Ein Plan für den Frieden
Zur „Lösung der Ukraine-krise“hat Peking zwölf Punkte vorgelegt, von denen keiner im Kreml stören dürfte. Hinter den Kulissen laufen bereits Verhandlungen über Waffenlieferungen.
Der Titel des von Peking groß angekündigten Dokuments weckte hohe Erwartungen: Am Freitag stellte die chinesische Regierung ihre Position „zur politischen Lösung der Ukraine-krise“vor. In Europa dürfte das Papier mit seinen zwölf Punkten Ernüchterung auslösen: Nichts am diplomatischen Vorstoß der Volksrepublik signalisiert auch nur im Geringsten eine Abkehr ihrer bisherigen Position, die von Experten als „prorussische Neutralität“beschreiben wird.
Im Kern des Papiers steht ein eher vager Aufruf zum Waffenstillstand: „Dialog und Verhandlungen sind die einzig machbare Lösung für die Ukraine-krise. Alle Parteien sollten Russland und die Ukraine unterstützen, in die gleiche Richtung zu arbeiten und letztendlich einen umfassenden Waffenstillstand zu erreichen“. Ob dieser darauf beruht, die derzeitigen Landesgrenzen anzuerkennen, bleibt offen.
Aus Sicht der Ukraine ist insbesondere der erste von zwölf Punkten von hoher Relevanz: „Die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität aller Länder müssen wirksam gewahrt werden“, heißt es. Und weiter: „Alle Länder, groß oder klein, stark oder schwach, reich oder arm, sind gleichberechtigte Mitglieder der internationalen Gemeinschaft“. Was sich auf dem Papier gut liest, legt jedoch gleichzeitig die Problematik des chinesischen Dokuments offen: Eigentlich lässt sich aus den Argumenten nur der logische Rückschluss ziehen, dass sich die russischen Aggressoren aus der Ukraine zurückziehen müssten. Doch die chinesische Seite sieht das offensichtlich anders: Als die Un-vollversammlung in New York am Donnerstag über einen Abzug der russischen Truppen abstimmten, sprachen sich zwar stolze 141 von 193 Mitgliedsstaaten dafür aus. China jedoch enthielt sich – genau wie Indien, Pakistan und mehrere afrikanische sowie zentralasiatische Staaten.
Wie prekär diese doppelgleisige Strategie ist, offenbart die Berichterstattung chinesischer Staatsmedien: Diese erwähnten zwar in ihren Artikeln die Generalversammlung der Vereinten Nationen, doch verschwiegen komplett, wie China abgestimmt hat. Es scheint, als ob der chinesische Propagandaapparat den offensichtlichen Widerspruch unter den Teppich kehren möchte: Man will einerseits als „friedliebende“Nation wahrgenommen werden, feiert aber gleichzeitig unverhohlen eine „grenzenlose Freundschaft“mit Moskau. Chinas sogenannte Friedensinitiative, die Spitzendiplomat Wang Yi erstmals bei der Münchner Sicherheitskonferenz ankündigte, dürfte im Kreml wohlwollend aufgenommen werden. Das Wort „Krieg“bringen die Chinesen kein einziges Mal über die Lippen, stattdessen hält sich die Regierung auch weiterhin am euphemistischen Begriff „Krise“. Oder, wie ein Nutzer auf der Online-plattform Weibo das Positionspapier kommentiert: „Kurz zusammengefasst, Russland und Putin unterstützen!“
Besonders kontrovers dürfte in Europa aufgefasst werden, dass China zur Aufhebung sämtlicher „unilateraler Sanktionen“aufruft, die nicht vom Un-sicherheitsrat genehmigt wurden; einem Sicherheitsrat wohlgemerkt, in dem Russland als ständiges Mitglied über ein Veto-recht verfügt. Alle Parteien sollten sich zudem „dagegen wehren, die Weltwirtschaft als Werkzeug oder Waffe für politische Zwecke zu benutzen“.
Vor allem aber lässt eine Investigativrecherche des „Spiegel“Chinas Friedensinitiative als höchst scheinheilig erscheinen. Das Nachrichtenmagazin deckte auf, dass hinter den Kulissen das Unternehmen „Xi’an Bingo Intelligent Aviation Technology“über die Lieferung von 100 Kamikazedrohnen an das russische Verteidigungsministerium verhandelt hatte. Diese werden vor allem gegen die ukrainische Energieinfrastruktur und Zivilbevölkerung eingesetzt.
Ministerium dementiert
Das Außenministerium streitet zwar Waffenlieferungen nach Russland ab, geht aber nicht auf die konkreten Vorwürfe ein. Auffällig ist zudem, dass auch Chinas Propagandaapparat ausweichend reagiert: Pekings nationalistische Influencer auf den sozialen Medien argumentieren bislang, dass es sich bei dem beschuldigten Unternehmen laut dem nationalen Firmenregister angeblich nur um einen kleinen Privatkonzern handele, der möglicherweise ohne Erlaubnis der chinesischen Regierung agiert habe. Wirklich glaubwürdig ist das nicht, zumal „Xi’an Bingo Intelligent Aviation Technology“von Wissenschaftlern der „Northwestern Polytechnical University“gegründet wurde – einer der führenden Militäruniversitäten, die eng mit der chinesischen Volksbefreiungsarmee kooperiert.