Heidenheimer Zeitung

Günther Paschaweh verlässt die Fraktion

Nach internen Streitigke­iten verlässt der Nattheimer Gemeindera­t die Unabhängig­en/spd. Er wirft zwei Fraktionsk­ollegen Nähe zur AFD vor.

- Von Maximilian Haller

Als Günther Paschaweh am Donnerstag­abend vor den Nattheimer Gemeindera­t tritt, erwarten alle Anwesenden, dass er seine Rede zum Haushalt der Gemeinde hält. Und das tut er auch, doch nicht ohne zuvor eine kleine sprichwört­liche Bombe platzen zu lassen. Mit sofortiger Wirkung, so Paschaweh, trete er aus der Fraktion Unabhängig­e/spd aus. Der Grund: Respekt sei zumindest in Teilen der Fraktion nicht mehr gegeben. Ohne große Überraschu­ng scheinen der Rest des Gremiums und die Gemeindeve­rwaltung Paschawehs Entscheidu­ng zur Kenntnis zu nehmen. Der Bruch zwischen Paschaweh und dem Rest der Fraktion hat sich zumindest intern schon länger angebahnt.

Auslöser seien zwei Gemeindera­tsmitglied­er der Fraktion Unabhängig­e/spd gewesen, die laut Paschaweh in den sozialen Medien Beiträge veröffentl­icht haben, die er „dem Afd-milieu zuordnen“würde. Des Weiteren sei in öffentlich geposteten Fotos jener Fraktionsm­itglieder zu erkennen gewesen, dass diese die Website von „RT“aufgerufen hatten – ehemals als „Russia Today“bekannt. Kritiker betrachten den Sender als Auslands-propaganda­kanal der russischen Regierung. Im März vergangene­n Jahres trat ein Verbot der Eu-kommission in Kraft, das die Übertragun­g jeglicher Rt-inhalte untersagt.

Die Seiten gewechselt?

„Das sind Werte, die einfach nicht zu mir passen“, betont Paschaweh. Aus seinem Nattheimer Umfeld sowie aus den Reihen von Spd-mitglieder­n anderer Kommunen sei Paschaweh daraufhin gefragt worden, ob die besagten Gemeindera­tsmitglied­er „die Seite gewechselt“hätten.

Die beiden seien in internen Besprechun­gen mehrfach auf ihr Verhalten angesproch­en worden. „Zu Beginn hatte ich dabei noch etwas Unterstütz­ung vom Rest der Fraktion. Irgendwann dann aber gar nicht mehr“, berichtet der 68-Jährige. Im Januar dieses Jahres habe Paschaweh bei einem dieser Treffen erklärt, dass er kein Problem damit habe, wenn die Personen die Fraktion verlassen würden. „Daraufhin sind mir die anderen ziemlich in den Rücken gefallen. Das war für mich der Ausschlag, die Fraktion zu verlassen. Ich habe meine Prinzipien.“

Bereska schreitet bei Bedarf ein

Seinen Entschluss hat Günther Paschaweh der Fraktion wenige Stunden vor der Gemeindera­tssitzung mitgeteilt. „Ich wurde gefragt, ob das eine Kurzschlus­sreaktion sei. Dabei habe ich lange Zeit mehrfach angedeutet, dass ich dieses Spiel nicht mehr lange mitmache.“Als Gemeindera­t müsse man sich mit privaten Äußerungen in der Öffentlich­keit zurückhalt­en, findet der Nattheimer.

Etwas anders beurteilt Bürgermeis­ter Norbert Bereska dieses Credo, zumindest in seinem Grundsatz: „Wir leben in einer Demokratie, in der Meinungsfr­eiheit gilt. Natürlich trifft man dabei manchmal auf Positionen, die man selbst nicht teilt – das ist in allen Parteien und Fraktionen so.“Er selbst schreite als Bürgermeis­ter etwa dann ein, wenn es um direkte Vorwürfe gegen die Gemeinde Nattheim gehe. So geschehen bei einem Facebookpo­st, in dessen Kommentare­n beklagt wurde, die Gemeinde würde nichts gegen Müllversch­mutzung unternehme­n.

Wenn ein Gemeindera­tsmitglied öffentlich fragwürdig­e Meinungen vertrete, dann gehe Bereska in der Regel direkt auf diese Person zu. Die von Paschaweh angesproch­enen Fälle kenne der Bürgermeis­ter lediglich aus dessen Erzählunge­n. Ihm selbst sei in diesem Fall keine Verfehlung aufgefalle­n.

Auswirkung­en auf die Gemeindera­tssitzunge­n werde der Austritt Paschawehs aus Sicht der Gemeindeve­rwaltungen nicht haben. „Günther Paschaweh ist ein sehr engagierte­s und von mir persönlich sehr geschätzte­s Mitglied des Gremiums“, so Bereska. Auch die anderen Mitglieder des Gemeindera­ts würden gute Arbeit leisten. Der Bürgermeis­ter ist sich sicher, dass der Rat künftig auch in einer anderen Konstellat­ion produktiv mit der Verwaltung zusammenar­beiten wird.

Er tritt nicht mehr an

Wie diese Konstellat­ion aussehen wird, steht derzeit noch in den Sternen. Paschaweh ist das einzige Mitglied, das über ein Spd-parteibuch verfügt, betont aber, dass es nie einen Fraktionsz­wang gegeben habe. Er wird künftig als Einzelkämp­fer die SPD im Nattheimer Gemeindera­t vertreten. Die Fraktion Unabhängig­e/spd ist demnach offiziell aufgelöst, die übrigen sechs Mitglieder der ehemaligen Fraktion könnten eine eigene Fraktion bilden – sie müssen es aber nicht. Bis zum Ende der Legislatur­periode im kommenden Jahr sind sie alle weiterhin offizielle, voll stimmberec­htigte Mitglieder des Gremiums.

Zu Beginn hatte ich noch etwas Unterstütz­ung vom Rest der Fraktion. Dann nicht mehr. Günther Paschaweh über interne Diskussion­en

Das war schon lange vor meinem Austritt klar. Ich werde nächstes Jahr 69 Jahre alt sein. Günther Paschaweh über (k)eine erneute Kandidatur

Was auch immer die Zukunft bringen mag, sicher ist schon heute eines: Günther Paschaweh wird sich bei der Kommunalwa­hl 2024 nicht mehr aufstellen lassen. „Das war mir aber schon lange vor meinem Austritt klar. Ich werde nächstes Jahr 69 Jahre alt sein.“Irgendwann müsse man einen Schlussstr­ich ziehen. Gänzlich schmerzfre­i war dieser Akt trotzdem nicht. „Wenn man jahrzehnte­lang Motor einer Sache war, tut einem sowas schon weh“, beklagt Paschaweh die Entwicklun­g. Und doch: „Ich nehme es nicht persönlich. Ich habe in dieser Sache einfach meine Entscheidu­ng getroffen.“

 ?? Foto: Maximilian Haller ?? Seit 43 Jahren ist Günther Paschaweh Teil des Gemeindera­ts. Künftig ist er dort als Einzelkämp­fer vertreten.
Foto: Maximilian Haller Seit 43 Jahren ist Günther Paschaweh Teil des Gemeindera­ts. Künftig ist er dort als Einzelkämp­fer vertreten.

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