Geld verdienen mit der Liebe zur Musik
Die Zeiten, in denen Künstler mit Konzerten und CDS ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten, sind vorbei. Heute ist vor allem Flexibilität gefragt, wie das Beispiel von Yannek Maunz zeigt.
Lern erst was Richtiges, mach was Vernünftiges, geh‘ nicht in die Musikindustrie, da verdienst du kein Geld: Yannek Maunz hat viele gut gemeinte Ratschläge bekommen – und sich an keinen gehalten. Aus seiner beschaulichen Heimatstadt Heidenheim an der Brenz wagte er den Sprung nach Berlin und studierte Tontechnik und Sound-design. Heute ist der frühere Hobby-dj ein Produzent elektronischer Musik mit eigenem Tonstudio in seiner Kreuzberger Wohnung, Veranstalter, Mitbesitzer eines Platten-labels und vieles mehr. Sein bisher erfolgreichster Track „Prelusion“ist gut fünf Millionen Mal auf Spotify gestreamt worden.
Von seinem Musikerdasein kann Maunz heute gut leben. Weil er sich verschiedene Einkommensquellen erschlossen hat.
„Viele Menschen meinen, Musiker hätten es finanziell geschafft, sobald ihre
Lieder vielfach gestreamt werden. Das ist ein Irrglaube“, sagt Maunz. „Ich freue mich über den Erfolg von Prelusion auf Spotify. Aber fünf Millionen Streams sind finanziell gesehen nicht viel. Der Erlös ist marginal.“
Die Ausschüttungen der Streamingdienste (Tantiemen) verteilen sich höchst ungleich. Grund ist das Bezahlsystem der Streamingdienste, von dem Superstars wie der Rapper Drake oder Taylor Swift profitieren. „Wenn du an der Spitze stehst, verdienst du viel Geld, wenn du unten bist, gar nichts“, formuliert Maunz es bewusst überspitzt – jedoch treffend. Das belegt eine Studie der Beratungs- und Forschungsgruppe Goldmedia im Auftrag der Verwertungsgesellschaft Gema.
Erlöse ungleich verteilt
Sie offenbart ein gravierendes Ungleichgewicht: 30 Prozent der Nettoumsätze bei einem Standard-einzelabonnement (9,99 Euro) verbleiben demnach bei den Streaming-diensten. Rund 55 Prozent werden als Tantiemen an die Seite der Leistungsschutzrechte ausgezahlt, also die Labels (42,4 Prozent) und Interpreten (12,6 Prozent), auf Urheberrechtsseite die Verlage (5,3 Prozent) und Urheber (9,7 Prozent). Mit zusammen 22,4 Prozent Anteil an den Nettoumsätzen erhalten die Musikschaffenden (Urheber und Musiker) deutlich weniger als die Streaming-dienste und Labels.
Eine Daumenregel für die Verdienstmöglichkeiten auf Streamingportalen nennt Hubert Wandjo: „Für eine Million Streams schüttet Spotify circa 3000 Euro an die Rechteinhaber aus.“Wandjo arbeitet heute als Berater in der Musik- und Kreativwirtschaft. Bis zum Jahr 2003 hatte der heute 70-Jährige verschiedene Geschäftsführerposititionen bei Sony Music, Warner Music und BATB inne und hat die renommierte Popakademie BW mit aufgebaut, die er zudem lange Zeit leitete. Mit den Herausforderungen, denen besonders Newcomer heute ausgesetzt sind,
kennt er sich aus. Heute sagt der Experte: „Als Künstler von der eigenen Musik zu leben, ist jetzt weitaus schwieriger als früher.“
Noch vor zwanzig Jahren habe es für Musikschaffende vor allem zwei Arten gegeben, um Geld zu verdienen: den Bereich der Recorded Music und den der Livemusik. Wer damals die Lieder seiner Lieblingsband hören wollte, konnte sich entweder CD oder Vinyl der jeweiligen Band kaufen – oder ein Konzertticket. Viel mehr Möglichkeiten gab es nicht. „Dadurch war den Musikschaffenden allerdings ein relativ sicheres passives Einkommen garantiert“, sagt Wandjo.
Durch Spotify, Amazon Music und Co. habe sich jedoch die gesamte Musikindustrie gewandelt – und auch die Möglichkeiten, wie Musiker sich heute finanzieren (müssen). Zum einen verdienen sie heute weniger Geld mit dem Verkauf physischer Tonträger, weil der aufgrund günstiger Digital-abonnements bei Streaming-diensten zurückgeht. Wer bereit ist, monatlich maximal zehn Euro an Spotify zu zahlen, erhält ein solches Abo und damit Zugang zu – Stand September 2022 – mehr als 80 Millionen genreübergreifenden Tracks und Liedern aus aller Welt.
Weil Musikschaffende aber nicht fair am Umsatz der Streamingdienste beteiligt werden, können sie den Verlust durch den sinkenden Verkauf physischer Tonträger via Streaming nicht ausgleichen. Was an klassischen Einkommensquellen übrig bliebe, wäre der Bereich der Live-musik, also Konzerte.
Hier gib es das nächste Problem: Laut Wandjo gilt der Livebereich zwar heute allgemein als die Nummer-1-einkommensquelle für Musiker. Jedoch: nur für große Musiker. Durch Auftritte erwirtschaften sie bis zu 80 Prozent ihres Einkommens – auch in Zeiten steigender Energie- und Konzertkosten. Denn obwohl Musikfans heute weniger Konzerte besuchen als früher, verhält es sich laut Wandjo so: „Wenn man sowieso schon viel Geld für ein Konzert ausgibt, dann eher für das eines Superstars. Nach dem Motto: Da weiß man, was man hat.“Und: Die jeweilige Newcomerin könne man sich heutzutage erst einmal im Netz anschauen, auf Youtube oder in den Sozialen Medien. „Deshalb müssen sich Nachwuchsmusiker umso mehr eine Fanbase aufbauen und ihrem Auftritt in den Sozialen Medien einen hohen Stellenwert zuschreiben“, meint Wandjo.
Wenn man schon Geld für ein Konzert ausgibt, dann für das eines Superstars. Hubert Wandjo Musik-berater
„Träumen bringt nichts“
Die kritische Lage bringt der Experte wie folgt auf den Punkt: „Wer heute vom Traum des Musikerdaseins leben möchte, muss extrem flexibel, kreativ und ehrgeizig sein und sich als Unternehmer sehen.“Wandjo appelliert an Nachwuchsmusiker und solche, die es werden wollen: „Schaut, was ihr anbieten und vor allem monetarisieren könnt. Denn hoffen und träumen bringt nichts.“
Yannek Maunz sieht das ähnlich: „Was mir geholfen hat, war, meine Komfortzone bewusst und stetig zu verlassen.“Sein Geld verdient er unter anderem durch Kurse, in denen er Kniffs und Tricks für die Produktion elektronischer Musik erklärt. Oder durch die Produktion seiner „Samplepacks“, also Sound-pakete, die sich Musiker kaufen und damit eigene Musik machen können. Maunz mastered auch Tracks eines Labels, kümmert sich also um den letzten technischen Feinschliff der Tracks. Zwei bis drei Mal im Jahr hat er Auftragsproduktionen. Zuletzt hat er die Mskampagne eines Pharmaunternehmens kompositorisch unterstützt. „Ich werde einfach weiter neue Dinge ausprobieren, anstatt mich auf meinem Künstlerdasein auszuruhen“, sagt Maunz, der noch einiges vorhat. Er ist ein Positiv-beispiel eines Newcomers.