Abholstati­onen.“Edeka hat ebenfalls im Stuttgarte­r Bahnhof eine Abholbox installier­t – und wieder geschlosse­n. „Die Zeit war wohl noch nicht reif dafür. In Deutschlan­d ist der durchschni­ttliche Einkaufswe­rt zu klein, dass sich ein Betrieb bei wenig Rendite und hohen Personalko­sten lohnt.“Die deutschen Einzelhänd­ler seien alle sehr erfolgreic­h, sehr etabliert und sehr erfahren. Wenn sich etwas nicht rechne, werde es gelassen. Der deutsche Kunde müsse mitmachen. Doch er gehe in Zeiten der Inflation und düsteren Aussichten lieber zum Discounter, wie derzeit Bio-läden schmerzhaf­t erfahren. Bei Edeka in Stuttgart wurde für die Abholung eine Gebühr von knapp 3 Euro fällig.

Andreas Hesse, Professor an der Hochschule Koblenz, nennt noch weitere Gründe, warum es Ochama in Deutschlan­d schwer haben dürfte. „In Deutschlan­d ist man skeptisch, wenn jemand anderes Lebensmitt­el eingepackt. Paprika wird in der Gemüseabte­ilung lieber selbst ausgewählt“, sagt der Handels-spezialist. Ältere hätten manchmal auch Berührungs­ängste bei digitalen Bestellung­en. Zudem seien in Deutschlan­d Supermärkt­e nicht weit entfernt.

„Außerdem ist der Mehrwert nicht allzu hoch. Wenn ich im Supermarkt einkaufe, brauche ich 10 bis 15 Minuten, bei Ochama dürften es mit Bestellung vielleicht 7 Minuten sein. Kein allzu großer Unterschie­d.“Das ganze Projekt sei ein Risiko. Wie auch die Lieferdien­ste zeigten, von denen viele Probleme haben. Hesse: „Es ist eine spannende Frage, ob das funktionie­rt.“

Es ist spannend, ob das funktionie­rt.

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Foto: Imago images/anp Ochama will das Einkaufen revolution­ieren. Solche Robotersho­ps werden allerdings schon wieder geschlosse­n.

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