Ein Kilo Marihuana für eigene Sucht?
Bei einer Hausdurchsuchung fand die Polizei die Betäubungsmittel, die ein Familienvater angeblich nur für sich kaufte. Angeklagt war er jetzt aber auch wegen des Handels mit den Drogen.
Eine Plastiktüte mit reichlich Marihuana, eine Feinwaage und ein Bündel Geldscheine – für die Polizeibeamten, die im Januar ein Haus auf den Reutenen durchsuchten, konnten die Beweise kaum eindeutiger sein. Nun musste sich ein 41-jähriger Familienvater wegen des Handels mit und des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht unerheblichen Menge vor dem Heidenheimer Schöffengericht verantworten.
Er kam mit einem blauen Auge davon, wie es Amtsgerichtsdirektor Rainer Feil formulierte. Weil der Angeklagte keine Vorstrafen hat und sich im Prozess kooperativ zeigte, ersparte das Schöffengericht ihm einen Gefängnisaufenthalt. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt.
Da es um fast ein Kilo Marihuana ging, hätte das Urteil auch ganz anders ausfallen können. Das wusste auch der Angeklagte, dem die Angst ins Gesicht geschrieben stand. Er beteuerte, das Cannabis rein zum Eigenverbrauch gekauft zu haben. Lediglich an Freunde habe er dann doch welches abgegeben. Dabei sei es aber nicht darum gegangen, Gewinn zu machen.
Zwei bis drei Joints täglich
Der Angeklagte berichtete, bereits seit vielen Jahren täglich selbst zu konsumieren. Jeden Abend habe er in seinem „Herrenzimmer“im Keller zwei bis drei Joints geraucht, um „runterzukommen“. Das „Gras“habe er normalerweise in Mengen von 200 oder 300 Gramm gekauft, immer in der Angst, dabei erwischt zu werden. Deshalb habe er im Herbst 2021 eine große Menge erworben.
Zum einen sei der Preis dann günstiger, so der 41-Jährige, zum anderen habe er es sich ersparen wollen, mit jedem Kauf das Risiko einzugehen, erwischt zu werden.
Zweimal habe er an eine Bekannte aus Gefälligkeit Marihuana verkauft, einmal 50 Gramm, ein zweites Mal 74 Gramm, räumte der Angeklagte ein. Bei diesem zweiten Deal im Januar 2022 hatte die Polizei ihn bereits im Visier, und nur wenige Tage darauf erfolgte die Hausdurchsuchung.
Komplett weg von den Drogen
Das habe für ihn einen Wendepunkt markiert, beteuerte er vor Gericht. Er sei geschockt gewesen, habe sein Leben von heute auf morgen geändert und komplett auf Drogen verzichtet. Wie sein Verteidiger Stefan Unrein bestätigte, habe sein Mandant seit knapp einem Jahr an einem Abstinenzprogramm teilgenommen, bei dem er regelmäßig auf Drogen getestet worden sei.
Das verdiene in jedem Fall Respekt betonten Richter Feil und Staatsanwalt Dr. Hermann. Sie zeigten viel Verständnis für den Angeklagten, der berichtete, dass er als Selbstständiger um die Existenz seiner Familie fürchte, sollte er ins Gefängnis müssen.
Richter und Staatsanwalt hielten ihm aber auch vor, dass so einiges gegen seine Darstellung spreche. So glaubte Feil ihm nicht, dass es ausschließlich zu den beiden Deals gekommen sei, die die Polizei ihm habe nachweisen können: Fast ein Kilo Marihuana hätte bei reinem Eigenverbrauch für fast zwei Jahre gereicht, „und das Zeug wird ja nicht besser“.
Auch Zweifel an den Aussagen
Die Tüte mit den Drogen und daneben eine Rolle mit mehr als 2000 Euro Bargeld sowie eine Feinwaage sah Feil ebenfalls als deutliche Beweise für weitere Verkaufstätigkeiten. Das Argument, dass es sich bei dem Geld um Trinkgelder handele, hielt Feil für nicht glaubhaft. Belastet wurde der Angeklagte zudem durch die Aussage einer ehemaligen Kundin, die der Polizei gegenüber angegeben hatte, dass sie mehrfach beim Angeklagten Marihuana gekauft habe.
Doch die große Rolle spielte der Umfang des Handels ohnehin nicht, da für Besitz und Handel in dieser Menge das Strafmaß das gleiche sei, wie Unrein einfließen ließ. Auch Hermann hielt es deshalb für unerheblich, wie viel Cannabis letztendlich verkauft wurde. Er zweifelte aber an der Glaubwürdigkeit des Angeklagten und fragte sich, ob dieser „sich nicht selbst in die Tasche lügt“.
Dennoch stellte er insgesamt eine positive Prognose für den Angeklagten. Neben einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten forderte er den Einzug des sichergestellten Geldes, das er als Geld aus Drogengeschäften bewertete. Weiter forderte er die Zahlung einer Geldauflage von 7500 Euro und sechs Drogen-screenings in den nächsten beiden Jahren.
Rechtsanwalt Unrein verwies auf die grundsätzliche Lebensänderung seines Mandanten. Er hielt eine Strafe von einem Jahr und fünf Monaten, eine deutlich geringere Geldauflage und Abstinenznachweise für ein halbes Jahr für angemessen. Das Schöffengericht einigte sich schließlich auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten und eine Zahlung von 6000 Euro an den Hilfs- und Wohltätigkeitsverein. Es sah zudem die regelmäßigen Drogen-screenings für zwei Jahre als wichtig an.
In der Begründung führte Richter Feil aus, man sei davon ausgegangen, dass der Großteil der Drogen für den Eigenkonsum beschafft worden sei. Der Handel habe sich wohl im erweiterten Bekanntenkreis ergeben. Der Angeklagte habe das Geld aber nicht gebraucht, um seine Sucht damit zu finanzieren. Die eigene Abhängigkeit und die Einflüsse der Droge auf die Psyche hätten wohl zu einer fehlenden Einsichtsfähigkeit des Angeklagten geführt. Es sei aber anzuerkennen, dass der Angeklagte aus dieser Sache Lehren gezogen habe.