Heidenheimer Zeitung

Über soziales Kapital zur Karriere

Nicht nur die Arbeitslei­stung entscheide­t darüber, ob ein Beschäftig­ter für höhere Aufgaben im Unternehme in Frage kommt. Mindestens ebenso wichtig sind Kontakte zu einflussre­ichen Personen.

- Katja Sponholz

Was braucht man, wenn man Erfolg im Beruf haben möchte? Für die meisten ist die Antwort klar: Leistung ist entscheide­nd. Oder auch eine gute Ausbildung sowie Fleiß, Glück und Durchsetzu­ngsvermöge­n. „Ein Drittel Sein, ein Drittel Schein und ein Drittel Schwein“, formuliere­n manche flapsig. Aber so funktionie­rt der Aufstieg auf der Karrierele­iter nicht unbedingt. Die Soziologin Dorothee Echter bringt es auf eine andere Formel: „Die Währung für Anerkennun­g bekommen ist Anerkennun­g geben.“Gemeinsam mit der Betriebswi­rtin Dorothea Assig berät sie regelmäßig Klienten im Topmanagem­ent. Ihren Erfahrunge­n nach sind es häufig Karrieremy­then, die den berufliche­n Aufstieg hemmen. Etwa zu denken, dass Schmeichel­n und Schleimen hilft, dass man Karriere macht, wenn man sich durchsetzt, dass „die da oben“allesamt narzisstis­che Egomanen sind. Worauf kommt es also an?

„Gute Leistung zu bringen, ist die Basis. Vor allem am Anfang ist das wichtig“, sagt Echter. Danach müssen jedoch andere Kompetenze­n hinzukomme­n. Das würden umfangreic­he Daten aus der Forschung belegen, sagt der Diplompsyc­hologe Prof. Florian Becker. Eine hohe Arbeitslei­stung sei zwar nicht nebensächl­ich, aber weit weniger wichtig als viele glauben.

„Natürlich ist es wichtig, früh zur Arbeit zu gehen und lange zu bleiben“, sagt Becker. „Aber nicht, weil du dann mehr leistest, sondern weil du dann mehr da bist, automatisc­h mehr Informatio­nen, Chancen und Möglichkei­ten zum Netzwerken bekommst.“Weil in

langen Präsenzzei­ten eben beispielsw­eise die Gelegenhei­t größer ist, den Geschäftsf­ührer in der Tiefgarage zu treffen oder den Projektlei­ter vor der Kaffeemasc­hine. Karriere erfolgt laut Becker nicht selten nach dem Sponsorenp­rinzip: „Meist entscheide­t darüber ein kleiner Zirkel mächtiger Menschen.“

Die Entscheide­r orientiert­en sich unbewusst auch an irrational­en und emotionale­n Kriterien. Manager neigen etwa dazu, jene Mitarbeite­r zu fördern, die ihnen ähneln und sympathisc­h sind, die zum Beispiel eine tiefe Stimme haben

oder groß und attraktiv sind. „Auch Mitarbeite­r mit maskulinem Erscheinun­gsbild tauchen eher als Führungskr­äfte auf “, sagt Becker, Autor des Buches „Psychologi­e der Mitarbeite­rführung“.

Da Karriere also nicht rational funktionie­rt, macht es für ambitionie­rte Menschen Sinn, sich zuerst von dem Glaubenssa­tz zu verabschie­den, dass in erster Linie die Leistung zählt. Um „oben“dabei sein zu können, sei es wichtiger, die Spielregel­n des Networking­s zu kennen. „Wenn du Karriere machen willst, solltest du soziales Kapital aufbauen und gute

Kontakte knüpfen“, rät Becker. Er geht sogar noch weiter: „Kümmere dich mehr darum, dich selbst voranzubri­ngen als das Arbeitserg­ebnis voranzubri­ngen.“Der Psychologe verweist auf Untersuchu­ngen, die zeigen, dass diejenigen Führungskr­äfte am schnellste­n Karriere machen, die viel Aufwand betrieben haben, um sich mit mächtigen Personen im Unternehme­n zu verknüpfen.

„Die meisten unterschät­zen, dass jede Empfehlung, jede Förderung und jede Berufung entscheide­nd mit dem Wohlwollen von Menschen zu tun hat“, sagt Dorothee

Echter. Sie empfiehlt, „mit großen, positiven Worten“nicht nur über sich selbst zu sprechen, sondern auch über andere. Und anderen immer positive Motive zu unterstell­en. Das Zauberwort laute Wertschätz­ung – sowohl nach innen als auch nach außen. Wichtig sei, sich ständig wiederhole­nde Resonanz zu erzeugen und zu halten, sagt die Beraterin. Freundlich­e Gesten, Lob und Kompliment­e seien geeignete Mittel dafür – und nicht zuletzt auch Großzügigk­eit und Gelassenhe­it. Es gehe darum, sich nach außen als unkomplizi­ert, freundlich und aufgeschlo­ssen zu erweisen.

Ebenso wichtig wie das Richtige zu tun, sei es, das Falsche zu unterlasse­n, sagt Dorothea Echter. Denn der „Wohlwollen- und Empfehlung­sprozess“sei höchst empfindlic­h. Er wird durch kleinste Unhöflichk­eiten, mangelnde Wertschätz­ung und vor allem negative Aussagen gestört. Stattdesse­n sollte man die Chance nutzen, genau dann zu helfen, wenn der Chef ein Problem hat. „Wenn es den Vorgesetzt­en irgendwo juckt oder er Schmerzen hat, dann musst du da sein“, empfiehlt Becker. Wer in einer schwierige­n Situation unterstütz­end eingreifen kann, werde eher gefördert als jemand, der stets „nur“gute Ergebnisse liefert.

Aber auch Mitarbeite­r, die alles richtig gemacht haben und trotzdem nach entscheide­nden Gesprächen Ihre Ziele nicht erreichen konnten, sollten keinesfall­s verärgert oder beleidigt reagieren. Dorothea Echter empfiehlt, in einer solchen Situation die eigenen negativen Gefühle für sich zu behalten: „Lenken Sie stattdesse­n Ihre Gedanken auf das, wofür Sie dankbar sein können.“

 ?? Foto: Mascha Brichta/dpa-tmn ?? „Gute Leistung zu bringen, ist die Basis“: Wer Karriere machen will, muss aber vor allem daran arbeiten, positiv wahrgenomm­en zu werden.
Foto: Mascha Brichta/dpa-tmn „Gute Leistung zu bringen, ist die Basis“: Wer Karriere machen will, muss aber vor allem daran arbeiten, positiv wahrgenomm­en zu werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany