Kims Frauen
Wie kein Machthaber vor ihm überlässt Kim Jong Un weiblichen Familienmitgliedern die öffentliche Bühne. Nun stellt er seine 10-jährige Tochter ins Scheinwerferlicht.
Am Freitag setzte Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un erneut seine mysteriöse Tochter prominent in Szene: Gemeinsam schauten die beiden von einer verglasten Stadionloge dabei zu, wie sich Vertreter des Ministerrats gegen ein Team des Verteidigungsministeriums ein Fußballderby lieferten. Kims „geliebtes Kind“, wie die Staatsmedien das Mädchen zumeist nennen, erschien in schwarzem Mantel und lächelte schüchtern.
Seit einigen Monaten ist sie so etwas wie der neue Shooting-star des diktatorischen Regimes. Wann immer Kim Jong Un eine Militärparade abhält oder ein neues Raketenmodell präsentiert, nimmt er seine Tochter mit. Als der Staat zuletzt acht neue Briefmarken ausgab, prangte ihr Konterfei auf insgesamt fünf Motiven.
Fest steht: Der Machtapparat, ansonsten für seine Verschlossenheit berüchtigt, möchte mit den inszenierten Propaganda-auftritten offensichtlich eine Botschaft an sein Volk und die Außenwelt senden. Doch um welche Signale es sich genau handelt, darüber herrscht bislang Unklarheit.
Über Kims Tochter sind bislang nicht einmal die grundlegenden biografischen Daten bestätigt. Dass sie wohl „Ju Ae“mit Vornamen heißt, weiß die Weltöffentlichkeit nur dank des ehemaligen Nba-spielers Dennis Rodman, der das Land 2013 als Ehrengast besuchte – und damals in Kim Jong Uns Sommervilla an der nordkoreanischen Ostküste Cocktails schlürfte. Als wohl einziger Ausländer hatte er das Mädchen persönlich getroffen.
Ihr Name geriet nun erneut in die Schlagzeilen: Kürzlich berichtete das von der Us-regierung finanzierte „Radio Free Asia“, dass sämtliche Nordkoreanerinnen mit demselben Vornamen vom Regime dazu gezwungen wurden, diesen zu ändern. Möglicherweise handelt es sich dabei, wie so viele Berichte über das hermetisch abgeriegelte Land, nur um ein haltloses Gerücht. Ebenfalls unsicher ist zudem Ju Aes Alter. Der südkoreanische Geheimdienst schätzt sie auf zehn Jahre,
möglicherweise ist sie auch bereits elf.
Damit dürfte sie eigentlich noch viel zu jung sein, um bereits als mögliche Nachfolgerin für den Diktatorensessel in Stellung gebracht zu werden. Doch genau das vermuten einige Nordkoreaexperten. Sollte sich die Hypothese erhärten, käme dies einer geradezu feministischen Revolution gleich: Im kommunistischen Nordkorea sind Frauen zwar in die Arbeitswelt integriert und dürfen auch im Militär dienen, doch gleichzeitig werden fast alle Machtpositionen von Männern gehalten. Dementsprechend gilt Kim Jong Uns Sohn – er hat insgesamt drei Kinder – als wahrscheinlichster Erbe. Nur: Bislang wird er von der Öffentlichkeit ferngehalten.
Die 10-jährige Ju Ae ist für den Propaganda-apparat so etwas wie ein Pr-coup. Denn das Mädchen
lässt ihren diktatorischen Vater, der im Ausland vor allem wegen Menschenrechtsverbrechen und seinem Nuklearprogramm in den Schlagzeilen ist, fürsorglich und emphatisch erscheinen.
Seit der 39-Jährige die Macht im Land übernommen hat, überließ er immer wieder den Frauen aus seinem engsten Umfeld die öffentliche Bühne. Seine Ehefrau Ri Sol Ju wird so oft in den Staats
zeitungen abgebildet wie sonst keine „First Lady“zuvor. Ri war allerdings bereits vor ihrer Hochzeit eine kleine Berühmtheit: Als Frontsängerin des „Unhasu-orchester“gab sie regelmäßig Konzerte. Mit ihren Designer-kleidern und edlen Handtaschen versprüht sie bis heute eine gehörige Portion weiblichen Glamour.
Als politisches Vorbild gilt zudem Kims Schwester Kim Yo
Jong, die mittlerweile die Abteilung für Propaganda leitet – und als mächtigste Nordkoreanerin überhaupt gilt. Während der Annäherungspolitik gegenüber Südkorea 2018 bestand ihre Aufgabe vor allem darin, in öffentlichen Auftritten dem Regime ein menschliches Antlitz zu verpassen: Kim Yo Jong begleitete ihren Bruder beim Gipfeltreffen mit dem damaligen Us-präsidenten Donald Trump in Singapur. Ihr schüchternes Lächeln sorgte damals für Schlagzeilen.
Später hat sich ihre Rolle ins Gegenteil verkehrt, mittlerweile ist Kim Yo Jong vor allem für rhetorisches Säbelrasseln zuständig. Im November etwa bezeichnete sie den Präsidenten Südkoreas als „Idioten“und verglich ihn mit einem „freilaufenden, wilden Hund“. Auch die USA werden von der 35-Jährigen regelmäßig mit Obszönitäten versehen.