Schweigen als Antwort
herrschte vor allem Schweigen. Die Sprecher des Kreml und des Außenministeriums äußerten sich nicht zu dem chinesischen Positionspapier. Der Initiative aus Peking zum Trotz prophezeiten Politiker aus der zweiten Reihe wie Ex-präsident Dmitri Medwedew oder Ex-rosatomchef Dmitri Rogosin per Telegram ein siegreiches Ende der „Kriegsspezialoperation“in der Ukraine. Die Staatsagentur RIA Nowosti, sonst für triumphale Kommentare bekannt, meldete die zwölf Vorschläge aus Peking knapp und ohne jede Einschätzung. Die staatliche Massenzeitung Komsomolskaja Prawda unterschlug die Forderung der Chinesen, die Souveränität und territoriale Unverletzlichkeit aller Länder zu wahren, außerdem den Aufruf, keine Atomwaffen einzusetzen. Seit über einem Jahr drohen Wladimir Putin und seine Propagandisten immer wieder mit deren Einsatz. Umso ausführlicher feierte die Komsomolskaja Prawda Vorschlag 10, der ein Ende der einseitigen Sanktionen fordert, also vor allem westlicher Sanktionen gegen Russland.
Unter dem Strich aber scheint das Postulat der „territorialen Integrität und der einheitlichen Anwendung des Völkerrechts“Russlands politische Öffentlichkeit stark zu irritieren. Denn in die Praxis umgesetzt, bedeutete es den Verlust aller Gebiete, die man in der Ukraine völkerrechtswidrig besetzt oder annektiert hat, einschließlich der Krim.
Unter dem Strich scheint die Initiative aus Peking vor allem zu irritieren.
Ein Großteil der Medien berichtete vor allem von skeptischen Reaktionen westlicher Politiker, deren Worte man schon als Ablehnung wertete. Offenbar wünschen sich gerade die Militärpatrioten insgeheim, Chinas zwölf Vorschläge kämen schnell wieder vom Tisch. Der Kriegsblogger Igor Strelkow äußerte auf Telegram die Hoffnung, dass die Vereinigten Staaten und „ihre Kiewer Marionetten“die Meinung Chinas ignorierten und Peking am Ende Russland stärker unterstützen werde.
Auch Vertreter der liberalen Moskauer Intelligenz äußerten sich kritisch. Ein Politologe, der nicht namentlich genannt werden will, bezeichnete die chinesischen Vorschläge als so abstrakt, dass jeder damit einverstanden sei, aber keiner sie umsetzen werde. Auch der erste Punkt zur territorialen Integrität könne von Ukrainern und Russen unterschiedlich gesehen werden. „Es fehlen konkrete, harte Vorschläge, etwa ein sofortiger Waffenstillstand und Verhandlungen unter einer vorläufigen Ausklammerung der Gebietsfragen.“Er sei enttäuscht, dass China so wenig an einem Frieden in der Ukraine interessiert sei.