Die neue Friedensbewegung
Je länger der Konflikt dauert, desto besorgter werden viele. Wie lässt sich das Töten und Sterben beenden?
Am Ende hat Lula doch noch eingelenkt. Als ihn der Bundeskanzler Ende Januar besucht, revidiert der brasilianische Präsident in der gemeinsamen Presseerklärung seine Ansicht, wonach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und die Nato mitschuldig am Kriegsausbruch sind. Russland habe „den klassischen Fehler gemacht, in das Territorium eines anderen Landes einzudringen“. Aber: „Wenn einer nicht will, können zwei nicht streiten.“Lula will vermitteln. Zumindest für den Kreml dürfte der brasilianische Präsident akzeptabel sein, denn er lehnt Sanktionen gegen Russland ebenso ab wie Munitionslieferungen an die Ukraine.
Nun hat Peking einen 12-Punkte-plan vorgestellt, in dem eine sofortige Wiederaufnahme von Verhandlungen gefordert wird. Doch wie groß ist die Wirkung angesichts der Tatsache, dass China laut „Spiegel“mit den Russen auch über die Lieferung von Kamikazedrohnen verhandelt?
Die deutsche Initiative, die einem „Manifest für den Frieden“folgt, das von der linken Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht und der Publizistin Alice Schwarzer verfasst wurde, setzt nicht zuletzt auf den Verzicht auf Waffenlieferungen an die Ukraine. Es heißt zwar: „Die von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität“, worauf aber die Frage folgt, was das denn heiße. „Und was ist jetzt, ein Jahr danach, eigentlich das Ziel dieses Krieges?“
Vorschläge fehlen
Von einem befürchteten „maximalen Gegenschlag“seitens Putins „spätestens bei einem Angriff auf die Krim“wird gesprochen. „Verhandeln heißt nicht kapitulieren“, stellen die Autorinnen fest. „Verhandeln heißt, Kompromisse machen, auf beiden Seiten.“Welche Kompromisse? Kein Vorschlag. Den Aufruf haben viele bekannte Persönlichkeiten und insgesamt über 620 000 Menschen
unterschrieben. Dass auch Afd-chef Chrupalla unterzeichnet hat und mit Afd-anhängern bei der angekündigten Friedensdemo in Berlin zu rechnen ist, hat der Führung der Linkspartei die Möglichkeit eröffnet, vorsichtig auf Distanz zu gehen, obwohl im Grunde die Position der Linken dem Inhalt des Manifests äußerst ähnlich ist.
Und auch der deutsche Philosoph Jürgen Habermas (93) hat in einem „Plädoyer für Verhandlungen“, veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung, die Sorge zum Ausdruck gebracht, dass „Parteilichkeit in Parteisein umschlagen könnte“. Zwar sieht Habermas „einstweilen kein Anzeichen dafür, dass sich Putin auf Verhandlungen einlassen würde“, aber es geht ihm um den „vorbeugenden Charakter von Verhandlungen“, damit nicht das Dilemma entsteht, entweder aktiv in den Krieg eingreifen zu müssen, oder um einen Atomkrieg zu vermeiden, „die Ukraine ihrem Schicksal zu überlassen“.