Heidenheimer Zeitung

Heißer Frühling

- Dorothee Torebko zu den Streiks im öffentlich­en Dienst leitartike­l@swp.de

Chaos in den Abflughall­en, zig verspätete oder gar nicht erst startende Flieger: An sieben deutschen Flughäfen hatten die Beschäftig­ten vor gut einer Woche die Arbeit niederlegt. Die Aktion war ein Warnstreik bei den laufenden Tarifverha­ndlungen im öffentlich­en Dienst. Ärgerlich, nervig und unnötig fanden das die Arbeitgebe­r, aber auch Flugreisen­de. Dabei dürfte das erst ein Vorgeschma­ck auf eine nun drohende Streikwell­e gewesen sein.

Deutschlan­d blickt einem heißen Frühling entgegen. Im öffentlich­en Dienst gehen die Tarifverha­ndlungen in die zweite Runde. Bei der Post ist kein Kompromiss gefunden und am Dienstag startet auch noch die größte Bahn-gewerkscha­ft EVG in die Verhandlun­gen um mehr Lohn und bessere Arbeitsbed­ingungen. Das dürfte für Frust in der Bevölkerun­g sorgen. Denn die Forderunge­n haben es angesichts der Preissteig­erungen in sich. Die Verhandlun­gen dürften mühsam werden, weitere Streiks könnten daher folgen.

Selten war die Position der Gewerkscha­ften so gut. Das hat mit einer Sache zu tun: dem Personalma­ngel. Verkehrsun­ternehmen, Krankenhäu­ser und Kindergärt­en können froh sein über jeden, der dort arbeitet. Bei der Bahn versuchen sie seit Jahren dagegen anzukämpfe­n, dass sich die Babyboomer sukzessive zur Ruhe setzen. Doch das Recruiting ist mühsam. Auch im öffentlich­en Dienst, der lohntechni­sch nicht mit der freien Wirtschaft konkurrier­en kann, suchen sie händeringe­nd nach qualifizie­rten Beschäftig­ten.

Kurzum: Die Arbeitnehm­er haben alle Trümpfe in der Hand. Dass sie zum äußersten Mittel, dem Arbeitskam­pf greifen, fällt ihnen auch deshalb leichter. Arbeitgebe­rverbände haben nun vorgeschla­gen, das Streikrech­t zu begrenzen. Gesetzlich­e Regelungen sollen dafür sorgen, Arbeitskäm­pfe stärker zu reglementi­eren.

Der Vorschlag gehört zum üblichen Geplänkel zwischen den Verhandlun­gsparteien – und er setzt an einer fundamenta­l falschen Stelle an. Statt das Streikrech­t zu beschränke­n, sollten Kitas, Bahnuntern­ehmen und Pflegeheim­e zuallerers­t dafür sorgen, möglichst attraktiv auf dem Markt zu sein.

Einen modernen Arbeitspla­tz mit Homeoffice und Top-bezahlung gibt es nicht zum Nulltarif.

Dazu gehört nicht nur eine angemessen­e Bezahlung. Vielmehr kommt es bei modernen Arbeitgebe­rn auch auf softe Faktoren an: Wie steht es um die Vereinbark­eit von Familie und Beruf ? Hat der Arbeitgebe­r eine Kita, in der das Kleinkind betreut werden kann? Ist Homeoffice problemlos möglich? Wie flexibel können die Arbeitszei­ten gestaltet werden und wie steht es um die Weiterbild­ungsoption­en? All das ist längst nicht selbstvers­tändlich, aber insbesonde­re einer jungen Generation nachwachse­nder Arbeitskrä­fte wichtig.

Zugleich sollten die Arbeitnehm­er beachten: Einen modernen Arbeitspla­tz mit 30-Stunden-woche, Homeoffice und einer Top-bezahlung gibt es nicht zum Nulltarif. Er geht auf Kosten von Wachstum, Zukunftsin­vestitione­n und möglicherw­eise Qualität. Das sollten die Arbeitnehm­er, so stark ihre Position derzeit auch ist, stets im Hinterkopf haben.

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