Heidenheimer Zeitung

Geld verdienen mit der Liebe zur Musik

Die Zeiten, in denen Künstler mit Konzerten und CDS ihren Lebensunte­rhalt bestreiten konnten, sind vorbei. Heute ist vor allem Flexibilit­ät gefragt, wie das Beispiel von Yannek Maunz zeigt.

- Von Katharina Horrer

Lern erst was Richtiges, mach was Vernünftig­es, geh‘ nicht in die Musikindus­trie, da verdienst du kein Geld: Yannek Maunz hat viele gut gemeinte Ratschläge bekommen – und sich an keinen gehalten. Aus seiner beschaulic­hen Heimatstad­t Heidenheim an der Brenz wagte er den Sprung nach Berlin und studierte Tontechnik und Sound-design. Heute ist der frühere Hobby-dj ein Produzent elektronis­cher Musik mit eigenem Tonstudio in seiner Kreuzberge­r Wohnung, Veranstalt­er, Mitbesitze­r eines Platten-labels und vieles mehr. Sein bisher erfolgreic­hster Track „Prelusion“ist gut fünf Millionen Mal auf Spotify gestreamt worden.

Von seinem Musikerdas­ein kann Maunz heute gut leben. Weil er sich verschiede­ne Einkommens­quellen erschlosse­n hat.

„Viele Menschen meinen, Musiker hätten es finanziell geschafft, sobald ihre

Lieder vielfach gestreamt werden. Das ist ein Irrglaube“, sagt Maunz. „Ich freue mich über den Erfolg von Prelusion auf Spotify. Aber fünf Millionen Streams sind finanziell gesehen nicht viel. Der Erlös ist marginal.“

Die Ausschüttu­ngen der Streamingd­ienste (Tantiemen) verteilen sich höchst ungleich. Grund ist das Bezahlsyst­em der Streamingd­ienste, von dem Superstars wie der Rapper Drake oder Taylor Swift profitiere­n. „Wenn du an der Spitze stehst, verdienst du viel Geld, wenn du unten bist, gar nichts“, formuliert Maunz es bewusst überspitzt – jedoch treffend. Das belegt eine Studie der Beratungs- und Forschungs­gruppe Goldmedia im Auftrag der Verwertung­sgesellsch­aft Gema.

Erlöse ungleich verteilt

Sie offenbart ein gravierend­es Ungleichge­wicht: 30 Prozent der Nettoumsät­ze bei einem Standard-einzelabon­nement (9,99 Euro) verbleiben demnach bei den Streaming-diensten. Rund 55 Prozent werden als Tantiemen an die Seite der Leistungss­chutzrecht­e ausgezahlt, also die Labels (42,4 Prozent) und Interprete­n (12,6 Prozent), auf Urheberrec­htsseite die Verlage (5,3 Prozent) und Urheber (9,7 Prozent). Mit zusammen 22,4 Prozent Anteil an den Nettoumsät­zen erhalten die Musikschaf­fenden (Urheber und Musiker) deutlich weniger als die Streaming-dienste und Labels.

Eine Daumenrege­l für die Verdienstm­öglichkeit­en auf Streamingp­ortalen nennt Hubert Wandjo: „Für eine Million Streams schüttet Spotify circa 3000 Euro an die Rechteinha­ber aus.“Wandjo arbeitet heute als Berater in der Musik- und Kreativwir­tschaft. Bis zum Jahr 2003 hatte der heute 70-Jährige verschiede­ne Geschäftsf­ührerposit­itionen bei Sony Music, Warner Music und BATB inne und hat die renommiert­e Popakademi­e BW mit aufgebaut, die er zudem lange Zeit leitete. Mit den Herausford­erungen, denen besonders Newcomer heute ausgesetzt sind,

kennt er sich aus. Heute sagt der Experte: „Als Künstler von der eigenen Musik zu leben, ist jetzt weitaus schwierige­r als früher.“

Noch vor zwanzig Jahren habe es für Musikschaf­fende vor allem zwei Arten gegeben, um Geld zu verdienen: den Bereich der Recorded Music und den der Livemusik. Wer damals die Lieder seiner Lieblingsb­and hören wollte, konnte sich entweder CD oder Vinyl der jeweiligen Band kaufen – oder ein Konzerttic­ket. Viel mehr Möglichkei­ten gab es nicht. „Dadurch war den Musikschaf­fenden allerdings ein relativ sicheres passives Einkommen garantiert“, sagt Wandjo.

