Demonstrativer Schulterschluss in Moskau
Außenpolitiker Wang Yi und Kreml-chef Wladimir Putin zelebrieren die bilateralen Beziehungen. Zuletzt hatte sich China als neutraler Vermittler in dem Konflikt angeboten.
Die Optik ließ keine Zweifel aufkommen: Als Chinas führender Außenpolitiker Wang Yi auf den russischen Präsidenten traf, herrschte demonstrativ ausgelassene Stimmung. Der kleine ovale Tisch, an dem die beiden nach einem herzlichen Handschlag Platz nahmen, ist für Putins Verhältnisse geradezu außerordentlich intim. Und auch rhetorisch gab man sich betont freundlich. Wladimir Putin pries die bilateralen Beziehungen, Wang sprach davon, dass man die „umfassende strategische Partnerschaft weiter stärken“werde.
Der Moskau-besuch des chinesischen Spitzen-diplomaten, der auch als Vorspiel für einen geplanten Gipfel zwischen Staatschef Xi Jinping und Putin dient, hat erneut bekräftigt, dass China seine doppelgleisige – und auch widersprüchliche – Position nicht geändert hat: Im Westen präsentiert man als „neutraler Vermittler“und „friedliebende Nation“, im Kreml feiert man die „felsenfeste“Freundschaft. „Im Grunde versucht China also auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen“, fasst es Evan Feigenbaum, Vize-präsident beim Washingtoner „Carnegie Endowment for International Peace“in einem aktuellen Podcast zusammen.
Westen im Niedergang
Offene, ja selbst zaghafte Kritik an Putin ließ Peking bislang nicht einmal im Geringsten durchblicken. Daran hat auch der Moskaubesuch von Wang Yi nichts geändert. Die einzige rote Linie, die Xi Jinping gezogen hat, lässt sich als Mindestmaß an Anständigkeit bezeichnen: Man toleriere weder den Einsatz von noch das Drohen mit Nuklearwaffen. Ansonsten ist im Universum der chinesischen Staatsmedien nur eine Partei Schuld am Krieg: die Vereinigten Staaten. Auch Putins Suspendierung des „New Start“-vertrags wurde in Peking nur höchst indirekt bemängelt.
Noch während der Münchner Sicherheitskonferenz hatte Peking ein „Positionspapier“zum Ukraine-krieg angekündigt, das China als diplomatischen Vermittler ins Spiel bringen soll. Auch dabei stehen wohl vor allem die Eigeninteressen des Landes im Vordergrund: Man sieht die Chance gekommen, sich als verantwortliche Staatsmacht zu präsentieren.
Immer offener melden sich chinesische Experten zu Wort, die zum Fazit gelangen, dass das Reich der Mitte vom derzeitigen Status Quo profitiert. „Ich glaube wahrhaftig, dass das asiatische Jahrhundert bereits angekommen ist“, sagte zuletzt Zhou Bo, pensionierter Oberst der Volksbefreiungsarmee und politischer Kommentator. Seine, innerhalb der chinesischen Elite weit verbreitete Annahme unterstellt, dass sich der Westen im Niedergang befindet. Und dabei isolierter ist, als es in Brüssel und Washington angenommen wird: Denn die meisten großen Länder des globalen Südens, darunter auch Indien, haben beim Ukraine-krieg eine ähnliche Russland-freundliche Haltung wie China eingenommen.