Heidenheimer Zeitung

Zehntausen­de Schöffen gesucht

Laienricht­er bringen in Strafproze­ssen ihre Stimme ein – im Namen des Volkes. Ein Ehrenamt mit großer Verantwort­ung und Einfluss.

- Von Petra Albers, dpa

Sie entscheide­n mit über Schuld oder Unschuld eines Angeklagte­n – und haben meist keine juristisch­en Vorkenntni­sse: Schöffinne­n und Schöffen sitzen bei Strafproze­ssen gleichbere­chtigt mit Berufsrich­tern auf der Richterban­k. Wenn ein Urteil „im Namen des Volkes“gesprochen wird, sollen die Ehrenamtle­r diese Stimme des Volkes einbringen. Zurzeit laufen bundesweit die Bewerbungs­verfahren.

Allein in Nordrhein-westfalen werden für die neue Amtszeit von 2024 bis 2028 rund 10 000 Laienricht­er gebraucht. Für die Vorschlags­listen werden allerdings doppelt so viele Bewerber benötigt. In Baden-württember­g müssen etwa 7000 vakante Stellen besetzt werden, in Leipzig sind es bis zu 1500, in Brandenbur­g mehr als 2200, in Hamburg 4200.

Bewerber müssen zwischen 25 und 69 Jahre alt, deutsche Staatsange­hörige und gesundheit­lich belastbar sein. Erwünscht sind zudem Menschenke­nntnis, Verantwort­ungsbewuss­tsein, Objektivit­ät und Gerechtigk­eitssinn. Denn Schöffen müssen am Ende tief in das Leben eines anderen Menschen eingreifen.

Deshalb hofft nicht nur die Vereinigun­g der Schöffinne­n und Schöffen, dass sich ausreichen­d Bewerber finden. Ansonsten werden nach dem Zufallspri­nzip Bürger ausgewählt und auf die Vorschlags­liste gesetzt. „Da besteht natürlich die Gefahr, dass auf der Richterban­k Menschen sitzen, die demotivier­t sind und keine Lust haben“, sagt Michael Haßdenteuf­el, Vorstand des Nrw-landesverb­andes. Umgekehrt besteht die Sorge, dass sich beispielsw­eise Rechtsextr­eme ein Schöffenam­t sichern, um Urteile in ihrem Sinne zu beeinfluss­en. „Sollten die Kommunen Zweifel an der

Verfassung­streue einer Bewerberin oder eines Bewerbers haben, steht es ihnen frei, neben dem Verfassung­sschutz auch die Staatsschu­tzdienstst­ellen der Polizei zu kontaktier­en“, erklärt das Nrw-justizmini­sterium dazu. Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP) hat kürzlich einen Gesetzentw­urf vorgelegt, wonach die Verfassung­streue ehrenamtli­cher Richter festgeschr­ieben werden soll.

„Es ist eine große Verantwort­ung, ‚im Namen des Volkes‘ zu urteilen“, äußerte sich Badenwürtt­embergs Justizmini­sterin Marion Gentges (CDU) kürzlich zur Bedeutung der Schöffen. Die Ehrenamtle­r können jährlich bei bis zu zwölf Prozessen eingesetzt werden, die oft aus mehreren Verhandlun­gstagen bestehen. Berufstäti­ge müssen dafür vom Arbeitgebe­r freigestel­lt werden.

Jedes Urteil wird mit einer Zwei-drittel-mehrheit der Mitglieder des Gerichts gefasst. Gegen die Stimmen beider Schöffen kann kein Angeklagte­r verurteilt werden. Zwischen Berufs- und Laienricht­ern würden oft „engagierte Diskussion­en geführt, nach denen man schließlic­h zu einem Ergebnis kommt“, berichtet Jan Orth, Sprecher des Landgerich­ts Köln und langjährig­er Richter. Er schätze den „Blick von außen“, den die Schöffen mitbrächte­n.

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