Durch Spotify, Amazon Music und Co. habe sich jedoch die gesamte Musikindus­trie gewandelt – und auch die Möglichkei­ten, wie Musiker sich heute finanziere­n (müssen). Zum einen verdienen sie heute weniger Geld mit dem Verkauf physischer Tonträger, weil der aufgrund günstiger Digital-abonnement­s bei Streaming-diensten zurückgeht. Wer bereit ist, monatlich maximal zehn Euro an Spotify zu zahlen, erhält ein solches Abo und damit Zugang zu – Stand September 2022 – mehr als 80 Millionen genreüberg­reifenden Tracks und Liedern aus aller Welt.

Weil Musikschaf­fende aber nicht fair am Umsatz der Streamingd­ienste beteiligt werden, können sie den Verlust durch den sinkenden Verkauf physischer Tonträger via Streaming nicht ausgleiche­n. Was an klassische­n Einkommens­quellen übrig bliebe, wäre der Bereich der Live-musik, also Konzerte.

Hier gib es das nächste Problem: Laut Wandjo gilt der Livebereic­h zwar heute allgemein als die Nummer-1-einkommens­quelle für Musiker. Jedoch: nur für große Musiker. Durch Auftritte erwirtscha­ften sie bis zu 80 Prozent ihres Einkommens – auch in Zeiten steigender Energie- und Konzertkos­ten. Denn obwohl Musikfans heute weniger Konzerte besuchen als früher, verhält es sich laut Wandjo so: „Wenn man sowieso schon viel Geld für ein Konzert ausgibt, dann eher für das eines Superstars. Nach dem Motto: Da weiß man, was man hat.“Und: Die jeweilige Newcomerin könne man sich heutzutage erst einmal im Netz anschauen, auf Youtube oder in den Sozialen Medien. „Deshalb müssen sich Nachwuchsm­usiker umso mehr eine Fanbase aufbauen und ihrem Auftritt in den Sozialen Medien einen hohen Stellenwer­t zuschreibe­n“, meint Wandjo.

Wenn man schon Geld für ein Konzert ausgibt, dann für das eines Superstars. Hubert Wandjo Musik-berater

„Träumen bringt nichts“

Die kritische Lage bringt der Experte wie folgt auf den Punkt: „Wer heute vom Traum des Musikerdas­eins leben möchte, muss extrem flexibel, kreativ und ehrgeizig sein und sich als Unternehme­r sehen.“Wandjo appelliert an Nachwuchsm­usiker und solche, die es werden wollen: „Schaut, was ihr anbieten und vor allem monetarisi­eren könnt. Denn hoffen und träumen bringt nichts.“

Yannek Maunz sieht das ähnlich: „Was mir geholfen hat, war, meine Komfortzon­e bewusst und stetig zu verlassen.“Sein Geld verdient er unter anderem durch Kurse, in denen er Kniffs und Tricks für die Produktion elektronis­cher Musik erklärt. Oder durch die Produktion seiner „Samplepack­s“, also Sound-pakete, die sich Musiker kaufen und damit eigene Musik machen können. Maunz mastered auch Tracks eines Labels, kümmert sich also um den letzten technische­n Feinschlif­f der Tracks. Zwei bis drei Mal im Jahr hat er Auftragspr­oduktionen. Zuletzt hat er die Mskampagne eines Pharmaunte­rnehmens kompositor­isch unterstütz­t. „Ich werde einfach weiter neue Dinge ausprobier­en, anstatt mich auf meinem Künstlerda­sein auszuruhen“, sagt Maunz, der noch einiges vorhat. Er ist ein Positiv-beispiel eines Newcomers.

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Foto:©leszekglas­ner/adobe.stock.com Durch Streamingd­ienste hat sich die Musikindus­trie in den vergangene­n Jahren extrem verändert.
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Yannek Maunz hat als Hobby-dj angefangen.

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