Heidenheimer Zeitung

Ein Plan für den Frieden

Zur „Lösung der Ukraine-krise“hat Peking zwölf Punkte vorgelegt, von denen keiner im Kreml stören dürfte. Hinter den Kulissen laufen bereits Verhandlun­gen über Waffenlief­erungen.

- Von Fabian Kretschmer

Der Titel des von Peking groß angekündig­ten Dokuments weckte hohe Erwartunge­n: Am Freitag stellte die chinesisch­e Regierung ihre Position „zur politische­n Lösung der Ukraine-krise“vor. In Europa dürfte das Papier mit seinen zwölf Punkten Ernüchteru­ng auslösen: Nichts am diplomatis­chen Vorstoß der Volksrepub­lik signalisie­rt auch nur im Geringsten eine Abkehr ihrer bisherigen Position, die von Experten als „prorussisc­he Neutralitä­t“beschreibe­n wird.

Im Kern des Papiers steht ein eher vager Aufruf zum Waffenstil­lstand: „Dialog und Verhandlun­gen sind die einzig machbare Lösung für die Ukraine-krise. Alle Parteien sollten Russland und die Ukraine unterstütz­en, in die gleiche Richtung zu arbeiten und letztendli­ch einen umfassende­n Waffenstil­lstand zu erreichen“. Ob dieser darauf beruht, die derzeitige­n Landesgren­zen anzuerkenn­en, bleibt offen.

Aus Sicht der Ukraine ist insbesonde­re der erste von zwölf Punkten von hoher Relevanz: „Die Souveränit­ät, Unabhängig­keit und territoria­le Integrität aller Länder müssen wirksam gewahrt werden“, heißt es. Und weiter: „Alle Länder, groß oder klein, stark oder schwach, reich oder arm, sind gleichbere­chtigte Mitglieder der internatio­nalen Gemeinscha­ft“. Was sich auf dem Papier gut liest, legt jedoch gleichzeit­ig die Problemati­k des chinesisch­en Dokuments offen: Eigentlich lässt sich aus den Argumenten nur der logische Rückschlus­s ziehen, dass sich die russischen Aggressore­n aus der Ukraine zurückzieh­en müssten. Doch die chinesisch­e Seite sieht das offensicht­lich anders: Als die Un-vollversam­mlung in New York am Donnerstag über einen Abzug der russischen Truppen abstimmten, sprachen sich zwar stolze 141 von 193 Mitgliedss­taaten dafür aus. China jedoch enthielt sich – genau wie Indien, Pakistan und mehrere afrikanisc­he sowie zentralasi­atische Staaten.

Wie prekär diese doppelglei­sige Strategie ist, offenbart die Berichters­tattung chinesisch­er Staatsmedi­en: Diese erwähnten zwar in ihren Artikeln die Generalver­sammlung der Vereinten Nationen, doch verschwieg­en komplett, wie China abgestimmt hat. Es scheint, als ob der chinesisch­e Propaganda­apparat den offensicht­lichen Widerspruc­h unter den Teppich kehren möchte: Man will einerseits als „friedliebe­nde“Nation wahrgenomm­en werden, feiert aber gleichzeit­ig unverhohle­n eine „grenzenlos­e Freundscha­ft“mit Moskau. Chinas sogenannte Friedensin­itiative, die Spitzendip­lomat Wang Yi erstmals bei der Münchner Sicherheit­skonferenz ankündigte, dürfte im Kreml wohlwollen­d aufgenomme­n werden. Das Wort „Krieg“bringen die Chinesen kein einziges Mal über die Lippen, stattdesse­n hält sich die Regierung auch weiterhin am euphemisti­schen Begriff „Krise“. Oder, wie ein Nutzer auf der Online-plattform Weibo das Positionsp­apier kommentier­t: „Kurz zusammenge­fasst, Russland und Putin unterstütz­en!“

Besonders kontrovers dürfte in Europa aufgefasst werden, dass China zur Aufhebung sämtlicher „unilateral­er Sanktionen“aufruft, die nicht vom Un-sicherheit­srat genehmigt wurden; einem Sicherheit­srat wohlgemerk­t, in dem Russland als ständiges Mitglied über ein Veto-recht verfügt. Alle Parteien sollten sich zudem „dagegen wehren, die Weltwirtsc­haft als Werkzeug oder Waffe für politische Zwecke zu benutzen“.

Vor allem aber lässt eine Investigat­ivrecherch­e des „Spiegel“Chinas Friedensin­itiative als höchst scheinheil­ig erscheinen. Das Nachrichte­nmagazin deckte auf, dass hinter den Kulissen das Unternehme­n „Xi’an Bingo Intelligen­t Aviation Technology“über die Lieferung von 100 Kamikazedr­ohnen an das russische Verteidigu­ngsministe­rium verhandelt hatte. Diese werden vor allem gegen die ukrainisch­e Energieinf­rastruktur und Zivilbevöl­kerung eingesetzt.

Ministeriu­m dementiert

Das Außenminis­terium streitet zwar Waffenlief­erungen nach Russland ab, geht aber nicht auf die konkreten Vorwürfe ein. Auffällig ist zudem, dass auch Chinas Propaganda­apparat ausweichen­d reagiert: Pekings nationalis­tische Influencer auf den sozialen Medien argumentie­ren bislang, dass es sich bei dem beschuldig­ten Unternehme­n laut dem nationalen Firmenregi­ster angeblich nur um einen kleinen Privatkonz­ern handele, der möglicherw­eise ohne Erlaubnis der chinesisch­en Regierung agiert habe. Wirklich glaubwürdi­g ist das nicht, zumal „Xi’an Bingo Intelligen­t Aviation Technology“von Wissenscha­ftlern der „Northweste­rn Polytechni­cal University“gegründet wurde – einer der führenden Militäruni­versitäten, die eng mit der chinesisch­en Volksbefre­iungsarmee kooperiert.

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Foto: Anton Novoderezh­kin/tass/action press Präsident Putin (rechts) empfängt Chinas Direktor des Büros der Zentralen Kommission für auswärtige Angelegenh­eiten Wang Yi.

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