Heidenheimer Zeitung

Missbrauch: Justiz durchsucht das Erzbistum München

Die Staatsanwa­ltschaft geht Verdacht auf Fehlverhal­ten und Vertuschun­g nach. Experten werten das Vorgehen der Ermittler als Kurswechse­l im Umgang mit der Kirche.

-

Nach einer Razzia der Staatsanwa­ltschaft beim Erzbistum München und Freising hoffen Betroffene und Kirchen-reformer auf einen neuen Umgang der Justiz mit Missbrauch­sverdachts­fällen in der katholisch­en Kirche. „Das ist tatsächlic­h eine bemerkensw­erte Aktion. Hoffentlic­h ist es ein Zeichen für einen Kurswechse­l der Justiz im Umgang mit der Kirche“, sagte der Sprecher der Betroffene­ninitiativ­e Eckiger Tisch, Matthias Katsch. „Leider kommt er für viele Betroffene zu spät.“

Der Vorsitzend­e des Betroffene­nbeirats der Erzdiözese München, Richard Kick, nannte es „außerorden­tlich, dass nach mehr als zehn Jahren des Wegschauen­s der bayerische­n Staatsregi­erung endlich Bewegung in die Sache kommt“.

Die Staatsanwa­ltschaft München I hat laut „Süddeutsch­er Zeitung“Mitte Februar einen Durchsuchu­ngsbeschlu­ss beim Erzbistum München und Freising umgesetzt. Die Aktion soll im Zusammenha­ng mit dem Missbrauch­sskandal in der katholisch­en Kirche und Vertuschun­gsvorwürfe­n

gegen Bistumsver­antwortlic­he stehen. Es soll um den Fall eines inzwischen verstorben­en Priesters gehen, dessen Taten in die 1960er Jahre zurückreic­hten.

Die Staatsanwa­ltschaft verwies darauf, dass sie seit Vorstellun­g des Münchner Missbrauch­sgutachten­s im Januar 2022 untersucht, ob „ein Fehlverhal­ten kirchliche­r Verantwort­ungsträger gegeben sein könnte“. Die Studie der Kanzlei WSW geht von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlich­en Tätern aus.

Die Justiz war oft dafür kritisiert worden, die Kirche mit der Aufarbeitu­ng des Missbrauch­sskandals sich selbst zu überlassen und damit Vertuschun­g zu ermögliche­n. Kirchenrec­htler Thomas Schüller sprach nun von einer „Zeitenwend­e im Verhältnis von staatliche­r Justiz und den Kirchen“. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) warf der katholisch­en Kirche eine jahrelang viel zu zögerliche Aufarbeitu­ng der Missbrauch­sfälle vor. „Es ist definitiv alles zu spät gewesen und zu lang“, sagte er am Montag.

Newspapers in German

Newspapers from Germany