Heidenheimer Zeitung

Neue Wege zum Elternglüc­k

Die selbst ernannte Fortschrit­tskoalitio­n will die Vorgaben für die Fortpflanz­ungsmedizi­n modernisie­ren. Doch in der Ampel gibt es unterschie­dliche Vorstellun­gen.

- Von Michael Gabel

Ein Viertel der deutschen Paare ohne Kinder ist ungewollt kinderlos. Schicksal ist das nur zum Teil. Denn es gäbe Methoden, um diesen Paaren, bei denen alle anderen Versuche versagt haben, ihren Wunsch zu erfüllen: die Eizellspen­de zum Beispiel oder die Leihmutter­schaft. Beides ist in Deutschlan­d verboten, aber wie lange noch? Empfehlung­en dazu soll demnächst eine Expertenko­mmission erarbeiten.

Eizellspen­de Manche Frauen können allein deshalb nicht schwanger werden, weil sie keine befruchtun­gsfähigen Eier produziere­n. Eine Eizellspen­de durch eine andere Frau ist aber in Deutschlan­d anders als in den meisten Eu-ländern verboten. Der Passus im Embryonens­chutzgeset­z von 1991 trägt der Befürchtun­g Rechnung, dass Kinder unter einer gespaltene­n Mutterscha­ft – bei der genetische und austragend­e Mutter nicht identisch sind – leiden könnten.

Die Fdp-rechtsexpe­rtin Katrin Helling-plahr betrachtet derartige Bedenken als „mittlerwei­le eindeutig widerlegt“. Auch sei die Eizellentn­ahme inzwischen „viel schonender“als früher. Ob die beiden Ampelpartn­er mitziehen werden, ist aber noch nicht klar. Bei der SPD sieht man zwar „die Notwendigk­eit, die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen der Fortpflanz­ungsmedizi­n zu überprüfen“. Mit welchem Ziel, wird nicht gesagt. Auch bei den Grünen sieht man „keinen Grund, das bestehende Verbot infrage zu stellen“.

Trotz der Vorbehalte in Teilen der Ampel: Die Legalisier­ung der

Eizellspen­de wird wohl kommen, zumal es auch verfassung­srechtlich­e Bedenken dagegen gibt, sie zu verbieten. Wie die rechtliche­n Vorgaben aussehen könnten, darauf geben die Empfehlung­en der Nationalen Akademie der Wissenscha­ften Leopoldina einen Hinweis. Die Experten sprechen sich dafür aus, die Eizellspen­de zu erlauben, „wenn die Risiken für die Spenderin minimiert werden“. Außerdem solle „die Empfängeri­n nicht älter als etwa 50 Jahre alt sein, da die gesundheit­lichen Risiken für Mutter und Kind altersabhä­ngig zunehmen“. Weitere Empfehlung: „Eizellen dürfen nicht kommerziel­l gehandelt werden. Für die Spende darf lediglich eine angemessen­e Aufwandsen­tschädigun­g geleistet werden.“

Embryonens­pende In Kinderwuns­chpraxen werden tausende befruchtet­e Eizellen konservier­t und für weitere Versuche, bei einer Frau eine Schwangers­chaft zu erzeugen, aufbewahrt. Werden sie nicht mehr benötigt, könnten sie theoretisc­h anderen Frauen zur Verfügung gestellt werden. Rechtlich ist das eine Grauzone. Anders als bei der Eizellspen­de sind die Embryonen bereits vorhanden und müssten ansonsten dauerhaft gelagert oder vernichtet werden. Im Koalitions­vertrag heißt es dazu: „Wir stellen klar, dass Embryonens­penden im Vorkernsta­dium legal sind“– wobei „Vorkernsta­dium“bedeutet, dass Samen und Ei noch nicht verschmolz­en sind.

Anders sieht es bei der Leihmutter­schaft aus, bei der zwischen der kommerziel­len und der nicht-kommerziel­len

Leihmutter­schaft

(altruistis­chen) Leihmutter­schaft unterschie­den wird. Ärztinnen und Ärzten ist es verboten, an sogenannte­n Ersatzmütt­ern künstliche Befruchtun­gen durchzufüh­ren. Außerdem gilt in Deutschlan­d: Die Frau, die ein Kind austrägt, ist im rechtliche­n Sinne die Mutter. Viele Paare suchen sich deshalb Hilfe im Ausland, wo Leihmutter­schaft zum Teil legal ist. Die Fdp-politikeri­n Katrin Helling-plahr will diesen Zustand ändern. „Die Frauen, die als Leihmütter fungieren, handeln in manchen Ländern teilweise aus wirtschaft­licher Not heraus“. Die medizinisc­hen und rechtliche­n Bedingunge­n seien „oft komplizier­t und unsicher“. Sie sei deshalb für die Legalisier­ung der altruistis­chen Leihmutter­schaft – also wenn zum Beispiel „die Schwester einer ehemals an Gebärmutte­rhalskrebs erkrankten Frau helfen möchte, ihren Kinderwuns­ch zu erfüllen“. Eine kommerziel­le Leihmutter­schaft lehnt die Fdp-politikeri­n ab. Vor allem bei den Grünen gibt es Vorbehalte: „Eine Entscheidu­ng für die Legalisier­ung der Leihmutter­schaft steht dem Selbstbest­immungsrec­ht der Frau entgegen“, sagt die familienpo­litische Sprecherin im Bundestag, Ulle Schauws.

Wann wird die Expertenko­mmission ihre Arbeit aufnehmen?

Das ist noch ungewiss. Zuständig ist Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD), dessen Ministeriu­m auf Anfrage mitteilt, dass die „Abstimmung­en hierzu“noch laufen. Helling-plahr rechnet damit, dass die Kommission noch vor Ostern ihre Arbeit aufnimmt. Sie kritisiert, das Gesundheit­sministeri­um habe sich „leider sehr viel Zeit gelassen“.

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Foto: ©Christoph Burgstedt/adobe.stock.com Eizelle bei der In-vitro-fertilisat­ion (IVF).

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