Ein Sammelsurium
Nachdem selbst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Corona abgehakt hatte, rief er aus, nun ein Riesenprogramm abarbeiten zu wollen – all das, was in Jahren, zum Teil gar Jahrzehnten, liegen geblieben ist: Stabilisierung von gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherung, Durchbruch bei der Digitalisierung, Beseitigung der Lieferengpässe bei Medikamenten, Neuordnung der Notfallversorgung, mehr ambulante Operationen, mehr Qualität von Krankenhaus-behandlungen. Über allem steht sein Versprechen, keine Leistungen zu kürzen. Und den ökonomischen Druck im Gesundheitswesen zurückzudrängen – also mehr Medizin, weniger Renditedenken.
Von großen Reformen ist da gern die Rede. Starke Worte, auf die aktuell bei der Pflegeversicherung viel Kleinklein folgt. Da werden zum Juli die Beiträge angehoben, dafür soll es ein halbes Jahr später höheres Pflegegeld und mehr Entlastung für Heimbewohner geben. Paare mit Kindern werden beim Beitrag entlastet. Ein Milliardenkredit des Bundes aus dem Vorjahr, um die Pflegekassen flüssig zu halten, muss nicht 2023, sondern erst 2028 zurückgezahlt werden. Und so weiter. Ein Sammelsurium an Maßnahmen, das an das erinnert, was der Minister schon einmal zur notdürftigen Rettung der Krankenkassenfinanzen für dieses Jahr durchgezogen hatte. Nachhaltig ist das nicht, keine Spur von großer Reform.
Stattdessen werden zusätzliche Ausgaben angeschoben: mehr Geld für einzelne Medikamente, um Hersteller zu Produktionssteigerung anzuregen, mehr Geld für Kinderärzte angesichts übervoller Praxen, Aufbau eines Netzes von Gesundheitskiosken, um in Problemvierteln mehr Menschen zu erreichen.
All das kostet. Und es wird nicht klar, woher das Geld eigentlich kommen soll. Denn Bundesfinanzminister Christian Lindner will die Schuldenbremse einhalten und keine zusätzlichen Steuer-milliarden in die Stabilisierung der Krankenkassen oder gar neue Ideen stecken. Obwohl man etwa im Koalitionsvertrag vereinbart hatte, die bisher viel zu geringen Erstattungen an die Krankenkassen für Bürgergeldempfänger deutlich zu erhöhen. Davon ist keine Rede mehr.
Kann sich Lauterbach im Ampel-streit nicht durchsetzen, bleiben nur höhere Beiträge.
Und der FDP-CHEF kann über die Ausgabenpolitik von SPD-MANN Lauterbach nur den Kopf schütteln. Der aber macht zunächst fröhlich weiter.
Und der wirklich große Brocken kommt erst noch: Die Länder haben gerade klargemacht, dass sie die dringend notwendige Reform der Kliniklandschaft nur mittragen, wenn der Bund sich an den Umbaukosten beteiligt. Was das genau in Euro und Cent kostet, ist noch unklar. Von 50 bis 100 Milliarden Euro ist schon die Rede. Nun werden die nicht auf einen Schlag fällig, aber trotzdem geht es um gewaltige Summen. Kann sich Lauterbach im aktuell tobenden Ampel-streit um den Bundeshaushalt nicht durchsetzen, bleiben nur höhere Beiträge – und zwar deutlich höhere. Und das bedeutet dann doch wieder hohen ökonomischen Druck – nämlich für Arbeitnehmer und Unternehmen als Beitragszahler.