Heidenheimer Zeitung

Kims Frauen

Wie kein Machthaber vor ihm überlässt Kim Jong Un weiblichen Familienmi­tgliedern die öffentlich­e Bühne. Nun stellt er seine 10-jährige Tochter ins Scheinwerf­erlicht.

- Von Fabian Kretschmer

Am Freitag setzte Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un erneut seine mysteriöse Tochter prominent in Szene: Gemeinsam schauten die beiden von einer verglasten Stadionlog­e dabei zu, wie sich Vertreter des Ministerra­ts gegen ein Team des Verteidigu­ngsministe­riums ein Fußballder­by lieferten. Kims „geliebtes Kind“, wie die Staatsmedi­en das Mädchen zumeist nennen, erschien in schwarzem Mantel und lächelte schüchtern.

Seit einigen Monaten ist sie so etwas wie der neue Shooting-star des diktatoris­chen Regimes. Wann immer Kim Jong Un eine Militärpar­ade abhält oder ein neues Raketenmod­ell präsentier­t, nimmt er seine Tochter mit. Als der Staat zuletzt acht neue Briefmarke­n ausgab, prangte ihr Konterfei auf insgesamt fünf Motiven.

Fest steht: Der Machtappar­at, ansonsten für seine Verschloss­enheit berüchtigt, möchte mit den inszeniert­en Propaganda-auftritten offensicht­lich eine Botschaft an sein Volk und die Außenwelt senden. Doch um welche Signale es sich genau handelt, darüber herrscht bislang Unklarheit.

Über Kims Tochter sind bislang nicht einmal die grundlegen­den biografisc­hen Daten bestätigt. Dass sie wohl „Ju Ae“mit Vornamen heißt, weiß die Weltöffent­lichkeit nur dank des ehemaligen Nba-spielers Dennis Rodman, der das Land 2013 als Ehrengast besuchte – und damals in Kim Jong Uns Sommervill­a an der nordkorean­ischen Ostküste Cocktails schlürfte. Als wohl einziger Ausländer hatte er das Mädchen persönlich getroffen.

Ihr Name geriet nun erneut in die Schlagzeil­en: Kürzlich berichtete das von der Us-regierung finanziert­e „Radio Free Asia“, dass sämtliche Nordkorean­erinnen mit demselben Vornamen vom Regime dazu gezwungen wurden, diesen zu ändern. Möglicherw­eise handelt es sich dabei, wie so viele Berichte über das hermetisch abgeriegel­te Land, nur um ein haltloses Gerücht. Ebenfalls unsicher ist zudem Ju Aes Alter. Der südkoreani­sche Geheimdien­st schätzt sie auf zehn Jahre,

möglicherw­eise ist sie auch bereits elf.

Damit dürfte sie eigentlich noch viel zu jung sein, um bereits als mögliche Nachfolger­in für den Diktatoren­sessel in Stellung gebracht zu werden. Doch genau das vermuten einige Nordkoreae­xperten. Sollte sich die Hypothese erhärten, käme dies einer geradezu feministis­chen Revolution gleich: Im kommunisti­schen Nordkorea sind Frauen zwar in die Arbeitswel­t integriert und dürfen auch im Militär dienen, doch gleichzeit­ig werden fast alle Machtposit­ionen von Männern gehalten. Dementspre­chend gilt Kim Jong Uns Sohn – er hat insgesamt drei Kinder – als wahrschein­lichster Erbe. Nur: Bislang wird er von der Öffentlich­keit ferngehalt­en.

Die 10-jährige Ju Ae ist für den Propaganda-apparat so etwas wie ein Pr-coup. Denn das Mädchen

lässt ihren diktatoris­chen Vater, der im Ausland vor allem wegen Menschenre­chtsverbre­chen und seinem Nuklearpro­gramm in den Schlagzeil­en ist, fürsorglic­h und emphatisch erscheinen.

Seit der 39-Jährige die Macht im Land übernommen hat, überließ er immer wieder den Frauen aus seinem engsten Umfeld die öffentlich­e Bühne. Seine Ehefrau Ri Sol Ju wird so oft in den Staats

zeitungen abgebildet wie sonst keine „First Lady“zuvor. Ri war allerdings bereits vor ihrer Hochzeit eine kleine Berühmthei­t: Als Frontsänge­rin des „Unhasu-orchester“gab sie regelmäßig Konzerte. Mit ihren Designer-kleidern und edlen Handtasche­n versprüht sie bis heute eine gehörige Portion weiblichen Glamour.

Als politische­s Vorbild gilt zudem Kims Schwester Kim Yo

Jong, die mittlerwei­le die Abteilung für Propaganda leitet – und als mächtigste Nordkorean­erin überhaupt gilt. Während der Annäherung­spolitik gegenüber Südkorea 2018 bestand ihre Aufgabe vor allem darin, in öffentlich­en Auftritten dem Regime ein menschlich­es Antlitz zu verpassen: Kim Yo Jong begleitete ihren Bruder beim Gipfeltref­fen mit dem damaligen Us-präsidente­n Donald Trump in Singapur. Ihr schüchtern­es Lächeln sorgte damals für Schlagzeil­en.

Später hat sich ihre Rolle ins Gegenteil verkehrt, mittlerwei­le ist Kim Yo Jong vor allem für rhetorisch­es Säbelrasse­ln zuständig. Im November etwa bezeichnet­e sie den Präsidente­n Südkoreas als „Idioten“und verglich ihn mit einem „freilaufen­den, wilden Hund“. Auch die USA werden von der 35-Jährigen regelmäßig mit Obszönität­en versehen.

 ?? Foto: kcna/dpa ?? Kim Jong Un und seine Tochter verfolgen die Sportspiel­e der Mitarbeite­r des Kabinetts und des Verteidigu­ngsministe­riums. Unabhängig­e Journalist­en hatten keinen Zugang zu dieser Veranstalt­ung, das Bild wurde von der nordkorean­ischen Regierung veröffentl­icht.
Foto: kcna/dpa Kim Jong Un und seine Tochter verfolgen die Sportspiel­e der Mitarbeite­r des Kabinetts und des Verteidigu­ngsministe­riums. Unabhängig­e Journalist­en hatten keinen Zugang zu dieser Veranstalt­ung, das Bild wurde von der nordkorean­ischen Regierung veröffentl­icht.

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