Zehntausende Schöffen gesucht
Laienrichter bringen in Strafprozessen ihre Stimme ein – im Namen des Volkes. Ein Ehrenamt mit großer Verantwortung und Einfluss.
Sie entscheiden mit über Schuld oder Unschuld eines Angeklagten – und haben meist keine juristischen Vorkenntnisse: Schöffinnen und Schöffen sitzen bei Strafprozessen gleichberechtigt mit Berufsrichtern auf der Richterbank. Wenn ein Urteil „im Namen des Volkes“gesprochen wird, sollen die Ehrenamtler diese Stimme des Volkes einbringen. Zurzeit laufen bundesweit die Bewerbungsverfahren.
Allein in Nordrhein-westfalen werden für die neue Amtszeit von 2024 bis 2028 rund 10 000 Laienrichter gebraucht. Für die Vorschlagslisten werden allerdings doppelt so viele Bewerber benötigt. In Baden-württemberg müssen etwa 7000 vakante Stellen besetzt werden, in Leipzig sind es bis zu 1500, in Brandenburg mehr als 2200, in Hamburg 4200.
Bewerber müssen zwischen 25 und 69 Jahre alt, deutsche Staatsangehörige und gesundheitlich belastbar sein. Erwünscht sind zudem Menschenkenntnis, Verantwortungsbewusstsein, Objektivität und Gerechtigkeitssinn. Denn Schöffen müssen am Ende tief in das Leben eines anderen Menschen eingreifen.
Deshalb hofft nicht nur die Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen, dass sich ausreichend Bewerber finden. Ansonsten werden nach dem Zufallsprinzip Bürger ausgewählt und auf die Vorschlagsliste gesetzt. „Da besteht natürlich die Gefahr, dass auf der Richterbank Menschen sitzen, die demotiviert sind und keine Lust haben“, sagt Michael Haßdenteufel, Vorstand des Nrw-landesverbandes. Umgekehrt besteht die Sorge, dass sich beispielsweise Rechtsextreme ein Schöffenamt sichern, um Urteile in ihrem Sinne zu beeinflussen. „Sollten die Kommunen Zweifel an der
Verfassungstreue einer Bewerberin oder eines Bewerbers haben, steht es ihnen frei, neben dem Verfassungsschutz auch die Staatsschutzdienststellen der Polizei zu kontaktieren“, erklärt das Nrw-justizministerium dazu. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat kürzlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, wonach die Verfassungstreue ehrenamtlicher Richter festgeschrieben werden soll.
„Es ist eine große Verantwortung, ‚im Namen des Volkes‘ zu urteilen“, äußerte sich Badenwürttembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) kürzlich zur Bedeutung der Schöffen. Die Ehrenamtler können jährlich bei bis zu zwölf Prozessen eingesetzt werden, die oft aus mehreren Verhandlungstagen bestehen. Berufstätige müssen dafür vom Arbeitgeber freigestellt werden.
Jedes Urteil wird mit einer Zwei-drittel-mehrheit der Mitglieder des Gerichts gefasst. Gegen die Stimmen beider Schöffen kann kein Angeklagter verurteilt werden. Zwischen Berufs- und Laienrichtern würden oft „engagierte Diskussionen geführt, nach denen man schließlich zu einem Ergebnis kommt“, berichtet Jan Orth, Sprecher des Landgerichts Köln und langjähriger Richter. Er schätze den „Blick von außen“, den die Schöffen mitbrächten.