Günther Paschaweh verlässt die Fraktion
Nach internen Streitigkeiten verlässt der Nattheimer Gemeinderat die Unabhängigen/spd. Er wirft zwei Fraktionskollegen Nähe zur AFD vor.
Als Günther Paschaweh am Donnerstagabend vor den Nattheimer Gemeinderat tritt, erwarten alle Anwesenden, dass er seine Rede zum Haushalt der Gemeinde hält. Und das tut er auch, doch nicht ohne zuvor eine kleine sprichwörtliche Bombe platzen zu lassen. Mit sofortiger Wirkung, so Paschaweh, trete er aus der Fraktion Unabhängige/spd aus. Der Grund: Respekt sei zumindest in Teilen der Fraktion nicht mehr gegeben. Ohne große Überraschung scheinen der Rest des Gremiums und die Gemeindeverwaltung Paschawehs Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen. Der Bruch zwischen Paschaweh und dem Rest der Fraktion hat sich zumindest intern schon länger angebahnt.
Auslöser seien zwei Gemeinderatsmitglieder der Fraktion Unabhängige/spd gewesen, die laut Paschaweh in den sozialen Medien Beiträge veröffentlicht haben, die er „dem Afd-milieu zuordnen“würde. Des Weiteren sei in öffentlich geposteten Fotos jener Fraktionsmitglieder zu erkennen gewesen, dass diese die Website von „RT“aufgerufen hatten – ehemals als „Russia Today“bekannt. Kritiker betrachten den Sender als Auslands-propagandakanal der russischen Regierung. Im März vergangenen Jahres trat ein Verbot der Eu-kommission in Kraft, das die Übertragung jeglicher Rt-inhalte untersagt.
Die Seiten gewechselt?
„Das sind Werte, die einfach nicht zu mir passen“, betont Paschaweh. Aus seinem Nattheimer Umfeld sowie aus den Reihen von Spd-mitgliedern anderer Kommunen sei Paschaweh daraufhin gefragt worden, ob die besagten Gemeinderatsmitglieder „die Seite gewechselt“hätten.
Die beiden seien in internen Besprechungen mehrfach auf ihr Verhalten angesprochen worden. „Zu Beginn hatte ich dabei noch etwas Unterstützung vom Rest der Fraktion. Irgendwann dann aber gar nicht mehr“, berichtet der 68-Jährige. Im Januar dieses Jahres habe Paschaweh bei einem dieser Treffen erklärt, dass er kein Problem damit habe, wenn die Personen die Fraktion verlassen würden. „Daraufhin sind mir die anderen ziemlich in den Rücken gefallen. Das war für mich der Ausschlag, die Fraktion zu verlassen. Ich habe meine Prinzipien.“
Bereska schreitet bei Bedarf ein
Seinen Entschluss hat Günther Paschaweh der Fraktion wenige Stunden vor der Gemeinderatssitzung mitgeteilt. „Ich wurde gefragt, ob das eine Kurzschlussreaktion sei. Dabei habe ich lange Zeit mehrfach angedeutet, dass ich dieses Spiel nicht mehr lange mitmache.“Als Gemeinderat müsse man sich mit privaten Äußerungen in der Öffentlichkeit zurückhalten, findet der Nattheimer.
Etwas anders beurteilt Bürgermeister Norbert Bereska dieses Credo, zumindest in seinem Grundsatz: „Wir leben in einer Demokratie, in der Meinungsfreiheit gilt. Natürlich trifft man dabei manchmal auf Positionen, die man selbst nicht teilt – das ist in allen Parteien und Fraktionen so.“Er selbst schreite als Bürgermeister etwa dann ein, wenn es um direkte Vorwürfe gegen die Gemeinde Nattheim gehe. So geschehen bei einem Facebookpost, in dessen Kommentaren beklagt wurde, die Gemeinde würde nichts gegen Müllverschmutzung unternehmen.
Wenn ein Gemeinderatsmitglied öffentlich fragwürdige Meinungen vertrete, dann gehe Bereska in der Regel direkt auf diese Person zu. Die von Paschaweh angesprochenen Fälle kenne der Bürgermeister lediglich aus dessen Erzählungen. Ihm selbst sei in diesem Fall keine Verfehlung aufgefallen.
Auswirkungen auf die Gemeinderatssitzungen werde der Austritt Paschawehs aus Sicht der Gemeindeverwaltungen nicht haben. „Günther Paschaweh ist ein sehr engagiertes und von mir persönlich sehr geschätztes Mitglied des Gremiums“, so Bereska. Auch die anderen Mitglieder des Gemeinderats würden gute Arbeit leisten. Der Bürgermeister ist sich sicher, dass der Rat künftig auch in einer anderen Konstellation produktiv mit der Verwaltung zusammenarbeiten wird.
Er tritt nicht mehr an
Wie diese Konstellation aussehen wird, steht derzeit noch in den Sternen. Paschaweh ist das einzige Mitglied, das über ein Spd-parteibuch verfügt, betont aber, dass es nie einen Fraktionszwang gegeben habe. Er wird künftig als Einzelkämpfer die SPD im Nattheimer Gemeinderat vertreten. Die Fraktion Unabhängige/spd ist demnach offiziell aufgelöst, die übrigen sechs Mitglieder der ehemaligen Fraktion könnten eine eigene Fraktion bilden – sie müssen es aber nicht. Bis zum Ende der Legislaturperiode im kommenden Jahr sind sie alle weiterhin offizielle, voll stimmberechtigte Mitglieder des Gremiums.
Zu Beginn hatte ich noch etwas Unterstützung vom Rest der Fraktion. Dann nicht mehr. Günther Paschaweh über interne Diskussionen
Das war schon lange vor meinem Austritt klar. Ich werde nächstes Jahr 69 Jahre alt sein. Günther Paschaweh über (k)eine erneute Kandidatur
Was auch immer die Zukunft bringen mag, sicher ist schon heute eines: Günther Paschaweh wird sich bei der Kommunalwahl 2024 nicht mehr aufstellen lassen. „Das war mir aber schon lange vor meinem Austritt klar. Ich werde nächstes Jahr 69 Jahre alt sein.“Irgendwann müsse man einen Schlussstrich ziehen. Gänzlich schmerzfrei war dieser Akt trotzdem nicht. „Wenn man jahrzehntelang Motor einer Sache war, tut einem sowas schon weh“, beklagt Paschaweh die Entwicklung. Und doch: „Ich nehme es nicht persönlich. Ich habe in dieser Sache einfach meine Entscheidung getroffen.“