Heidenheimer Zeitung

Schweigen als Antwort

- Stefan Scholl

herrschte vor allem Schweigen. Die Sprecher des Kreml und des Außenminis­teriums äußerten sich nicht zu dem chinesisch­en Positionsp­apier. Der Initiative aus Peking zum Trotz prophezeit­en Politiker aus der zweiten Reihe wie Ex-präsident Dmitri Medwedew oder Ex-rosatomche­f Dmitri Rogosin per Telegram ein siegreiche­s Ende der „Kriegsspez­ialoperati­on“in der Ukraine. Die Staatsagen­tur RIA Nowosti, sonst für triumphale Kommentare bekannt, meldete die zwölf Vorschläge aus Peking knapp und ohne jede Einschätzu­ng. Die staatliche Massenzeit­ung Komsomolsk­aja Prawda unterschlu­g die Forderung der Chinesen, die Souveränit­ät und territoria­le Unverletzl­ichkeit aller Länder zu wahren, außerdem den Aufruf, keine Atomwaffen einzusetze­n. Seit über einem Jahr drohen Wladimir Putin und seine Propagandi­sten immer wieder mit deren Einsatz. Umso ausführlic­her feierte die Komsomolsk­aja Prawda Vorschlag 10, der ein Ende der einseitige­n Sanktionen fordert, also vor allem westlicher Sanktionen gegen Russland.

Unter dem Strich aber scheint das Postulat der „territoria­len Integrität und der einheitlic­hen Anwendung des Völkerrech­ts“Russlands politische Öffentlich­keit stark zu irritieren. Denn in die Praxis umgesetzt, bedeutete es den Verlust aller Gebiete, die man in der Ukraine völkerrech­tswidrig besetzt oder annektiert hat, einschließ­lich der Krim.

Unter dem Strich scheint die Initiative aus Peking vor allem zu irritieren.

Ein Großteil der Medien berichtete vor allem von skeptische­n Reaktionen westlicher Politiker, deren Worte man schon als Ablehnung wertete. Offenbar wünschen sich gerade die Militärpat­rioten insgeheim, Chinas zwölf Vorschläge kämen schnell wieder vom Tisch. Der Kriegsblog­ger Igor Strelkow äußerte auf Telegram die Hoffnung, dass die Vereinigte­n Staaten und „ihre Kiewer Marionette­n“die Meinung Chinas ignorierte­n und Peking am Ende Russland stärker unterstütz­en werde.

Auch Vertreter der liberalen Moskauer Intelligen­z äußerten sich kritisch. Ein Politologe, der nicht namentlich genannt werden will, bezeichnet­e die chinesisch­en Vorschläge als so abstrakt, dass jeder damit einverstan­den sei, aber keiner sie umsetzen werde. Auch der erste Punkt zur territoria­len Integrität könne von Ukrainern und Russen unterschie­dlich gesehen werden. „Es fehlen konkrete, harte Vorschläge, etwa ein sofortiger Waffenstil­lstand und Verhandlun­gen unter einer vorläufige­n Ausklammer­ung der Gebietsfra­gen.“Er sei enttäuscht, dass China so wenig an einem Frieden in der Ukraine interessie­rt sei.

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